Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. und 7. Januar 2016, Teil 2

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Eigentlich verbietet es sich mir, über Filme zu schreiben, die ich nicht zu Ende gesehen habe. In diesem Fall möchte ich es doch einmal tun, weil dieser Streifen so stark beworben wird, und ich fassungslos davor stehe, dass einige Kollegen Leonardo DiCaprio für diesen miesen Film für den Oscar vorgeschlagen haben.

 

Hat denn kaum einer in der Pressevorführung richtig hingeschaut? Empört sich denn außer mir niemand über eine Szene, in der eine über ihre beiden Jungen besorgte Bärin als Monster dargestellt und aufs Widerlichste getötet wird? Oder anders gesagt: Wo bleiben Mitgefühl und Empathie in einer Republik, die sich doch gerade in diesen Zeiten der Flüchtlingskrise Humanität so stark auf ihre Fahnen geschrieben hat? Verdienen denn unsere tierischen Mitgeschöpfe nicht unseren Schutz?

 

Jedenfalls konnte ich diese Szene nicht ertragen. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich eine Sequenz eines anderen Films in Erinnerung rufen, sie ist ähnlich, aber entscheidend dann doch ganz anders:

In seinem ungleich besseren Film „Der Bär“ schildert Jean-Jacques Annaud, wie sein tierischer Held zum Ende hin, nachdem er bereits schon einiges Ungemach durch Menschen erfahren musste, auf einen Jäger trifft. Der Bär verteidigt sich erfolgreich, erteilt dem Schützen eine Lehre, attackiert ihn, tötet ihn aber nicht. Prompt kommt der Mann wieder zu sich, legt er tatsächlich noch einmal die Flinte an. Aber dann sieht er das Tier, das ihn friedlich am Leben gelassen hat und er kapiert, dass es ihn nur angegriffen hatte, um sich selbst zu schützen. Da lässt der Jäger die Flinte sinken und den Bären am Leben.

 

In Alejandro González Iñárritus Film „The Revenant“ verkörpert DiCaprio leider keinen solchen Menschen mit Herz, sondern einen gnadenlos, erbarmungslosen Abenteurer. Dabei hat die Bärin, mit der er sich unerträglich anzuschauende Kämpfe liefert, doppelt Grund, anzugreifen, geht es doch nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern das ihrer zwei Jungen. Trotz dem Ernst der Lage, lässt auch hier die Bärenmutter ihren größten Feind, den Menschen, am Leben. Und was tut er???? Er schießt zum Dank auf sie und metzelt das stark verwundete Tier noch weiter. Was danach passiert, konnte und wollte ich nicht mehr sehen. Und ich habe mir vorgestellt, die verzweifelt für ihre Kinder kämpfende Mutter wäre kein Tier, sondern eine verwilderte Urwaldfrau oder ein Flüchtling gewesen. Hätten dann all die anderen Kritiker, die das übervolle Kino nicht verließen, diese Szene ebenso gleichmütig konsumiert?

 

Natürlich ließe sich einwenden, dass sich solche Schauerszenarien auch in Wirklichkeit abspielen, barbarische Wilderer gibt es immer noch viel zu viele.

Was mich indes an diesem Film stört, ist die Perspektive, die der Regisseur dazu einnimmt. Er feiert DiCaprio, den vermeintlich so starken Mann, der wie Superman allen Gefahren trotzt.. Das zeichnet sich schon in den ersten Filmminuten ab, in denen DiCaprio ebenso als ein unschlagbarer Kraftprotz eingeführt wird. Für die Bärin zeigt er kein Mitgefühl. Sie dient nur als dramaturgische Gefahrenquelle.

Da mir der Abspann entgangen ist, konnte ich mich nicht vergewissern, ob er zumindest den Hinweis enthielt, dass bei den Dreharbeiten kein Tier real leiden oder gar sterben musste. Ich kann das nur hoffen!