FACK JU GÖHTE 2 schon am ersten Wochenende über 2 Millionen Zuschauer, Teil 2/2

 

Rebecca von der Wien

 

München (Weltexpresso) – Die FAZ, genauer, die Sonntagszeitung, also die FAS, hat in einem witzigen Kommentar den Gehalt des Films auf die Umsetzung der Marxschen Theorien vom Kommunismus angewandt, aber das entscheidende I-Tüpfelchen überhaupt nicht mitbekommen: daß hier im Namen Goethes die Gesamtschule siegt, während das Schillergymnasium abgehalftert wird.

 

Haben Sie es auf Anhieb verstanden? Sonst noch mal deutlicher. Mit der Person Goethes verbindet sich auch etwas Konservatives, etwas, die Obrigkeit Huldigendes, während bei Schiller durchgehend – ob in Prosa im Dreißigjährigen Krieg, oder als Theaterstück DIE RÄUBER oder DON KARLOS – das Freiheitsethos, das Abstoßen der Knechtschaft, die Veränderung der Welt zu einer für alle humanen gefeiert wird. Daß nun ausgerechnet die Gesamtschule, für Reaktionäre der Zusammenbruch der bürgerlichen Bildung, für Fortschrittliche die einzige Schulform, die einer demokratischen Gesellschaft angemessen ist, da das 3-Klassen System des 19. Jahrhunderts vorbei sein soll, auch in der Schule, daß also nun ausgerechnet die Gesamtschule nach Goethe genannt ist und die tradierte Schulform, die oberste im DreiKlassenSchulSystem, nach dem Freiheitsdichter Friedrich Schiller heißt, ist schon in der Anlage des Films anachronistisch. Sie wird es vollends, wenn man den Argumenten der FAS nachgeht, was wir jetzt tun.

 

Ein/Eine Shou Aziz schreibt in der FAS vom 13. September auf Seite 40 mit der Überschrift KAMPF DER KLASSEN, daß in FACK JU GÖHTE 2 der Kapitalismus gestürzt würde: „beinahe jedenfalls“. „Hinter den bunten Bildern verbirgt sich ein überraschendes Muster: Der Film ist nichts anderes als eine Einführung in den Historischen Materialismus.“ Klar, worauf das hinausläuft. Es werden die Prolls, die proletarischen Goetheschüler (merken Sie, da müßte das Drehbuch Schillerschüler haben) mit ihrem Knastbruder Zeki Müller (Elyas M'Barek) als Lehrer denen gegenübergestellt, die in der Gesellschaft von morgen die Bedenkens- und sonstige Träger sind: die Schüler der Schillerschule. Deren Lehrer, Hauke Wölki - herrlich anpasserisch Volker Bruch - der die Gruppe nach Thailand begleitet, wird am Schluß – wo Zeki Müller zum pädagogischen Helden wird – als kapitalistischer Verbrecher enttarnt, denn er hat in Thailand mit seiner angeblichen Tsunamihilfe ein Hanfkartell aufgebaut, wo er 85 Prozent der Drogengelder und die Thailänder, die die ganze und noch dazu verbotene Arbeit machen, nur 15 Prozent vom Gewinn kassieren. Pfui Deibel!

 

Jetzt geht es nur noch darum, daß sowohl die Schüler beider Schulen wie auch die ausgebeuteten Thailänder dieses merken. Dabei sind die Schüler beider Schulen ja erst einmal Konkurrenten, denn beide wollen den Preis für die beste Zusammenarbeit mit der thailändischen Schule erringen, dessen Voraussetzung ein ökologisch hochwertiges, also nachhaltiges Projekt sein soll. „Natürlich nur Augenwischerei fürs kapitalistische Gewissen. Endlich eine Gelegenheit für die Goetheschüler, die Ketten der Knechtschaft abzuwerfen und sich zu erheben: Proletarier alles Länder vereinigt Euch!“

 

Doch, das ist schon witzig, weil ja in unserer heutigen Wirklichkeit man die Marxschen Theoreme auch sonst erkennt. Das ist nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn der Marxsche Text vom Lumpenproletariat spricht. Zwar trägt Chantal  keine echten Lumpen, sondern hochmodisches Zeug, das halt in der Perversion der Moderne auf Löcher und Risse und ein Aussehen, als ob alles schon hundert Jahre getragen wurde, durch die industrielle Fertigung getrimmt ist.

 

Und so paßt es auch, daß die Schillergymnasiasten Gutes tun, aber ihr Anführer, der kapitalistische Lehrer, die Besitzlosigkeit der Tsunamiopfer – alles ist auch nach Jahren noch weg, kein Haus, kein Bett, sie hausen in der Natur, weil man hier einfach Tsunami mit Kapitalismus gleichsetzen kann und muß - ausnützt und sich an ihrer Arbeit bereichert. So was nennt man in der Marxschen Theorie Mehrwert – na was, es ist ja auch ein horrender dazu, wenn das Schillergymnasium die 85 Prozent einsteckt und denen, die die Ernte erwirtschaftet haben, gerade mal 15 Prozent abgeben. Aber hinter dem Schillergymnasium steckt ja nicht die ganze Institution, sondern der einzelne Lehrer, der hier als Kapitalist handelt.

 

Warum das auffliegt, hat mit dem Zusammenschluß der Enteigneten zu tun, der Tsunamiopfer und den Opfern des dreigliedrigen Schulsystems in Deutschland: hier der Goethe-Gesamtschule. Im gewaltsamen Umsturz verbrüdern und verschwestern sich die Thais und die Goetheschüler in einer klassenlosen Gesellschaft: „Die Expropriateure werden expropriiert.“ Soweit folgt FAS-Autorin Shou Aziz der Marxschen Lehre und sieht den Pferdefuß darin, daß „sich der Kapitalismus Chantal, Zeki und Co. zurückholt“, schlicht dadurch, daß sie die ausgesetzte Geldprämie erhalten. Das klingt fast so, als ob sie den gewonnenen Batzen schon im Duty Free am nächsten Flughafen in Kleider, Parfüm und Alkohol umsetzen. Geht ja gar nicht. Das Geld gibt es erst in Deutschland. Und zwar für die Schule, mit Scheck oder Überweisung.

 

Aber nicht hier wollen wir der FAS Systemblindheit vorwerfen, sondern schlicht im Übersehen dessen, was schon die Drehbuchautoren nicht hätten übersehen dürfen. Die Schulen haben schlicht die falschen Dichternamen. Für die Unterdrückten, die dann siegen, wäre Schiller zuständig, für die Angepaßten, die guten Bürgersöhnchen und -Dämchen wäre Goethe zuständig. Weshalb wir den Schlußsatz: „Es gibt halt keinen richtigen Film im falschen System“, abwandeln in : Es gibt halt keinen richtigen Film im falschen Literatursystem.

 

 

Info:

 

Mit dabei u.a.: Elyas M'Barek, Karoline Herfurth, Katja Riemann, Alwara Höfels und Uschi Glas als überforderte Lehrer, Jella Haase, Max von der Groeben, Gizem Emre, Aram Arami und Anna Lena Klenke als ewige Problemschüler, sowie Runa Greiner als Streberin Meike. Neue Rollen übernehmen Volker Bruch, Lucas Reiber, Johannes Nussbaum und Zsa Zsa Inci Bürkle.

 

FACK JU GÖHTE 2 ist eine Produktion der Constantin Film, Produzenten sind Lena Schömann und Bora Dagtekin, Executive Producer ist Martin Moszkowicz. Die Komödie wurde gefördert vom FilmFernsehFonds Bayern, Medienboard Berlin-Brandenburg, der Filmförderungsanstalt und dem Deutschen Filmförderfonds.

Kinostart: 10. September 2015 im Verleih der Constantin Film

 

Darsteller: Elyas M'Barek, Jella Haase, Karoline Herfurth, Katja

Riemann, Max von der Groeben, Gizem Emre, Aram Arami, Lucas Reiber,

Anna Lena Klenke, Runa Greiner, Jana Pallaske, Uschi Glas, Volker

Bruch, Alwara Höfels, Johannes Nussbaum, Zsa Zsa Inci Bürkle

Produzenten: Lena Schömann, Bora Dagtekin

Executive Producer: Martin Moszkowicz

Drehbuch & Regie: Bora Dagtekin

Artikel im Weltexpresso

 

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