VERSO SUD 21, Festival des italienischen Films im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, vom Samstag, 28. November, bis Freitag, 11. Dezember, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eine intellektuelle, politische, filmästhetisch ansprechende, lebendige Eröffnung leitete die diesjährigen Tage des italienischen Films im Kino des Frankfurter Filmmuseums mit Regisseur Fernando Muraca und seinem Film von den Frauen der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia ein.
Dabei hatte es stumm, aber mit Sekt und Wasser beim Empfang begonnen. Stumm? Nein, nur keine offizielle Reden,aber ein so lebhaftes Begrüßen und Miteinandersprechen, weil VERSO SUD längst in Deutschland ein Treffpunkt für italienischen Film geworden ist. Man sah sofort das über die Jahre vertraute Gesicht von Franco Montini aus Rom, dem die inhaltliche Gewichtung des Festivals zu verdanken ist, das nun im dritten Jahr in den Händen von Monika Haas vom Deutschen Filmmuseum liegt. Montini ist mit zwei Kollegen zuständig für MADE IN ITALY, die italienische Filme durch Gastauftritte in den Nachbarländern für die jeweiligen, hier die deutschen Verleiher interessant machen sollen – und es können.
Das galt für die letzten Jahr und gilt diesmal für LA TERRA DEI SANTI, einem so spannenden wie aufwühlenden Film – nein, nicht über die 'Ndrangheta, sondern über die Frauen, die mit den Männern im Machtzentrum der Geheimgesellschaft liiert sind– ach was, offiziell verheiratet sind, wir sind in Italien, wo bei Verbrechern oder der Untersuchungsrichterin das Jesuskreuz an der Wand hängt.
Die beiden Hauptprotagonistinnen sind Assunta (Daniela Marra), die Witwe eines 'Ndanghetamitglieds, die gerade zwangsverheiratet wird mit Nando, ihrem Schwager. Mit ihrem Aufbegehren, aber auch mit ihrem nachlassenden Widerstand beginnt der Film. Ihre Schwester Caterina (Lorenza Indovina) zeigt sich schon hier, ist aus anderem Holz geschnitzt. Denn sie – Frau vom Boss Alfredo Raso, der untergetaucht ist, wobei wir mit der Kamera in sein raffiniertes Geheimversteck wandern – sieht die Frauen im Mächtespiel als diejenigen, die klein beigeben müssen, um daraus Kraft und Stärke zu entwickeln, ganz oben mitzumischen. Im Lauf des Films entwickeln sich beide Frauen zu ihrem eigentlichen Kern: Assuntas Gefühle gelten ihren zwei Söhnen, die überleben sollen, Caterina sieht Mutterliebe im Dienst der Sache, also der 'Ndrangheta, deren Mechanismen Macht und Geld sind – Lebensmaßstäbe auch für Caterina.
Diesen beiden weiblichen Hauptpersonen steht mit Vittoria Richter (Valeria Solarino) eine Staatsanwältin/Untersuchungsrichterin gegenüber, die aus Norditalien kommend gerade nach Kalabrien versetzt wurde und sich sogleich unbeliebt gemacht hatte, weil sie durch ihre Untersuchungen, Verhöre und Festnahmen das lokale und regionale Schweigen gegenüber den Verbrechen der heimischen Mafia bricht und der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen will. Insbesondere die Einvernahmen, zu denen sie Assunta und Caterina einbestellt, zeigen auf, daß hier nicht Gegnerinnen aufeinandertreffen, sondern Frauen, die mit Vittoria und Caterina die extremen Gegenpole vertreten. Im Gegensatz aber zu Caterina, die eiskalt alles durchzieht, leidet Vittoria mit Assunta und anderen, denn Assunta ist eine, die durch ihre Liebe zu ihren Söhnen am falschen Platz ist, was sich zeigt als im Mächtespiel der Clans ihr Sohn erschossen wird. Noch dazu versehentlich. Denn Caterinas Sohn sollte das Opfer sein.
Der Film bricht mittendrinnen ab, denkt man, weil man so in dieser Welt Kalabriens gefangen ist und so gerne einen positiven Ausgang hätte. Dabei zeigt dies nur, daß es derzeit noch keinen 'richtigen' Schluß geben kann, daß die Versuche Vittorias, eine Solidarität unter Frauen als denjenigen, die auf das Überleben ihrer Söhne setzen, herzustellen, ein Prozeß ist, der angestoßen ist, wozu auch solch ein Film gehört, der aufzeigt, welchen Blutzoll jeder Mutter im Umfeld der 'Ndrangheta zahlt. Fortsetzung folgt