Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. November 2015, Teil 1

 

Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Warten auf Godot ist nichts gegen das Warten auf den nächsten Bond. Schließlich sind seit dem14. November 2006, als mit Daniel Craig und CASINO ROYAL ein wirklich neues Bond-Zeitalter begann, nun inzwischen vier Craig-Bonds vorhanden – und SPECTRE kann die Versprechen, die CASINO ROAYL gab, nicht halten.

 

Denn erst mit CASINO ROYAL sind wir so richtig eingestiegen. Zwar kannten wir die Romane von Ian Fleming; hatten sogar sein durch die Tantiemen erworbenes traumhaftes Anwesen hoch über den Wassern in Jamaika besucht, hatten die meisten Bondfilme mit mehr oder minder mäßigem Vergnügen besucht, waren also keine Bondfans – und dann so was. CASINO ROYAL ließ uns aus den Latschen kippen und von allem das Gegenteil behaupten. Unsere Besprechung des Films fiel dann so aus, daß die Redaktion von Weltexpresso uns auf dem Laufenden hielt, denn das Internet-Bond-Forum hatte 2006 unmittelbar auf die lobende Rezension reagiert und in verschiedenen Zuschriften nun diese wiederum gelobt „obwohl sie von einer Frau ist.“ Wortwörtlich. Also hört an: Schluß, so geht es nicht weiter mit Bond. Ende der Fahnenstange.

 

Um die Enttäuschung, auch die Abwendung, die Langeweile und das Dürftige zu verstehen, muß man wirklich bei CASINO ROYAL ansetzen. Was war da geschehen? Seltsamerweise war ja dieser 21. Bondfilm eigentlich der erste. Vom Stoff her. Dieses Sujet war jedoch durch eine Fernsehproduktion in den Rechten blockiert, wurde später als Persiflage nicht ernst genommen und konnte tatsächlich erst nach einem Rechtestreit und aufgekauften Filmanteilen hin und her von Martin Campbell mit Daniel Craig verfilmt werden.

 

Und das Geschehen um James Bond war so tragisch, der Tod seiner Geliebten Vesper Lynd so niederschmetternd, daß alles so folgerichtig inszeniert,daß mit einem Schlage klar war, warum das Leben danach für Bond nicht mehr lebenswert war, weshalb er seine Gefühle auf Eis legen mußte, weshalb er auf Teufel komm raus, sich die größten Gegner aussuchte, als unbewußte Sehnsucht zum Tode sozusagen. Richtig melodramatisch, aber eben richtig. Und jetzt konnte man auch den ganzen Verbrauch an Bondgirls nachempfinden, sich den Frauenverbrauch genauso erklären wie die Ruhelosigkeit. Nach Vesper kam eben niemand mehr in Frage. In Frage für Liebe und so.

 

Aber diesmal in SPECTRE treibt es Bond, d.h. seine Drehbuchschreiber einfach zu weit. In dieser Düsternis gibt es gar nichts mehr. Keine Gefühle, keine richtige Handlung, alberne Autorennen in Rom, merkwürdige Zugfahrten in die Wüste, die Welt versinkt in tiefer Depression. Dabei hatte SPECTRE doch so toll angefangen. In Mexiko wird der Día de los Muertos gefeiert, was bei uns Allerheiligen entspricht, und auf dem Zocalo, dem Hauptplatz der Hauptstadt, mit einer gewaltigen Prozession von Totengerippen, zumindest Totenschädeln, zum bunten, schrägen, lustvollen Treiben führt. Ein gutes Versteck für den oberbösen Schurken Marco Sciarra (Alessandro Cremona), aber nicht gut genug für den aufmerksamen Bond, dessen blaue Augen wir zweifelsfrei hinter der Totenschädelmaske aufblitzen sehen.

 

Auf jeden Fall findet über eine Viertelstunde eine Verfolgungsjagd statt, die tatsächlich durch die mexikanische Folklore was Besonderes gewinnt und in einen Hubschraubertodeskampf ausartet, wo dann als Folge gleich bühnengerecht ganze riesenhafte Gebäude zum Klang der Musik in sich zusammenfallen. Macht nichts. Der Schurke ist tot. Bond lebt. Allerdings nicht besonders gut, in London jetzt. Denn seine Dienstelle, konkret der Geheimdienstchef M (Ralph Fiennes) suspendiert ihn wegen eigenmächtigen Vorgehens, was Bond weder in Mexiko störte noch jetzt, wo er nach Rom weiterreist, um die Hintermänner des Italieners auszumachen. Sein Weg führt über die Witwe (Monica Bellucci) seines Opfers, was beide beim Liebesspiel wenig stört, aber darum ging es nicht, sondern um die Information, wer eigentlich dahintersteckt. Die Geheimorganisation Spectre.

 

Und nun passieren lauter von einander unabhängige Dinge, die dann in einen äußerst formalen Zusammenhang kommen, den wir nur kurz skizzieren. Der neue Leiter beim Geheimdienst Max wird von Andrew Scott verkörpert, der immer noch als Moriarty aus der englischen Fernsehserie Sherlock einem so im Bildgedächtnis steckt, daß man sofort ahnt: das kann nicht gut gehen. In doppeltem Sinne. Erst einmal blockiert er die gesamte Abteilung, er will kein altmodisches Ausforschen und Verfolgen, er will modernes Überwachen in der Totalen. Und dann, da stockt die Taste, denn man versprach, nicht alles auszuplaudern, damit ein Rest an Spannung bleibt.

 

Also sagen wir auch nur wenig zu einer Randfigur, zu der der mysteriöse Oberboß Franz Oberhauser von Spectre leider verkommt: zu Christoph Waltz. Der ist hier unterhalb seiner Möglichkeiten beschäftigt, obwohl die seltsame Geschichte ihn ja jetzt zum Bruder von Bond macht. Mehr Spielraum hat Madeleine Swann (Lea Seydoux) – Proust läßt albern grüßen. Sie ist die Tochter des Bondfeindes Mr. White (Jesper Christensen), der zwischen die Räder geriet und unter den Augen von Bond gemordet wird und sie soll ihm helfen, den verhaßten Oberhauser zu liquidieren. Während wir die schönen Aufnahmen vom lieblichen Altaussee in der Steiermark noch goutierten, wird uns das Ankommen der beiden in der Wüste einfach zu trocken. Daß Bond überlebt und Feind Oberhauser stirbt, war doch eh klar. Darum gibt es ja Bondfilme. Aber hier ist ein Endpunkt erreicht. Was soll die ganze Action, wenn keine positive Kraft entsteht, die etwas will.

Enttäuschend.