VERSO SUD 21, Festival des italienischen Films im Deutschen Filmmuseum Frankfurt, vom Samstag, 28. November, bis Freitag, 11. Dezember, Teil 5

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Überrascht waren manche Gäste der abendlichen Eröffnung des Filmfestivals, daß dieses eigentlich schon um 16 Uhr mit dem letzten Film von Francesco Rosi LA TREGUA begonnen hatte, dem verehrten italienischen Regisseur, der im Januar starb und dem die diesjährige Hommage von VERSO SUD gewidmet ist. Sind wir froh, daß wir dabei waren!

 

Mit DER ATEMPAUSE, die am Dienstag 22.12. wiederholt wird, greift Rosi das Thema auf, das für den Hauptdarsteller Primo Levi existentiell wurde, nämlich das Leid in Auschwitz selber und den weiteren Schmerz, seine Inhaftierung als Jude in Auschwitz überlebt zu haben und davon berichten zu müssen. Dies ist uns als IST DAS EIN MENSCH? - original 1947, erst 1961 auf Deutsch - als autobiographischer Bericht unter die Haut gegangen. LA TREGUA nun wurde 1963 veröffentlicht und ein Jahr drauf in Deutschland publiziert. Es geht dabei um die monatelange Odyssee Levis, die der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee 1945 folgte, und die im Gegensatz zu den tiefverstörenden Bildern von Auschwitz im Buch von Levi und auch im Film von Rosi eben auch eine heitere, eine zutiefst menschliche Note hat, die Buch und Film einreiht in das, was man Menschliche Komödie nennt und tatsächlich eine Sittengeschichte der Zeit und der jeweiligen Nationalcharaktere wird. Hinreißend. Urkomisch und gleichzeitig tiefer Ernst.

 

Doch zuvor noch ein Wort zur Hauptperson im Film, Primo Levi, der übrigens vom US-amerikanischen Schauspieler, dem heute sehr berühmten John Turturro beeindruckend verkörpert wird. Primo Levi, 1919 in Turin geboren, bei der Rückwanderung von Osteuropa in die italienische Heimat also 26 Jahre alt, hatte sich zuvor im zweigeteilten Italien, wo im Norden von den Deutschen Mussolini befreit worden war und den faschistischen Führer gab, dem antifaschistischen Widerstand angeschlossen und ist sehr schnell den faschistischen Milizen in die Hände gefallen, die normalerweise Partisanen erschossen und Juden deportierten. Da war Levi doch lieber Jude. Im Februar 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert. Er gehörte vom Zug der 650 Personen zu denjenigen 95 Männern und 29 Frauen, die als Gefangene registriert wurden. Alle anderen, einschließlich aller Kinder, wurden in Auschwitz-Birkenau unmittelbar nach der Ankunft durch Gas ermordet.

 

Anders als fast alle anderen Überlebenden hat Primo Levi von Anfang an über das Lager, über die Verbrechen, über die Demütigungen, über die Strukturen, die aus Menschen Tiere macht, die ihr Inneres abtöten müssen, um zu überleben, über all das Grauen geschrieben. Und zwar unmittelbar. Dieses Schreiben über Auschwitz hat nicht nur sein Leben geprägt, sondern im gewissem Sinn ist er selbst dieser Vergiftung nicht entgangen. Sein tödlicher Sturz im April 1987 wird allgemein als Selbstmord betrachtet. Man darf Primo Levi nicht mit dem ebenfalls aus Turin stammenden älteren Carlo Levi verwechseln, der auch Schriftsteller war und dessen Buch CHRISTUS KAM NUR BIS EBOLI in Deutschland ein großer Erfolg war und ebenfalls von Francesco Rosi 1979 verfilmt wurde, weshalb wir das erwähnen. Dieser wird in her heutigen Matinee um 11.30 Uhr gezeigt.

 

Der Film LA TREGUA – übrigens wie der Eröffnungsfilm auf Italienisch mit deutschen Untertiteln - setzt mit Bildern ein, die man nie wieder vergißt, weil wir die ausgehungerten, abgemagerten Menschen, hier alles Männer, die das in Frauen und Männer separierte Lager Auschwitz verlassen mit ihren gestreiften Häftlingsanzügen mit der sechsstelligen Häftlingsnummer auf der Brust, die zusätzlich auf dem Arm eintätowiert ist, in die Freiheit strömen sehen, von denen zu diesem Zeitpunkt keiner weiß, wie es weitergeht. Eigentlich sollte man doch eher als von der Freiheit davon sprechen, daß sie dem Tode entronnen sind und ihr Zuchthaus, ihre Gefängnis, ihre Todeszelle, das Vernichtungslager verlassen dürfen. Erst einmal weg. Fortsetzung folgt

 

Foto: John Turturro als Primo Levi