Die Filme der 66. Berlinale vom 11. bis 21. Februar 2016
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - In den vergangenen Jahren sah man häufig Filme mit starken Frauen auf der Berlinale, diesmal dagegen vergleichsweise wenige. Ich frage mich, woran das liegt.
Eine aktuelle Ausstellung im Berliner Filmmuseum deutet darauf hin, dass Filmregisseure Frauen schon immer bevorzugt in der Opferrolle gesehen haben, und ihre Darstellerinnen in diesen Profilen offenbar auch besonders überzeugten.
Die Schau widmet sich allen Oscargewinnerinnen in einer Hauptrolle. Die meisten von ihnen haben die Trophäe für leidende, depressive, kranke, unterdrückte und gemarterte Frauenfiguren erhalten, sei es Ingrid Bermann („Das Haus der Lady Alquist“), Sophia Loren („Ciocara“), Vivien Leigh („Endstation Sehnsucht“), Susan Hayward („Laßt mich leben“) oder Hilary Swank („Boys don’t cry“).
Weibliche Charaktere in Machtpositionen, den Männern überlegene Frauen oder auch Tyranninnen sind dagegen äußert selten anzutreffen, wenngleich sich mit Audrey Hepburn („Ein Herz und eine Krone“), „Meryl Streep“ („Die eiserne Lady“) oder auch Louise Fletcher als fiese Krankenschwester in „Einer flog über das Kuckucksnest“ zumindest ein paar Beispiele finden lassen.
Auf der Berlinale ergibt sich – leider- ein ziemlich ähnliches Bild. Gleich in zwei Wettbewerbsbeiträgen geraten die Heldinnen in eine schwere psychische Krise, als ihre Männer sie mit anderen Frauen betrügen. In dem kanadischen Film „Boris sans Béatrice“ hat sie in der Depression schon ihre Sprache verloren, in Thomas Vinterbergs Film „Kommune“ wird sie derart schwermütig, dass sie im Beruf versagt. Es handelt sich wohl bemerkt um keine schlichten Gemüter, sondern Frauen in anspruchsvollen Berufen, die Einiges an Selbstbewusstsein voraussetzen, die eine ist eine Politikerin, die andere eine Fernsehmoderatorin!
Dagegen schuf der Dichter Hugo von Hofmannstahl 1911 (!) mit der Marschallin im „Rosenkavalier“ eine weitaus reifere, souveränere und erhabenere Figur. Nicht, dass es ihr nicht nahe gehen würde, dass ihr junger Liebhaber sie am Ende wegen einer Jüngeren verlässt, aber sie trägt es mit Würde. Ein bisschen von diesem Vorbild steckt auch in der von Isabelle Huppert verkörperten kühlen Philosophieprofessorin in dem französisch-deutschen Beitrag „L’Avenir“. Auch sie tritt immerhin selbstbewusst auf, weint nicht noch um den Mann, sondern schaut nach vorne und weiß etwas anzufangen mit den neugewonnenen Freiheiten.
Ich wünsche mir verstärkt wieder mehr solche weiblichen Vorbilder im Kino. Gerade in heutigen Zeiten, wo es darum geht, in der multikulturellen Gesellschaft Frauenrechte zu verteidigen, brauchen wir mehr Frauenpower denn je.
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Berlinalechef Kosslick läßt Isabelle Huppert den Vortritt