MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2016 vom 11. bis 21. Februar, Tag 6
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Seit Jahren werden die Filme immer länger, mit dem 90-Minuten-Format gibt sich kaum noch ein Regisseur zufrieden. Im Wettbewerb läuft fast nichts mehr unter zwei Stunden, nur noch Beiträge aus „Entwicklungsländern“.
Einen Bären für den längsten Film strebt wohl Lav Diaz mit seinem „Hela Sa Hiwagang“ an. Die Geschichte über den Befreiungskampf der Philippinen gegen Spanien im 19. Jahrhundert ist acht Stunden lang.
Dieses monumentale Werk tue ich mir morgen nicht an, obwohl es bestimmt interessant ist. Ich werde stattdessen versuchen, die Streifen zu schauen, die ich bisher verpasst habe. Ich nutze hier mal wieder den nostalgischen Begriff „Streifen“, obwohl neue und alte Filme heute ja nur noch im digitalen Format in die Kinos kommen.
Auch auf der Berlinale gehören die Zelluloidstreifen, die früher auf großen Rollen durch die Gegend transportiert wurden, der Vergangenheit an. Unverdrossen heißt es bei den Gala-Premieren aber immer noch recht altmodisch „Film ab!“
Jedoch werden seit letztem Jahr bei den Festspielen nicht mal mehr die Festplatten mit den digitalen Filmen durch Boten in Berlin herumkutschiert. Vielmehr sind die über 50 Berlinale-Kinosäle nun mit einem zentralen Rechenzentrum verkabelt. Durch das spinnennetzartige Glasfasergeflecht von 250 km Länge werden die meisten Filme für die 2500 Aufführungen als Datenpakete verschickt.
Davon ausgenommen sind nur noch die Streifen, die auf den „Kiez“ gehen, wie die Stadtteile im Berliner Jargon heißen. In der Sektion „Berlinale goes Kiez“ werden nämlich immer einige Festival-Beiträge gezeigt, zu denen auch die jeweiligen Filmteams kommen. Berlinale-Direktor Dieter Kosslick will damit wechselnde Kinos belohnen, die kein Mainstream-Programm machen.