Der Film DIRIGENTEN mit seinem Regisseur im Kino Mal Seh'n in Frankfurt am letzten Januarsonntag, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im völlig ausverkauften Kino Mal Sehn in der Adlerflychtstraße im Nordend ging das Publikum mit den Ängsten und Freuden der aus 24 nominierten Wettbewerblern zum Georg Solti Wettbewerb für DIRIGENTEN ausgewählten fünf Protagonisten emotional mit. Das konnte man auch in der anschließenden Diskussion mit dem anwesenden Regisseur Götz Schauder miterleben.

 

Wenn eine Besucherin nachher sagte, sie möchte den Film gleich noch einmal sehen, dann ist das Ausfluß dessen, was ihr nach dieser gemeinsamen Diskussion über den Film erst jetzt im Nachhinein aufgefallen ist, worauf sie ein zweites Mal ein größeres Augenmerk richten will. Richtig so und auch gut so. Und möglich auch, denn Mal Seh'n bringt den Film bis einschließlich Dienstag, 9.2. um 18 Uhr, des weiteren die Sonntage 14., 21. und 28. Februar um 12 Uhr.

 

In Weltexpresso ist DIRIGENTEN verschiedentlich besprochen worden. Der Film hatte tatsächlich seine Weltpremiere ebenfalls in Frankfurt. Das war im letzten März beim LICHTER FILMFEST, wo er den Preis der Jury erhielt. Kinobetreiber Gunter Deller kam erst einmal nicht zu Wort, denn als er den Regisseur auf die Bühne holte, war der Beifall groß und vor allem anhaltend. Nachher konnte man erleben, daß im Publikum auch ausgesprochene Fachleute saßen. Das aber war einer der ersten Lobsprüche, daß DIRIGENTEN weder musikalisches Vorwissen braucht noch sonst was, daß man in ein Geschehen hineingezogen wird, das einen fasziniert und wo man zusehends mit den Bewerbern mitfiebert.

 

Insbesondere die Schlußszene, wo Publikumsliebling und im Film herausgehobener Bewerber Aziz Shokhakimow betont, daß er wiederkomme, freute einen Besucher derart, daß er: „Ich komme wieder“ wie im TERMINATOR befand. Hauptfrage war erst einmal aus dem Publikum, wie Götz Schauder zu seinem Thema überhaupt gekommen sei. Doch, doch, Musik interessiere ihn schon, er habe eine zeitlang versucht, Klavier zu spielen, habe aber selbst keinen besonderen musikalischen Hintergrund. Er hatte beim Dreh für einen Dreiminutenfilm über den Wettbewerb für 3 SAT mitgewirkt und sich ob des vielfältigen Geschehens, der vielen Leute, der so unterschiedlichen Musiken gedacht, daß darf doch nicht alles sein: drei Minuten.

 

Tatsächlich war dieser Moment für ihn ausschlaggebend, denn er fand das so was von spannend, wie die jungen Leute, die alle starke Persönlichkeiten sein müssen, sich an so einen Beruf heranwagen. Es hatten sich 560 Bewerber für den Solti Wettbewerb 2008 in der Alten Oper angemeldet. Von der Teilnahme hängt die Karriere ab, hängt also das ganze Leben ab. Von den 560 wurden im ersten Schritt 50 junge Dirigenten ausgewählt, diese wiederum durften dann DVDs einreichen und dies wurde für die Jury – es gibt verschiedene Jurys auf den verschiedenen Ebenen der Auswahl – die schwierigste und wichtigste Entscheidung, welche 24 Leute dann für dieses lange Wochenende eingeladen werden.

 

Jeder, der sich auskennt, weiß, daß Aufnahmen vom Dirigieren nie zu vergleichen sind mit dem wirklichen Geschehen, wenn eine Person solch einem Orchester gegenübersteht und es musikalisch leiten soll, wo manche der Orchestermitglieder eins der Stücke schon hundertmal gespielt haben, der Dirigent aber gerade damit anfängt. Die Auswahl der 24 Bewerber ist schon schwierig genug. Aber wie kam denn Götz Schauder auf seine fünf? Ihm war nicht zentral, die Besten zu haben. Das hätte er auch gar nicht überblicken können, zumal doch der Beste erst am Schluß bekannt ist. Er hat sich die Lebensläufe der Bewerber angeschaut, wer ihn als Person besonders interessiert, er wollte eine Mischung haben, Männer, Frauen und Aziz sei von Anfang an doch etwas wie ein Exot für ihn gewesen. Der kommt aus Taschkent, Usbekistan, wo ist denn das?

 

Es mußte schnell gehen, denn nach der Auswahl der 24 Bewerber haben alle nur sechs Wochen Zeit, bis der Wettbewerb beginnt – und da geht es erst mal um viel Bürokratie. Es müssen Drehgenehmigungen und andere Erlaubnisse eingeholt werden. Natürlich schriftlich. Und beim Drehen dann selbst muß sehr sensibel auf die Situation eingegangen werden, denn es können Situationen auftreten, wo man keinen dabei haben möchte und die man auch nicht gerne auf der Leinwand wiedersehen will. Die Maßregel für das Filmteam war: nicht zu stören.

 

Der seit drei Jahren anwesende Leiter des Wettbewerbs erläuterte zum einen das Prozedere des Wettbewerbs in Vorrunde und Weiterkommen der Bewerber, sprach über die unterschiedlichen Jurys und vor allem über die Träger, die gemeinsam diesen renommierten internationalen Dirigentenwettbewerb stemmen (siehe Info). Natürlich geht es nicht nur ums Gewinnen in Frankfurt, sondern um die Vermarktung des Gewinners. Denn, wenn diesem nach seinem Sieg international viele Türen offenstehen, wirft das ein gutes Licht auf den Wettbewerb.

 

Eine Frage aus dem Publikum galt genau dem, ob denn der Beste gewinne. Daß es 'den' oder 'die' Beste gar nicht gibt, ist kein Geheimnis, denn in der Musik und ihrer Darbringung geht es „letzten Endes um Geschmacksfragen“. Die Fragen richteten sich zurück zum Film selbst. Wie war das genau mit diesem Aziz? Der wollte zurückkommen. „Ja“, sagte Götz Schauder, „er ist zurückgekommen, aber auch beim zweiten Mal nicht weitergekommen“. Wohl aber gelang ihm 2010 ein zweiter Preis beim Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker.

 

Und er ist, das erlebt man im Film, durchaus das, was man eine charismatische Figur nennt, zumindest einer, der auf dem Weg dahin ist, denn heute ist der 1988 in Taschkent Geborene schon Kapellmeister Deutsche Oper am Rhein und hat mehrere deutsche Orchester dirigiert.

 

Doch, die Fragen richteten sich auch nach anderen. Wer denn gewonnen habe: der Japaner. Und was mit den anderen passiert sei. Götz Schauder beantwortete alles und auch seine Wertung, wie kollegial es unter den jungen Leuten zugegangen sei. Sie seien Konkurrenten. Das sei knallhart, aber im Umgang miteinander „gemeinsam durch dies Fegefeuer“ gegangen.

 

Daß Frankfurt im Film so trist und so kühl wirke, sei so und Aziz' tiefe Enttäuschung, wenn

er auf seinem Balkon über die Stadt blicke, passe dazu. Das wäre ja noch mal ein neues Thema gewesen, aber Kinoleiter Gunter Deller, der zügig die Diskussion geleitet hatte, verabschiedete mit Dank Götz Schauder, und verwies auf die vor den Türen auf den nächsten Film Warteten. Auch da wohl ein volles Haus, denn man kam nur langsam raus und langsam rein. Eigentlich schön, wenn an einem Sonntagmittag so viele Filmliebhaber zusammen kommen.

 

 

Info zum Film

 

Starttermin 28. Januar 2016 (1 Std. 24 Min.)

Regie Götz Schauder

Mit Aziz Shokhakimow , Alondra de la Parra, Shizuo Kuwahara, Andreas Hotz , Jim Lowe

Genre Dokumentation , Musik

Nationalität Deutschland

 

 

 

Info über den Wettbewerb

 

Kooperationspartner
Alte Oper Frankfurt
Frankfurter Museums-Gesellschaft
Hessischer Rundfunk / hr-Sinfonieorchester
Oper Frankfurt

Orchester
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
hr-Sinfonieorchester

 

 

Wettbewerbsleitung
Michael Traub, Leiter des Bereichs Musik und Orchester beim Hessischen Rundfunk und Orchestermanager des hr-Sinfonieorchesters
Bernd Loebe, Intendant und Geschäftsführer der Oper Frankfurt
Dr. Stephan Pauly, Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper Frankfurt

Dr. Burkhard Bastuck (verantwortlich), Vorsitzender der Frankfurter Museums-Gesellschaft

 

Letzter Wettbwerb 17.-22. Februar 2015

Nächster Wettbewerb 2017

 

Info zum Kino

 

MAL SEH'N KINO

 

Im November 1984 unter dem Namen Werkstattkino mal seh´n im Frankfurter Nordend eröffnet. Seit 1999 betreibt es der gemeinnützige Verein mit viel Enthusiasmus am „Filme zeigen“. 

Ambitioniertes unabhängiges Programmkino mit Hang zum Ausgefallenen. 

MAL SEH'N KINO bietet eine Mischung ausgesuchter aktueller Spielfilme (meist in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln), wichtiger Dokumentarfilme und thematisch zusammengestellter Kurzfilmprogramme.  

An den Wochenenden gibt es zusätzlich Matinee - und regelmäßig Kinderfilmveranstaltungen.

Kooperationen mit anderen Vereinen und Institutionen oder Gespräche mit eingeladenen Filmemachern, Schauspielern und Autoren ergänzen und bereichern das Programm.

Dem Kino angegliedert ist ein gemütliches Café, das vor oder nach dem Film zum Verweilen einlädt. Im 1. Stock werden im Ausstellungsraum SCHAUT! im monatlichen Wechsel aktuelle Videokunstarbeiten zeitgenössischer Künstler präsentiert. 

 

 

Bisherige Artikel in WELTEXPRESSO zu DIRIGENTEN

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6447:dirigenten-jede-bewegung-zaehlt&catid=79&Itemid=471

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4525:conduct-jede-bewegung-zaehlt&catid=79:kino&Itemid=471