MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2016 vom 11. bis 21. Februar, Tag 1
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Über zwei Monate saß ich nicht mehr vor einer großen Leinwand im Kino, nur einmal in Bangkoks Chinatown auf dem öffentlichen Klo eines verlotterten Kung-Fu-Kinos. Stattdessen andere Filme, die alle Sinne ansprachen: Riesenspinnen im Urwald. Blinde Karaokesänger auf Märkten.
Elefantenwaschen im Fluss. Orangefarben angezogene Mönche. Kakerlaken essen. TukTuk fahren. Ruinen oder prunkvolle Tempeln. Kaffeetrinken im Orient-Hotel. Sonnenuntergänge wie auf Postkarten...
Noch voll mit diesen exotischen Bildern, komme ich aus Thailand zurück und fahre direkt nach Berlin. Ein harter Schnitt, wie man beim Film sagt. Spätabends mein erster Weg zum Potsdamer Platz, um mir die gedruckten Programme der 66. Berlinale zu holen. Mit den Apps kann ich nicht so gut planen: Old School! Wie immer übernachten viele „Filmverrückte“ vor den Schaltern, um sich bei deren Öffnung morgens Tickets für ihre Wunschfilme zu sichern und von TV-Teams befragen zu lassen.
Wieder habe ich das luxuriöse Problem des Journalisten, mir aus mehr als 400 Filmen jeden Tag drei bis fünf herauszusuchen. Es gibt ja nicht nur die 23 Wettbewerbsfilme, sondern etliche andere Reihen mit interessanten Spiel- und Dokumentarfilmen im „Panorama“, Kinder- und Jugendfilmen in „Generationen“, experimentellen Werken im „Forum“ usw. Darüber hat Weltexpresso schon berichtet und die Filme benannt. Durch die vielen Termine überschneiden sich sehr, sehr viele Vorführungen. Zähneknirschend habe ich in Thailand in meinen Mails gelesen, dass es für die Presse schon im Januar zahlreiche Voraufführungen gab.
Zunächst wirkt das Programm recht düster und wenig glamourös. Werke über verdammte Menschen, die sich neu orientieren müssen, Flüchtlinge und Bürgerkriege, scheiternde Beziehungen, brutale gesellschaftliche Veränderungen. Doch diese Filme bilden ja die aus den Fugen geratene Welt ab. Schon lange gilt die Berlinale als das größte, politisch engagierteste Festival der Welt. Und es wird wohl, so hoffe ich, auch genug Filme zum Träumen und Verwundern geben.
Fortsetzung folgt
Foto: hwk