VERSO SUD 21, Festival des italienischen Films im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, vom Samstag, 28. November, bis Freitag, 11. Dezember, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wir sehen im Eröffnungsfilm DAS LAND DER HEILIGEN wirklich eine dichotomische Welt, wo Männer noch wie einst das Sagen haben, gesellschaftlich und auch zu Hause, und lernen zu verstehen, daß die ganzen Mafiastrukturen nichts anderes sind, als in die Gesellschaft verlagerte familiäre Strukturen vom Patriarchen und seiner Familie, wo jeder nach dessen Fasson leben muß.
Der Film ist optisch schon durch die drei offensiv auftretenden Frauen eine Augenweide. Die Kamera ist immer dicht an den Figuren dran und alles Beiwerk, wie Verhörraum, Wohnungen oder der Strand, sind eigentlich Staffage, weil wir auf die auf den Gesichtern auftretenden Gefühlsbewegungen der Personen konzentriert sind. Das bleibt deshalb spannend, weil keine der drei Frauen einem Rosenresli entspricht, sondern eher herrische, dominante, leidenschaftliche Frauen sind, was vor allem für die beiden Schwestern gilt, wobei bei Caterina das Lächeln ihre stärkste Waffe ist, weil sie das Gegenteil meint, während Assunta ihren Widerwillen ganz offen zeigt, sich aber doch unterordnet. Erst mit dem toten Sohn bricht etwas bei ihr auf, wovon die Untersuchungsrichterin und mit ihr die Zuschauer hoffen, daß daraus doch irgendwann ein echtes Aufbegehren und eine Zeugnisschaft erwächst, die den staatlichen Behörden Legitimation zum Verhaften und vor Gerichtstellen dieser obersten Bosse gibt.
Spannend war auch die über einstündige Diskussion mit dem Regisseur, wo Franco Montini mit dem Fragen begann und das Publikum dann fortsetzte, was Marina Grones alles wunderbar ins Deutsche brachte und umgekehrt, was deshalb erwähnenswert ist, weil dabei nichts redundant wurde, sondern die Übersetzerin auch inhaltlich mitdachte und mitsprach. Man kann unmöglich die sinnigen Fragen und kompetenten Antworten hier wiedergeben. Und wenn es auch stimmt – was der Regisseur auch noch mal betonte, daß durch den Film selbst alles gesagt sei, der Film für sich selbst sprechen müsse – , zeigte die intensive Diskussion, wie das Publikum vor allem auf die realen Verhältnisse in Kalabrien zu sprechen kam und dem Weg Muracas über die Frauen, über ihre Rolle als Ehefrauen und Mütter vor allem, einen neuen Weg zum Aufbrechen der verkrusteten Strukturen zu versuchen, folgte.
Insbesondere des Regisseurs Ausführungen über die Infiltration der 'Ndrangheta in Deutschland, was vor Jahren durch einen Bandenkrieg in Nordrhein-Westfallen auch dem verschlafendsten Bundesbürger klar wurde,und was durch Informationen, daß ganze Stadtteile der ehemaligen DDR Städte von den Kalabresen aufgekauft seien, lassen hoffen, daß sich ein deutscher Verleih für LAND DER HEILIGEN findet. So übrigens nannten die Griechisch Orthodoxen Kalabrien, euphemistisch fürwahr, was auch für die 'Ndrangheta gilt, die aus griechischen Begriffen wie 'Held' und 'gut' im 19. Jahrhundert zusammengebastelt wurde.
Leicht unfair ist es, die Ansprachen zur Eröffnung von Monika Haas für das Filmmuseum, Maurizio Canfora, Italienischer Generalkonsul in Frankfurt und des Deutschen besonders gut mächtig, sowie Lucio Izzo, der Direktor des Italienischen Kulturinstituts – Frankfurt hat keines mehr! - in Köln nicht weiter zu erwähnen. Ihnen nämlich ist es zu verdanken, daß es das Festival gibt und all denen, denen die drei dann dankten. Wir glauben aber, daß sie hochzufrieden sind, wenn so viel über den Eröffnungstag des 21. Filmfestivals VERSO SUD geschrieben wird. Fortsetzung folgt.