Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Februar 2016, Teil 2

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Man mag darüber staunen, dass sich das Kino nicht schon früher von den mutigen Engländerinnen inspirieren ließ, die vor über hundert Jahren für ihr Wahlrecht kämpften. Doch erscheint der Zeitpunkt für den allerersten Film über die Suffragetten ideal, sind doch Frauenrechte, mit denen jüngere Generationen so selbstverständlich aufwuchsen, seit der Kölner Silvesternacht wieder ein Thema.

 

Lebendig und mit dokumentarischer Schärfe rekapituliert das Emanzipationsdrama, wie sich die Pionierinnen nach Phasen friedlicher Revolten, von den Männern verhöhnt, um 1912 radikalisieren.

 

Meryl Streep ist die berühmte Emmeline Pankhurst, die mit der von ihr gegründeten „Women’s Social and Political Union“ die Frauenbewegung anführt. Ihr Auftritt ist kurz, aber großartig: Mit einer flammenden Rede ermutigt sie ihre Mitstreiterinnen, sich nicht unterkriegen zu lassen – egal wie hart der Staat gegen sie zurückschlägt. Für Maud Watts, Sarah Gavrons Protagonistin, wird diese Begegnung zum Schlüsselerlebnis. Sie begreift, dass es ohne die Forderungen der Aktivistinnen keine bessere Zukunft geben kann.

 

Maud malocht in einer Wäscherei, in der sich schon ihre Mutter zu Tode schuftete. Viele Jahre hat sie sich brav in ihr Schicksal gefügt, und als Frauenrechtlerinnen auf offener Straße Schaufenster einschlagen, schaut sie anfänglich nur zu. Aber sie wird nachdenklich, und als Kolleginnen sie bitten, im Parlament ihre unmenschlichen Arbeitsbedingungen darzulegen, willigt sie ein. Ihre Schilderungen machen die Parlamentarier betroffen, aber am Ende erteilen sie den Frauen, denen angeblich das „ruhige Naturell und die Charakterfestigkeit“ fehlen, um am politischen Leben teilzuhaben, wieder eine Absage.

 

An solchen Misserfolgen wächst Maud. Sie widersteht Einschüchterungsversuchen und schließt sich den Rebellinnen an, die nun zusehends militanter auftreten, Telegraphendrähte kappen und Briefkästen sprengen. Carey Mulligan, deren traurige Augen sich einem schon in anderen Filmen stark einprägten („Alles was wir geben mussten“), durchlebt diese Entwicklung mit vielsagenden Blicken von Schmerz aber auch Kampfesgeist.

 

Freilich hat Mauds Ungehorsam seinen Preis: Prügel, Gefängnisstrafen, Zwangsernährung im Hungerstreik und sogar den Verlust ihres Sorgerechts für den geliebten Sohn. Solch einer großen Opferbereitschaft gebührt Respekt. Meryl Streep hat recht, wenn sie meint, „Jede Tochter sollte diese Geschichte kennen, jeder Sohn sie in seinem Herzen tragen“.

 

GB2015. Regie: Sarah Gavron. D: Carey Mulligan, Helena Bonham-Carter, Brenda Gleeson, Meryl Streep u.a. 106 Min. Start: 4.2.2016. Verleih: Concorde