Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Dezember 2015, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - – Keine andere Geschichte als der Krieg der Sterne, dessen neuer Film mit unserem alten Titelzitat beginnt, hat über die Leinwand hinaus eine solche üppige Dingwelt hervorgerufen und für die Welt zum Geschäft einer kleinen Gruppe gemacht, wie ausgerechnet diese Reihe über Gut und Böse weitab der Erde, die ihre Geschöpfe nicht nach Schönheit kreiert hat, sondern als Ausgeburten unterschiedlichster Phantasien.

 

Am Montagabend erst war die Premiere in Los Angeles und schon heute läuft der Film in Deutschland an, nachdem am Mittwoch hierzulande erst die Pressevorführungen stattfanden und alle schnell schreiben müssen. Nie gab es eine größere Gerüchteküche als bei diesem Film, weil nie weniger über den Inhalt bekannt war als diesmal. J.J. Abrams als Regisseur und Lawrence Kasdan als Drehbuchschreiber holen sie bei ihrer Wiederauflage der “Krieg der Sterne”-Saga alle ans Licht: Luke Skywalker, verschollen, Prinzession Leia und Han Solo, stark gealtert. Und R2-D2 und C-3PO haben Nachwuchs und mit BB-8 einen noch menschlicheren und noch putzigeren Droiden in die 3 D Welt gebracht. Manchen Figuren bekommt das Wiedersehen besser. Anderen weniger.

 

Das Erwachen der Macht? Was war denn vorher? Um Macht ging es doch immer. Dem Imperium auf jeden Fall. Viel eher möchte man den Film: Das Erwachen der Macher nennen, denn sie können jetzt noch zielgerichteter ans Verkaufen gehen. Verhelfen werden ihnen dabei die Frauen. Und das kommt so.

 

Wo ist Luke Skywalker? Diese Frage liegt in der Luft. Und es scheint, als ob unser niedlicher, schnuckeliger BB-8, der kleine Droide, genau dies weiß, denn er hat es eingespeist bekommen, diese Informationen, die er den Rebellen stecken will und dabei aufpassen muß, daß er nicht in die Fänge der Macht gerät und seine Information ins Gegenteil kippt. Wenn wir deshalb dieses Weltraumgeschöpf kitschig nennen, hat das mit dem Kindchen-Schema zu tun, die hier aus der Menschenwelt auf diesen zweikugeligen Droiden übertragen wird, weil der Mensch auf so Kleines, Rundes mit piepsiger Stimme, die Angst ausdrücken kann, einfach mit Emotionen reagiert. Kein Wunder, sondern folgerichtig, daß es gleich einen Sphero BB-8 fürs Kinderzimmer zu kaufen gibt, natürlich mit Smartphone zu steuern, weshalb doch lieber der Papa damit spielt?

 

Dabei wird bei der Fortschreibung der Saga in Episode VII, die 1977, also vor fast vierzig Jahren in die Welt kam, nun auf die Frauen zurückgegriffen. Wir hoffen stark, daß in der Zeitschrift EMMA dazu ein scharfzüngiger Kommentar erscheint. Überall in unserer wirklichen Welt ist zu spüren, daß Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber Frauen an eine Grenze gekommen sind, die sogar im verschleierungsfreudigen Saudi-Arabien ein Umdenken, vor allem ein Umhandeln nötig machen. Wie erst in der sogenannten Freien Welt, wo mit der deutschen Bundeskanzlerin die angeblich mächtigste Frau der Welt in Berlin residiert.

 

Nein, die muß nicht mit Pfeil und Bogen, respektive diesen modernen Lichtschwertern und sonstigem Schnickschnack ihre Arbeit tun. Die muß dazu nur sitzen, in vielen vielen Sitzungen und viel umherreisen, das alles auf der Erde. Aber REY ist die Verkörperung der zukünftigen weiblichen Macht im Weltraum und die junge mutige Frau gewinnt diese Macht durch Köpfchen, aber nicht nur im Kopf läuft das Geschehen in rasanter Geschwindigkeit ab, auch in den körperlichen Aktionen ist sie schneller als ein Mann und wenn sie auch nicht kräftiger wäre, so kann sie doch ihr Flammenschwert mit Hilfe des Verstandes so führen, daß der niederträchtige Kylo Ren dranglauben muß. Zumindest liegt er schachmatt im Schnee, als sie zu neuen Ufern aufbricht.

 

Eine Frau, die so was hinter sich hat, die hört auch in Zukunft nicht mehr auf, mitmischen zu wollen. Sie ist anpassungsfähig, das schon, aber sie spürt die Niedertracht ihrer Feinde und kann besser als ein Mann den hypnotischen Kräften des von Adam Driver verkörperten Bösewichts widerstehen. Letzten Ende greifen hier Kasdan und Abrams nur auf, was die psychologische Forschung schon lange behauptet, daß Frauen mental in vielen Situationen stärker sind als Männer. Das war ja auch in den Szenen zu sehen, wo Oscar Isaac als Poe Dameron in die Fänge des Imperiums gerät und genau mental ausgesaugt wird, eine Folterungs- und Entdeckungsmethode, der auch John Boyega als Finn nicht so gewachsen ist, wie es Rey dann vorführt. Respekt.

 

Bedenkt man im Nachhinein noch einmal, wie im Film Handlungsstränge gelegt sind, so wird völlig klar, daß diese auffällige Betonung auf dem erfolgreichen Widerstand der jungen Frau nur die Exposition für künftige Filme sein kann, in denen die Heilserwartung nicht mehr nur für bestimmte Männer gilt, sondern jetzt für diese spezielle Frau, die Rey heißt, was einen Spanischsprechenden durch Weiterbuchstabieren sofort an eine Königin denken läßt. Die Prinzessin hatte wir ja schon mit Leia. Aber die ist alt geworden.

 

Was an dieser neuen Konstellation, der jungen, völlig uneitlen, aber tapferen und selbständigen Frau die neue Komponente ist, ist ihr Gleichsetzenkönnen mit einer Filmheldin, für die gerade vor ein paar Wochen nach vier Episoden die Geschichte mit Erfolg zu Ende ging: Katniss Everdeen in DIE TRIBUTE VON PANEM. Es muß einem einfach diese junge Frau als Pendant zu Rey einfallen, weil diese beiden in einer Umgebung von Kleingläubigen und Verführern ihres eigenen Weges sicher sind und ihn – und sei es alleine – auch gehen. Gegen alle, wenn es sein muß. Die innere Überzeugung zählt und die Fähigkeiten, auch geistig und körperlich unabhängig überleben zu können.

 

Diese neue Frauenmacht ist aber auch das einzige, was wir diesem Film zugute halten können. Denn es ist unerträglich, wie schon vor dem Start die Geschäftemacherei begann. Überall ging es um Star Wars, die unüberriechbar ihre Duftmarken hinterlassen, so daß die Kinder geradezu gezwungen sind, sich für sie aus dem Fenster zu hängen und Weihnachtsgeschenke einzufordern. Ganz schön widerlich, wie diese Marketingmaschine ohne weitere Gegenwehr läuft. Man merkt die Absicht und ist schon deshalb verstimmt. Es sollen die neuen Kinder für die Sternesaga von den Guten und den Bösen gewonnen werden, die dann in den nächsten Jahren ihre Verbundenheit mit dem Krieg der Sterne vertiefen sollen, damit sie dann dereinst wiederum ihren Kindern ihre Begeisterung weitergeben. Bisher funktioniert es ja.

 

Dazu gehören auch solche Sachen. Die Berliner Zionskirche feiert den Start von „Star Wars 7: Das Erwachen der Macht“ mit einem „Star Wars“-Gottesdienst. Im Mittelpunkt stehen Zitate aus Römerbrief und Episode VI, in denen Paulus und Luke Skywalker sich über die Verführbarkeit zum Bösen äußern. Sie glauben das nicht? Ist aber wahr. Und wenn wir den Pfarrer sprechen könnten, würden wir ihm selbst die Worte in den Mund legen, daß es doch hier bei den Weltraumbewohnern wie im Christentum um den ewigen Konflikt von Vater und Sohn geht, der einmal Gott und Jesus und im Weltraum eben Darth Vader und Luke Skywalker heißt.

 

Auch die Maria bekommen wir unter, Prinzessin Leila taugt gut dazu. Nur für die neue Heldin für Rey ist in der Bibel kein Platz. Denn die Tochter Gottes war in der Männerreligion von Judentum, Christentum und Islam noch nicht vorgesehen. Da zeigt dann die Filmbranche doch, daß sie die Zeichen der Zeit erkennt und versteht und rechtzeitig die weibliche Heldin REY in den Himmel schickt, der als Weltraum unser Himmel auf Erden sein soll.

 

Also noch mal, damit es ganz deutlich wird: das einzig Versöhnliche an der Fortschreibung der Saga und auch der Anlaß auf Episode VIII neugierig zu werden. Haben sie es wieder einmal geschafft, die Menschenverführer aus Hollywood, die nicht nur dicke verdienen, sondern auch die zeitgenössischen Ideologien per Film liefern. Und wenn es dann heißt: "Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis.", ergänzen wir: Wie im Himmel also auch auf Erden. Frauen an die Macht.

 

 

Info:

 

Star Wars: Das Erwachen der Macht (USA 2015)

Originaltitel: Star Wars - The Force Awakens

Genre: Sci-Fi / Abenteuer

Filmlänge: ca. 136 Min.

Regie: J.J. Abrams

Drehbuch: Lawrence Kasdan, J.J. Abrams, Michael Arndt

Darsteller: Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac, Daisy Ridley, Andy Serkis, Domhnall Gleeson, Max von Sydow, Carrie Fisher, Harrison Ford, Mark Hamill, Kenny Baker, Anthony Daniels, Peter Mayhew, Gwendoline Christie, Lupita Nyong'o, u.v.a.

Verleih: Walt Disney Studios Motion Picture Germany

FSK: ab 12 Jahren

Kinostart: 17.12.2015