Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. September 2015, Teil 4
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In intuitiven, überraschend gefilmten Schnittkaskaden folgt die Kamera einem erfolgreichen Drehbuchautor durch Hollywood. Rick (Christian Bale) ist auf der Suche nach einem Sinn in seinem Dasein und das ausgerechnet in einer Stadt, die als exemplarisch für Sinnlosigkeit und Oberflächlichkeit gilt.
Seinen Erfolg als Autor nimmt Rick selbstverständlich hin, führt ein Leben entsprechend der Standards von Luxus und Wohlbefinden. Doch seine Umgebung wirkt kühl, sein minimalistisch nach den Vorlagen gängiger stylischer Immobilienkataloge perfekt gestaltetes Apartment ebenso wie seine Beziehungen zu Menschen, zu schönen Frauen, die er auf Parties trifft oder zu seinen Auftraggebern, die Großes mit ihm vorhaben. Er bleibt reserviert und fremd. Reale und imaginäre Personen begegnen ihm. Sein Bruder Barry (Wes Bentley), der den Tod ihres kürzlich ums Leben gekommenen Bruders Billy emotionaler verarbeitet als Rick. Oder sein Vater Joseph (Brian Dennehy), der ihm viel bedeutet, mit dem er aber immer wieder Meinungsverschiedenheiten hat.
Seine Exfrau Nancy (Kate Blanchet) scheint er nur aufzusuchen, um gleich wieder zu gehen. Beide geraten sofort in die alten Streitereien, weswegen er sie einst verlassen hatte. Kate Blanchett spielt die Exfrau großartig und überzeugend. Sie ist Ärztin und versorgt im Krankenhaus die Armen und Gestrandeten. Als intellektuelle und sozial engagierte brainy blonde hebt sie das Niveau des ganzen Films noch einmal an.
Es gibt keine Narration im herkömmlichen Sinn. Aus dem Off gesprochene Gedankenfragmente begleiten die Bildfolgen. Der Schauspieler Christian Bale hat kein dialogbasiertes Drehbuch in die Hand bekommen, sondern nur eine Charakterbeschreibung. So verkörpert er die Hauptfigur eher, als dass er sie spielt. Die Handlung entwickelt sich als ein Fließen und Treibenlassen von einer (realen?) in die nächste (irreale?) Sequenz. Man folgt dem Protagonisten, wie er sanft durch schöne und exzessive Bilder entlang seiner seelischen Zustände führt. In den Räumen einer Wahrsagerin erfährt er vom „Ritter der Kelche“, einer Tarotkarte, die dem Film den Titel gab. Ihre Deutung hört Rick nicht mehr, denn er ist schon wieder draußen auf der Straße, auf der Suche nach der Perle, die die Tarotkarte versprach.
Zuweilen scheint Religiös-Mystisches zu überwiegen. Doch das Bild eines dekadenten Hollywood nimmt klare Konturen an. Ähnlich demjenigen, das David Cronenberg in seinem Film „Maps to the Stars“ 2014 zeichnete. Nur ist jetzt das Sodom und Gomorrha zum Spiegelbild der Seele eines einzelnen geworden, der daran leidet. Christian Bale entwickelt in seiner Fahrigkeit und Unentschlossenheit eine große Leinwandpräsenz. Er gibt sich, wie nur wenige herausragende Stars in Hollywood - Robert de Niro oder Jake Gyllenhaal - ganz in seine Rolle hinein.
Regisseur Terrence Malick, aus Texas stammend, ist mit diesem nunmehr 7. Spielfilm, für den er auch das Drehbuch schrieb, ein weiterer Autorenfilm gelungen. Bedauerlich, dass „Knight of Cups“ auf der diesjährigen Berlinale so gar nicht reüssierte.
P.S.: Auch nicht in der Besprechung unserer Kollegin von der Berlinale unter
die darauf gewartet hat, „daß dieser Bilderreigen in der Ästhetik der Werbefilme jemandem wirklich gefällt.“, was oben passiert ist.
Info:
Knight of Cups
Produktion: Waypoint Entertainment
Besetzung: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, u.a.
Drehbuch und Regie: Terrence Malick
Kamera: Emmanuel Lubezki
Set Design: Jack Fisk
Garderobe: Jacqueline West
Schnitt: Geoffrey Richman, Keith Fraase, A.J. Edwards
Musik: Hanan Townsend
Verleih: Studiocanal
118 Minuten