Serie: NACKT UNTER WÖLFEN. Zum Wiederaufleben des gleichnamigen Romans von Bruno Apitz durch die ARD-Ausstrahlung am 1. April 2015,     Teil 6

 

Elke Eich

 

Berlin (Weltexpresso) – Seinen großen Durchbruch als Regisseur hatte Philipp Kadelbach mit dem TV-Mehrteiler “Unsere Mütter, unsere Väter“, der auch international ausgezeichnet wurde. Nach diesem doch sehr aufreibenden und Kräfte zehrenden Projekt wollte Kadelbach sich eigentlich nicht so schnell wieder der belastenden Zeit im Dritten Reich widmen...


Doch die wirklich erzählenswerte Geschichte von “Nackt unter Wölfen“ und das hervorragende Drehbuch – wie bei “Unsere Mütter, unsere Väter“ erneut von Stefan Kolditz geschrieben – überzeugten Philipp Kadelbach dann doch, sich dem Thema zu widmen und Regie beim Re-Make von Frank Beyers berühmten Defa-Film zu führen.


Danke für diesen Film! Ich war überwältigt!

Das freut mich, wenn man das sagen kann.


Es heißt ja, dass Du es Dir noch überlegt hattest, ob Du Dich wieder auf diese Zeit einlassen willst – nach “ Unsere Mütter, unsere Väter“.
Das heißt, Du hast mit der Entscheidung gehadert.

Wenn man zwei Jahre lang an einem Projekt wie “Unsere Mütter, unsere Väter“ gearbeitet hat und thematisch sehr verankert war, muss man erst einmal wieder etwas Abstand gewinnen.
Ich habe dann aber mit Interesse das Drehbuch zu „Nackt unter Wölfen“ von Stefan Kolditz gelesen, erst einmal ohne Vorwissen. Den Roman von Apitz hatte ich vorher nicht gelesen, noch hatte ich den Film von Frank Beyer aus 1963 gesehen. Die Geschichte hat mich sofort begeistert und berührt und als Regisseur dramaturgisch und erzählerisch angesprochen.

 


Inwiefern liest man das als Filmemacher anders als ein “normaler“ Mensch? Worin besteht der Unterschied?

Als Regisseur steht der Aspekt „Wie in aller Welt kann man so was überhaupt umsetzen?“ im Vordergrund. Wie kann man heute eine Geschichte erzählen, die im Konzentrationslager Buchenwald spielt? Ich bin dann erst mal nach Buchenwald gefahren und habe mir dort alles angesehen...


Wie haben sich die Eindrücke in Buchenwald auf Dich ausgewirkt?

Als ich dann in der Gedenkstätte Buchenwald war und in die Gesichter der Häftlinge gesehen habe, habe ich für mich festgestellt, dass man diesen Film einfach machen muss.

 

 

Und dann war ja da noch der übermächtig präsente DDR-Kultfilm von Beyer!

In der Vorbereitung begann ich ja erst damit, den Film von Frank Beyer erneut anzuschauen. Hatte dann aber eine Sperre und wollte mich – ohne von Vergleichen abgelenkt zu sein - noch intensiver auf den aktuellen Film einlassen können.

Frank Beyers „Nackt unter Wölfen“ wurde vor 50 Jahre gedreht. Heute haben wir andere Sehgewohnheiten und man sieht den Beyer-Film jetzt natürlich auch anders. Aber für die damalige Zeit war das ein großartiger Film.

Beyers Film war und ist auf jeden Fall ein toller Film. Und von daher geht es auch nicht um Abwertung. Es ging mir erst mal um das Einlassen auf den aktuellen Film. Und ich wollte nicht, dass Gedanken bezüglich eines Vergleichs da im Weg stehen.

Es liegt natürlich nahe, die beiden Filme miteinander zu vergleichen, aber das war nie unsere Absicht.

 


Du bist fern der DDR in Frankfurt aufgewachsen.

 

Ja, ich bin in Frankfurt geboren und aufgewachsen und habe die erste 18 Jahre meines Lebens da verbracht.

 

 

Du dann ging es gleich in Richtung USA zur Regie-Ausbildung.

Ich hatte nach der Schule ein Auslandsjahr in Pittsburgh verbracht und habe dort Regie studiert. Filme wollte ich schon seit der Schulzeit machen. Mein Vater hat mir die Liebe zum Film näher gebracht.

Kam das, weil Dein Vater einfach eine Affinität für Film hatte oder hatte er auch beruflich was damit zu tun?

Nein, er hatte beruflich gar nichts mit Film zu tun, er war Leiter der Volkshochschule in Frankfurt. Und er wusste viel über Film und hat mir den Beruf des Regisseurs nahe gelegt.
Er hatte immer einen etwas pädagogischen Ansatz und hat mir Film mit einer großen Begeisterung vermittelt. (lacht) Wir haben z.B. auch die alte amerikanische Serie “Kojak“ gesehen, die wohl nur die wenigsten noch kennen. Aber auch die Klassiker von Howard Hawks, Truffaut, Godard und vielen mehr. Als ich dann die Schule beendet hatte, wollte ich in dem Jahr in Amerika meine Zeit sinnvoll verbringen und habe dort eine Filmschule besucht.


Das heißt, Film und Regie ziehen sich wie ein roter Faden durch Dein Leben.

Ja, Film bestimmt tatsächlich mehr oder weniger mein Leben!
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete ich in einer Werbefilm-Produktionsfirma, danach habe ich an der Ludwigsburger Filmakademie studiert.


Welche Art von Werbefilmen hast Du gemacht?

Ich habe über Jahre hinweg für ganz viele verschiedene Kunden Werbung gedreht. Trotzdem kann man diese beiden Berufe des Werbefilmers und des Filmregisseurs nicht miteinander vergleichen. In der Werbung spielt das Geschichten-Erzählen, das Inszenieren und die Dramaturgie eine ganz andere Rolle.Werbung ist wie ein Sprint, Spielfilm dagegen ist ein Marathon. Viele Gemeinsamkeiten haben sie nicht. Aber die Werbung war eine gute Schule, um die technischen Möglichkeiten des Filmemachens zu verstehen.


Mein erstes großes Interview inklusive Portrait habe ich mit Alan Parker gemacht, und der war auch sehr intensiv in der Werbebranche tätig.

Alan Parker ist großartig, er hat “Angel Heart“ gemacht.

 

 

Genau. Und bei der Promotion-Tour zu “Angel Heart“ konnte ich ihn damals in Berlin treffen. Bei Dir kam ja der Riesen-Erfolg mit Deinem Mehrteiler “Unsere Mütter, unsere Väter“

“Unsere Mütter, unsere Väter“ war ein sehr besonderes und aufwändiges Projekt. Ich habe mich an dem Film ziemlich aufgerieben. Es war einfach viel, viel Arbeit!


Aufgerieben, weil du ein Perfektionist bist...?

Ich denke, meine Ansprüche sind schon ziemlich hoch. Die Ansprüche an mich selbst und an das, was ich mache. Ich möchte etwas machen, was einen gewissen Bestand hat.

 

 

Du hast Dich ja mit Haut und Haaren dem Filmgeschäft verschrieben.

 

Ich liebe es Filme zu drehen. Ich bin einfach extrem gerne am Set und drehe. Die Vorbereitungszeit, wenn es auch darum geht die Budgets in den Griff zu kriegen, ist die anstrengendere und vielleicht nicht ganz so lieb gewonnene Phase des Filmemachens.
Aber wenn man anfängt zu drehen und man dann in die eigentliche Gestaltungsphase des Films kommt, ist es ein großartiger Beruf.

 

 

Wie bist du eigentlich als Regisseur am Set und auch im Umgang mit den Schauspielern? Hast du eher sehr konkrete Vorstellungen, die Du genau umgesetzt sehen willst oder lässt Du viele Freiräume?

Man sollte vorbereitet sein und seine eigenen konkreten Vorstellungen haben Aber natürlich bin ich auf den Input anderer angewiesen. Es gibt immer Ideen, die das Ganze bereichern.

 

 

Was war Dir bei diesem speziellen Film “Nackt unter Wölfen“ als Aussage besonders wichtig? Was wolltest Du mit diesem Film transportieren?

“Nackt unter Wölfen“ transportiert einen sehr wichtigen Aspekt unserer Erinnerungskultur: das Nicht-Vergessen und das Zulassen der Trauer.

In der Vorbereitungszeit habe ich mich mit dem ehemaligen Buchenwald-Häftling Rolf
Kralowitz getroffen, um seinen Erinnerungen zuzuhören. Diese uns allen bekannten Gräueltaten bekommen etwas erschreckend Reales und man erkennt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass das nie in Vergessenheit gerät. Das ist meiner Meinung nach die Aufgabe des Films.


Was sollen die Menschen verstehen über diese Lektion der Geschichte und über Mensch-Sein?

Man darf nicht vergessen!

 

 

Wie war denn Deine nun schon zweite Zusammenarbeit mit Stefan Kolditz?

 

Stefan Kolditz und ich sind schon einen langen Weg zusammen gegangen bei “Unsere Mütter, unsere Väter“.

Ich brauche Partner, die mich und meine Arbeit, hinterfragen, auf die ich mich verlassen kann – auch auf ihre Kritik. Stefan Kolditz und ich helfen uns gegenseitig, das Beste aus einem Stoff herauszuholen. Stefan schreibt sehr gute Drehbücher und ich versuche sie zum Leben zu erwecken. Wir stehen immer in sehr engem Kontakt.

 

 

Was ist dein nächstes Projekt?

Ich sehe mir jetzt einmal an, wie die organisierte Wett-Mafia funktioniert!

 

 


INFO:
 
Das Buch
 
Bruno Apitz, Nackt unter Wölfen, erweiterte Neuausgabe auf der Grundlage der Erstausgabe des Mitteldeutschen Verlags Halle (Saale) von 1958, hrsg. von Susanne Hantke und Angela Drescher, Aufbau Verlag 2012
 
 
 
Der Fernsehfilm
 
Originaltitel Nackt unter Wölfen
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2015
Länge 105 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
 
 
Stab


Regie Philipp Kadelbach
Drehbuch Stefan Kolditz
Produktion Nico Hofmann
Benjamin Benedict
Sebastian Werniger
Musik Michael Kadelbach
Kamera Kolja Brandt
Schnitt Bernd Schlegel
 
 
Besetzung
 
Florian Stetter: Hans Pippig
Peter Schneider: André Höfel
Sylvester Groth: Helmut Krämer
Sabin Tambrea: Hermann Reineboth
Robert Gallinowski: Robert Kluttig
Rainer Bock: Alois Schwahl
Rafael Stachowiak: Marian Kropinski
Thorsten Merten: Bochow
Torsten Michaelis: August Rose
Robert Mika: Zacharias Jankowski
Matthias Bundschuh: Gotthold Zweiling
Ulrich Brandhoff: Heinrich Schüpp
Torsten Ranft: Mandrill
Andreas Lust: Förste
Marko Mandi?: Leonid Bogorski
Janusz Cichocki: Zidkowski
Max Hegewald: Roman
Leonard Carow: Johann Müller
Robert Hunger-Bühler: Pippigs Vater
Vojta Vomácka: Kleiner Junge

    Matthias Bundschuh: Gotthold Zweiling
    Ulrich Brandhoff: Heinrich Schüpp
    Torsten Ranft: Mandrill
    Andreas Lust: Förste
    Marko Mandi?: Leonid Bogorski
    Janusz Cichocki: Zidkowski
    Max Hegewald: Roman
    Leonard Carow: Johann Müller
    Robert Hunger-Bühler: Pippigs Vater
    Vojta Vomácka: Kleiner Junge