Serie: DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER, ab 1. Oktober in deutschen Kinos, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Warum wir den einzelnen Beiträgen, die in dieser Woche veröffentlicht werden, sozusagen einen Vorspann vorausschicken, liegt daran, daß die Gemengelage unübersichtlich aussieht, aber eigentlich ganz einfach, wenngleich ungewöhnlich ist: das Institut, das den Namen Fritz Bauers (FBI) trägt, von dem jeder vernünftige Mensch annehmen muß, daß es sein vörderster Sachwalter ist, ist es nicht.

 

Im Gegenteil. Das Institut hat durch seinen bisherigen Leiter und den für das Archiv zuständigen Werner Renz, der sich Historiker nennen läßt, aber keiner ist, alles getan, um aus dem Widerständler und Strafrechtsreformer Fritz Bauer eine knorrige, für menschliche Einsamkeit, für Alkohol und Zigarettenkonsum, für Homosexualität und Verrat stehende die Nazis bekämpfende Filmfigur zu basteln: „ach so menschlich war der“. Der Dokumentarfilm FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN von Ilona Ziok, der 2010 die Bauer-Renaissance sichtbar einläutete, wird dagegen von Werner Renz bekämpft. Auf seine Initiative hin wurde die gerade geplante Ausstrahlung in der ARD abgesetzt.

 

Das FBI, inzwischen an der Universität Frankfurt, existiert gut 20 Jahre, gegründet als ein Forschungsinstitut, das den Holocaust wissenschaftlich untersucht. Es mit dem Namen Fritz Bauers zu versehen, war ehrenwert, denn Fritz Bauer hat in Frankfurt in den 50er und 60er Jahren eine maßgebliche Rolle gespielt, wobei die Auschwitzprozesse ja nur das Sichtbarste sind. Seine sonstigen Bemühungen, vor allem die Jugend in der Analyse der Verbrechen des Nationalsozialismus auf demokratische Pfade zu geleiten, seine immer wieder aufflammenden Reden zur Demokratisierung der Gesellschaft, sein Feuer und seine Überzeugung, daß der Mensch gut sei, eine humane Gesellschaft möglich sei, seine Strafrechtsreformen einschließlich seiner Überzeugung, daß schon die Zugehörigkeit, das Dabeisein bei einer Mordmaschinerie wie den KZs die Schuld des einzelnen beweise und man nicht, wie lange geschehen, jede einzelne Tat beweisen müsse – was ja, da die Vergasten nicht mehr über ihr Vergasen berichten konnten, sowieso ein unglaubliches Ansinnen ist - das alles wird jetzt erst wieder einer breiteren Öffentlichkeit durch die Spielfilme über Fritz Bauer bekannt, die Werner Renz für das FBI berät und bei Dreharbeiten dabei ist.

 

Doch was geschieht? Nachdem es üblich geworden ist, die DDR-Vergangenheit mit Stasi gleichzusetzen und Stasifilme zu drehen – wir haben nichts dagegen – kommen nun endlich auch deutsche Filme zum Mief und Muff der 50er und 60er Jahre in Westdeutschland, ihrem Antikommunismus und nazihaften Nachwuchern in unsere Kinos - übrigens genau die Zustände, die junge Menschen damals zu Protesten gegen diese Wirtschaftswundermentalität brachte, gegen den Götzen Geld und Konsum, gegen das Überleben der Nazis in den wichtigen Institutionen der Bundesrepublik, vorrangig im Bundesjustizministerium, wo sich Nazijuristen die Hand gaben und wo wir uns jetzt den berühmt berüchtigte Eduard Dreher anschauen, einst Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck, der noch 1945 zig Todesurteile forderte gegen Menschen, die aus Hunger Brot gestohlen hatten. Wir müssen ihn uns deshalb anschauen, weil Werner Renz ihn reinwäscht.

 

Dieser Dreher, ein Ziehkind des Adenauer Staatssekretärs Globke (NSDAP) , - gegen den Fritz Bauer vergeblich versuchte, in Frankfurt Anklage wegen Naziverbrechen erheben zu dürfen, was der Bundesgerichtshof ihm ablehnte und das Verfahren nach Bonn gab, wo es in der Mottenkiste verschwand - war es, der im Jahr der Studentenbewegung 1968 als Leiter der Strafrechtsabteilung und zuständig für die Verbindung ins Parlament heimlich still und leise in ein harmloses Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz (EGOWiG) einen Verjährungsparagraphen für Beihilfe zum Mord versteckte, der nach der Annahme durch den Deutschen Bundestag erst öffentlich und damit auch den Parlamentariern bekannt wurde, aber durch die Abstimmung mit Mehrheit rechtens war, weshalb auf einen Schlag die meisten Nazi-Verfahren wegen Generalamnestie zu Ende waren, abgebrochen werden mußten. Denn Beihilfe zum Mord wurde nicht mehr Mord genannt, sondern Totschlag und dafür galt die Verjährungsfrist von 20 Jahren, die 1968 natürlich vorbei war.

 

Warum wir das hier so ausführlich aufführen? Weil man nicht oft genug sagen kann, daß Werner Renz, den sie im Fritz Bauer Institut auch, „unseren kleinen Nazi“ nennen, in seiner Filmkritik genannten Abrechnung mit dem Ilona Ziok Film von 2010 FRITZ BAUER-TOD AUF RATEN diesen unglaublicherweise als einen 'medialen Mißgriff' bezeichnete. Als Begründung führt er an, daß die Regisseurin Ilona Ziok unkommentiert lasse, daß ihr Interviewpartner Thomas Harlan, Sohn des NS-Regisseurs, scharfer Kritiker seines Vaters und bester Freund Fritz Bauers, diesen Dreher als Drahtzieher des EGOWiG bezeichne. „Was der Film als unbestrittene Erkenntnis aus dem Munde Harlans verkündet, ist eine mögliche Auffassung – nicht mehr.“ Damals gab es schon das Buch von Ferdinand von Schirach DER FALL COLLINI, der dies genau beweist und inzwischen hat die Kommission, die die Arbeit des Bundesjustizministeriums auf Nazikontinuität untersucht, genau diese Rolle von Dreher bestätigt.

 

Was einen sprachlos macht, ist einmal, daß jemand einen Dokumentarfilm ablehnt, weil jemand dort etwas sagt, was die Interviewerin und Regisseurin nicht zensiert, und daß er dann noch den Nazi Dreher mit Unschuldsvermutung reinwaschen will, wo doch dieser mit herbeiführte, was Ralph Giordano die sogenannte zweite Schuld nennt: die mangelnde Aufarbeitung der Nazivergangenheit durch das angeblich neue demokratische Deutschland. Aber genau dieser Aufgabe hatte sich doch Fritz Bauer verschrieben. Und nun behauptet Werner Renz vom Fritz Bauer Institut, doch Dreher war ein ehrenwerter Mann und lehnt deshalb den Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN ab?

 

Warum das wichtig ist? Weil Werner Renz der Gewährsmann aller bisherigen Spielfilme über Fritz Bauer ist, an den Filmaufnahmen direkt beteiligt ist, wozu man den Filmleuten überhaupt keinen Vorwurf machen kann. Sie wissen es nicht besser, denn er kommt doch vom Fritz Bauer Institut, auch Herr Renz ist ein ehrenwerter Mann. Und er hilft gerne. Ist fleißig und aktenkundig.

 

Nachdem es seit 2009 die wissenschaftliche Biographie von Irmtrud Wojak gibt: Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie (Verlag C.H. Beck) und nachdem es seit 2010 der Dokumentarfilm von Ilona Ziok FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN gibt, lädt das FBI unter der Obhut von Werner Renz den Journalisten Ronen Steinke ein, als bezahlter Gast am FBI zu forschen, woraus dann 2013 das bei Piper erschienene Buch FRITZ BAUER – ODER AUSCHWITZ VOR GERICHT wird, das sich nicht Biographie nennt, und nun aus lange bekannten Papieren zwei Dinge behauptet:

Fritz Bauer sei schwul gewesen

Fritz Bauer habe seine Freilassung aus der KZ-Haft, in der er unmittelbar im März 1933 als gegen die Nazis kämpfender Sozialdemokrat gesteckt wurde, durch eine Unterwerfungserklärung erreicht und damit seine Kameraden verraten.

 

Aus diesen Passagen wurden dann in der im Mai 2014 im Jüdischen Museum Frankfurt gezeigten Ausstellung, insgesamt eine Bebilderung des Steinke-Buches, ein Protokoll der dänischen Polizei als „Beweis“ der Homosexualität Bauers vorgelegt sowie eine Seite aus einer Nazizeitung ausgestellt, wo gedruckt steht, ein gewisser Hauer habe eine Unterwerfungserklärung abtrünniger Sozialdemokraten gegenüber den nun gelobten Nationalsozialisten mit anderen unterschrieben. Das sei Bauer. Ja, Sie lesen richtig. Der Name ist falsch, es ist eine Nazizeitung und es gibt keine eigenhändige Unterschrift zu Bauer.

 

Aber daraus werden nun Filme gemacht, die wohl die Gestalt Bauers, die Werner Renz für überhöht hält, 'menschlich' machen soll, denn wie ist es zu erklären, daß gerade auf diese beiden nicht stimmigen Sachverhalte die Regisseure nur so drauf fliegen? Fritz Bauer kann sich nicht mehr wehren. Seine noch lebenden Freunde Charly Bringer vom hr und Ilse Staff, die Jura-Professorin an der Uni war, sind entsetzt und erzählen einem das Gegenteil, wie es Ilse Staff gerade gegenüber Lelle Franz, der Frau eines damaligen Richters in Frankfurt, erneut tat. Aber sie sind alt und es widert sie dieser Umgang mit Bauer einfach an.

 

Wir verweisen auf die folgenden Artikel, die sich mit dem Film DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER beschäftigen und auch konkreter zu den beiden Hauptlügen: Homosexualität und Verrat äußern. Es kommen Filmbesprechungen, Interviews, erneut Besprechungen, erneut Interviews. Wir nehmen Filme als Abbild von Zeiten und Personen ernst. Wenn jemand noch keine 50 Jahre tot ist und noch so viele Zeitgenossen leben, muß man sich an Wahrheiten halten, auch wenn später einmal aus diesen Personen interessante Filmfiguren werden mögen. Für solche Verdrehungen ist es einfach noch zu früh. Fortsetzung folgt

 

P.S.: Bitte geben Sie auf unserer Titelseite den Namen Fritz Bauer ein, um die Vielzahl der Artikel über ihn und seine Filme zu sichten. Zum Film von Lars Kraume hatten wir am 23. November angesichts der Hessischen Filmförderung das erste Mal geschrieben:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3898:lars-kraumes-film-ueber-fritz-bauer-ist-auch-dabei&catid=79:kino&Itemid=471

 

 

Info:

Der Staat gegen Fritz Bauer, Regie und Drehbuch: Lars Kraume; Produzent, Thomas Kufus, in den Hauptrollen als Fritz Bauer: Burghart Klaußner und als Staatsanwalt Karl Angermann: Ronald Zehrfeld, 105 Minuten, Deutschland 2015.