Aus Anlaß des Anlaufens von HEIDI, dem neuen Film: Film, Buch (Johanna Spyri) und TV-Serie auf DVD, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da haben wir über die Episode 1 schon einen ganzen Artikel geschrieben – einer Serie mit 39 Folgen, es heißt sogar, 78 Teile würden es. Die Grundkonstellation ist klar: Heidi bleibt gerne beim Almöhi, ihrem Großvater, der, seit er sieht, wie sie mit seinem Hund umgeht, der ihr völlig vertraut, ihr darum auch vertraut.

 

Darum muß sie in Folge 2 , wo sie auf die Alm geschickt wird, auch nicht mehr im Ziegenstall schlafen, sondern bekommt in der Hütte oben unterm Dach einen allerliebsten Ausguck direkt in die Berge. Die erste Folge endete: „Ich hoffe, daß morgen Großvater nicht so böse ist.“ Und die zweite beginnt – abgesehen von dem Lied „Heidi, Deine Welt...“, was uns von Anfang an auf die Nerven ging, weil so wenig kindlich, sondern Erwachsenenkitsch – mit einer einsichtigen kurzen Zusammenfassung der vorherigen Folge. Das ist natürlich für eine DVD nicht so wichtig, denn man kann ja die vorherige anschauen. Aber fürs Fernsehen, für die diese HEIDI-Serie gemacht wurde, ist dies besonders wichtig. Uns störte es nicht.

 

In der zweiten Geschichte ist zwar der Ausgangspunkt erst einmal derselbe, aber wie Heidi mit dem Geißengeneral und den Geißen auf die Alm zieht, unterscheidet sich ziemlich. Und der Großvater nimmt eine Rolle an, die er im Buch überhaupt nicht hat: den, der mit Worten erzieht. Wie bemerkten schon, daß im Original dieser Almöhi eben ein Original ist, das in der Regel schweigt und hier zur Plaudertasche wird und zum Erzieher: „Merk Dir, beim Essen wird nicht mit dem Finger gezeigt!“ Wir empfinden, als ob über die natürliche Konfliktsituation hinaus – der Opa lebte allein, muß sich anpassen, die Kleine ist unangepaßt und weiß von nichts – vom Drehbuch in die einzelnen Geschichten immer wieder Konflikte hineingeschrieben werden, so daß es im Film dann ständig ein Hin und Her gibt – denn einer muß gewinnen, muß die Oberhand behalten.

 

Wie richtig wir liegen, sehen wir an der nächsten Szene, als Heidi und Peter mit den Ziegen oben am gefährlichen Abhang weilen. Das ist auch im Buch so und da gibt es die gefährliche Situation. Aber hier gibt es gleich zwei und man empfindet, daß immer neue Höhepunkte und gefährliche Situationen in der Teufelsschlucht nur erreichen, daß man nicht in Ruhe zuschauen kann. Und die moralischen Erbauungen: „Geißengeneral darf man nur heißen, wenn man den Geißen keine Leid geschehen läßt“, sind etwas penetrant.

 

Im dritten Teil DIE MUTPROBE haben wir es nun mit einer völligen Erfindung gegenüber dem Original zu tun. Denn im Buch lernt Heidi die Kinder vom Dörfli ja erst später kennen. Hier aber steigen vor allem der böse Sohn vom netten Lehrer mitsamt zweier anderer Rotznasen hoch und überraschen die die Ziegen hütenden beiden: Peter und Heidi. Zu dieser Erfindung kommt die hinzu, weswegen das Drehbuch die Dorfkinder hoch zur Teufelsschlucht jagte. Dort gibt es große aufgetürmte Felsen, und der ältere und größere Lehrersbub inszeniert nun einen Wettbewerb, wer am schnellsten oben ist: er oder Peter. Das wird lebensgefährlich und Heidi muß den Großvater als Notarzt holen. Und spätestens hier merkt man die Absicht, daß die Handlung durch ständige Aktionen interessant gemacht werden soll, statt einfach die Geschichte in Geschichten ruhig zu erzählen.

 

Im Ernst kann einem das keiner erklären, was an der ständigen Konkurrenz, an dem ständigen Siegenwollen einer Partei das Tolle sein soll. Eigentlich – so denkt man beim Schauen vor sich hin – findet hier eine Einübung in erfolgreiches Handeln im Kapitalismus statt: Konkurrenz mit anderen anzetteln, schneller sein, klüger sein, gemeiner sein, böser sein, Hauptsache siegen. Die Werte der Heidi sind auf jeden Fall in diesem Teil nicht mehr sichtbar.

 

Überblick

 

Das waren nur die ersten drei Folgen der neuen computeranimierten 3D Serie . Aber sie geben einen Einblick in die Machart, mit der wir uns abschließend noch beschäftigen wollen.

 

Ästhetisch: Die Künstlichkeit der Figuren stößt den Erwachsenen ab. Die großen, ständig aufgerissenen Augen der Heidi, die einzige optische Veränderung, die man ihrer Figur schenkt, sind einem schon nach drei Folgen genug. Dabei fing es anheimelnd an. Die Dete ist gar unscheinbar geworden und auch beim Großvater ist die Mimik vorhersehbar geraten. Doch, die Tiere sind gut, die sind phantasievoll ins Bild gesetzt und gleich so viele unterschiedliche Ziegen zu zeigen, die nicht nur auf ihre Namen hören, sondern liebliche Namen haben – wir haben ja nur die vom Almöhi, nämlich Bärli und Schwanli behalten – und auf diese auch hören, das macht Spaß.

 

Aber zur Aussage: Man denkt dauernd, daß die Macher sich kleine und größere Kinder nicht selbständig denkend vorstellen. Irgendwie wird die Geschichte so gelenkt erzählt, was durch die Dialogisierung verstärkt wird. Daß man einfach zusieht und die Berge und die Natur wirken läßt, wird nicht zugelassen vor lauter Hektik des Geschehens. Es gab 1974/77 eine Serie mit 52 Folgen, an die können wir uns nicht mehr erinnern. Die Figuren waren auch animiert und aus Japan. Diese Serie soll der alten inhaltlich sehr ähnlich sein. Ästhetisch auch. Aber warum wurde dann eine neue gemacht? Es wäre schön, wenn es im Fernsehen Sendungen gäbe, die heutige Kindersendungen mit früheren vergliche, damit heutige Eltern sehen, ob es stimmt, daß es diese neuen Produktionen braucht.

 

Inzwischen gibt es auch eine Zeitschrift namens HEIDI. Da wittern alle das große Geschäft und daß ausgerechnet Andreas Gabalier jede Folge mit dem Lied HEIDI, Deine Welt .....verkitscht, was immer wieder ertönt, bis man es nicht mehr hören kann, gefällt uns auch nicht. Früher hatten zwei Frauen Gitti & Erika dasselbe Lied eben als Lied für die japanische Animeserie gesungen – mit weltweit rund 40 Millionen Platten, was eben etwas über die Bedeutung von HEIDI aussagt. Man kann sich den hallenden Ton und die langgezogenen Laute von Andreas Gabalier wirklich nicht in jeder Episode anhören. Sie passen auch überhaupt nicht zum kindlichen Inhalt, wenn eine Männerstimme von Heeeeiiiidddiiii und den Beeheeheeergen singt. Das stößt ab.

 

Es ist eben eine große Geschäftemacherei und wir frugen uns schon, ob wir uns durch Besprechungen der Serie daran beteiligen sollen. Schließlich liefen das Jahr über in den Morgenstunden die einzelnen 78 Episoden im Fernsehen ab Ostermontag im ZDF, danach im Kinderkanal (Kika) . Aber wer kann und will das an einem Samstagvormittag seinen Kindern bieten. Gelenkte Vorführung gefällt uns da viel besser und insgesamt kann ja auch die heutige Zeit diese HEIDI nicht kaputt machen.

 

Zur Geschäftemacherei: Die flämische Firma Studio 100 hatte rechtzeitig die Rechte aufgekauft, auch die von Wickie, Biene Maja und wird im selben Stil weiterproduzieren. Gut finden wir das nicht. Aber eine HEIDI ist auf solchem Wege nicht kaputtzukriegen.

 

 

Info:

 

TV-Serie HEIDI I und ff, Studio 100, 2015