Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. November 2015, Teil 3

 

Romana Reich

 

Berlin (Weltexpresso) - Eine schaurige Geschichte, die wir zur Zeit der Berlinale in einer ausführlichen Würdigung niedergeschrieben hatten. Eine schaurige Geschichte aus Chile, die sich nicht auf die Erzählung durch Bilder beschränkt, sondern das Licht, besser die Wegnahme von Licht als dramaturgisches Mittel nutzt.

 

Im Dunkeln ist gut munkeln, könnte man auch dazu sagen, denn wie im Nebel nehmen wir Dinge wahr, die so doch gar nicht sein können, aber sind. Und da wir wirklich auf die ausführliche Besprechung zu Zeiten der Berlinale verweisen wollen, Link unten, fassen wir uns jetzt kürzer.

 

Wir sehen ein Haus am Rande der Gemeinschaft, wo ältere Männer mit einer einzigen Frau leben, von der man sofort den Eindruck gewinnt, daß sie einerseits die Männer betreut, andererseits aber sie auch dirigiert. Wir nehmen an der Gleichförmigkeit teil, an den Essen, an den dürftigen Gesprächen. Doch begonnen hatte der Film ganz anders, seltsam und surreal. Wir sehen einen Hund, der am Strand immer im Kreis an einem hochgehaltenen Stock/Fleisch wetzt. Später wissen wir, daß wir dem Hundetraining zugeschaut haben, denn die älteren Männer beteiligen sich an den Wetten zum Hunderennen und wollen den ihren zum Schnellsten machen. Und Geld dafür kassieren.

 

Harmlos alles? Mitnichten. Denn dies merkwürdige Schweigen, das über allem liegt, hat schon nicht mal das Ankommen eines Neuen verkraftet. Spätestens jetzt bekommen wir mit, was hier in diesem Haus passiert. Es ist die Endstation, die Abstellkammer für diejenigen Priester, die im Amt sittlich gefehlt haben, was überwiegend auf Pädophilie hinausläuft, wozu die Katholische Kirche lange geschwiegen hat und nun des Waldbrands nicht Herr wird, in Chile und anderswo. In Chile hat man sich als innerkirchliche Lösung ausgedacht, solche Priester ihres Amtes zu entheben und sie abzuschieben in die Provinz, wo sie sozusagen kaserniert in Vorstadtvillen lebenslang versorgt werden, ohne Aussicht, je von dort wegzukommen.

 

Das hat sich eingespielt und bricht auf, als der Neue kommt. Denn mit ihm kommt sein Schatten. Ein von ihm sexuell Gedemütigter spricht von der Straße aus das aus, was man in Worten selten hört, da wir beim Ausdruck Pädophilie lieber Schluß machen. Es ist wirklich kaum auszuhalten, die fast lyrisch vorgetragenen Beschreibungen dessen, was der Priester mit ihm machte, anzuhören. Der Adressat auf jeden Fall kann es nicht, sich das weiter anhören, nimmt seine Pistole, geht nach draußen...Daß er sich selbst erschießt und nicht den - in den Augen der anderen – Aggressor, gehört zur filmischen Delikatesse, die Regisseur Pablo Larraín immer wieder gelingt und die ihm für seinen Film den Silbernen Bären der Berlinale einbrachte.

 

Eigentlich sind wir ja noch am Anfang des Films, aber die Grundstruktur ist klar und es geht jetzt darum, wie die Kirche selbst mit dem Ganzen umgeht. Sie schickt nämlich einen Mann zur Untersuchung des Selbstmords in dies chilenische Küstenstädtchen und dessen Rolle zeigt nach und nach die ganze Misere, in der nicht nur in Chile, aber dort besonders, die Katholische Kirche steckt: Verschweigen, halbherziges Aufarbeiten, was um so mehr Verhärtung und Unwahrheit mit sich bringt. Ein Kreislauf. Kein Entrinnen.

 

Schwer auszuhalten, aber sehr gut gemacht.

 

 

INFO:

R: Pablo Larraín

Chile 2015

Spanisch

D: Roberto Farías, Antonia Zegers, Alfredo Castro, Alejandro Goic, Alejandro Sieveking, Jaime Vadell, Marcelo Alonso, Francisco Reyes, José Soza

 

 

Wir verweisen auf die sehr ausführliche Besprechung zur Berlinale

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4214:el-club&catid=79:kino&Itemid=471