Zur heutigen Ausstrahlung DIE AKTE GENERAL im Ersten um 20.15 Uhr, Teil 1

 

Elke Eich

 

Berlin (Weltexpresso) - In „Die Akte General“ brilliert Ulrich Noethen als Hessens Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der bis zu seinem Tod gegen Naziverbrecher vorging. Die Produktion der UFA Fiction in Koproduktion mit SWR, ARD Degeto, SR und BR reiht sich ein in eine Serie von Filmen, die der politischen Bedeutung von Fritz Bauer unterschiedlich gerecht werden wollen.



Über Jahrzehnte war Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (geb. am 16. Juli 1913 und am 1. Juli 1968 tot in seiner Badewanne gefunden) in Vergessenheit geraten. Dabei war der aus Baden Württemberg stammende Sozialdemokrat und Sohn jüdischer Eltern, (seines Zeichens Atheist) eine Lichtgestalt des jungen bundesrepublikanischen Rechtsstaats: hartnäckig bemüht um eine demokratische Justiz und die konsequente Verfolgung von Naziverbrechern.

Fritz Bauer, der im Dritten Reich politisch inhaftiert war und viele Jahre in Dänemark und Schweden im Exil verbrachte, gilt als Wegbereiter der Auschwitz-Prozesse, die von 1963 bis in die 70er Jahre hinein geführt wurden. Durch seine Ideale und sein Engagement wurde er zum Vorbild für junge Menschen, die sich einen moralisch sauberen Neustart wünschten. Andererseits war er eine massive Bedrohung für alte Nazi-Schargen, die in der jungen BRD - u.a. als Juristen im Staatsdienst geschützt - demokratische Entwicklungen bremsen konnten und sogar geflüchtete Kriegsverbrecher (wie Eichmann) deckten.

 

Die verbreitete Devise lautete: „Bloß nicht an alter Schuld rühren und bloß nicht zu viele Informationen aufwühlen!“ – damit das fragile Kartenhaus Bundesrepublik nicht gleich wieder zusammen fällt. Ein Mann wie Fritz Bauer wurde da heftig mit allen Mitteln bekämpft und isoliert. Dem kalten Krieg schließlich war es geschuldet, dass die Amerikaner in Schlüsselpositionen Mitwisser und Mittäter duldeten, die schon Hitlers Regierung beflissentlich gedient hatten.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz und dank der Kinofilme „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014, Regie: Giulio Ricciarelli) und „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015, Regie: Lars Kraume) mit Burkhard Klaußner in der Hauptrolle des Generalstaatsanwalts, konnte Bauer endlich für ein breiteres Publikum wie Phönix aus der Asche der Verdrängung aufsteigen.

Filmfestival-Besuchern und Kennern politischer Dokumentarfilme sind die Verdienste Fritz Bauers allerdings schon spätestens seit Ilona Zioks herausragendem Film „Fritz Bauer - Tod auf Raten“ bestens bekannt, der 2010 bei der Berlinale Premiere hatte. Während Zioks Dokumentarfilm sich an nachweisbare Fakten hält und Aussagen von Zeitzeugen und Weggefährten Bauers wie auch TV-Aufzeichnungen aus den 60er-Jahren verwertet, setzen die fiktionalen Filme eher auf spannungsgeladene Plots: In Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ greift Bauers Manöver zur Ergreifung Adolf Eichmanns in Argentinien durch einen geheimen Pakt mit dem israelischen Geheimdienst Mossad sehr großen Raum. In einem zweiten dramaturgischen Strang setzt er auf die durch den Bauer-Biografen Ronen Steinke als gegeben dargestellten Homosexualität und die Verwicklung eines jungen verheirateten Staatsanwalts – einem Vertrauten Bauers - im homosexuellen bzw. transsexuellen Rotlichtmilieu.

In „Die Akte General“ spannt Regisseur Stephan Wagner hingegen auf der Basis des Drehbuchs von Alex Buresch einen größeren bzw. differenzierteren Bogen – im Politischen wie im Psychologischen: Zwar geht es zentral auch um Eichmanns Entführungskrimi, doch die Auschwitz-Prozesse und die Verdrängung alter Schuld werden hier grundsätzlicher thematisiert. Des weiteren tauchen neben dem hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (Frank Röth), ein Unterstützer Bauers, noch bekannte Realpolitiker der damaligen Zeit als Akteure auf: Allen voran Adenauer (Dieter Schaad) und sein Kanzleramtschef Hans Globke (Bernhard Schütz).

 

Wir erleben, wie Adenauer den sich unter den Nazis schuldig gemachten Globke aus strategischen Gründen halten will; unverzichtbar scheinen ihm dessen Kompetenzen als international erfahrenes Verhandlungsgenie. Oder vielleicht geht es dem ersten Bundeskanzler mehr noch darum, das Ansehen der jungen BRD nicht zu „beschmutzen“. Wir werden Zeuge, wie DDR-Staatsanwälte (unter ihnen Godehard Giese) Fritz Bauers jungen Kollegen und werdenden Vater Joachim Hell (David Kross) als Spitzel anwerben wollen, der sich dann aber von reaktionären Vertretern des BKA lieber gegen Bauer anheuern lässt.

David Kross erklärt die Motive seiner Figur, die ihr Vorbild Fritz Bauer verrät: ,,Hell möchte zwar als Staatsanwalt Karriere machen und das Land von „alter Schuld“ befreien, aber aus seiner Sicht könnte das, wenn es nicht „im Rahmen“ geschieht, zum Sturz der Regierung und so zu einer eventuellen kommunistischen Machtübernahme führen. In diesem Dilemma entscheidet er sich für den Versuch, die Arbeit Bauers als Spitzel für das BKA zu „kontrollieren“.“


Was die durch Ronen Steinke erst behauptete, dann zurückgenommene Homosexualität Bauers betrifft: Die Macher entschieden sich für die Darstellung einer allenfalls am Rande im sehr Privaten wie selbstverständlich gelebten Homosexualität, die nicht von den Kernbotschaften über Bauers politische Verdienste ablenkt.

Ulrich Noethen (Jahrgang 1959), der in seinem kurzen Jura-Studium vertiefte Erkenntnisse über die Verstrickungen der deutschen Nachkriegs-Justiz erlangte, strahlt in seiner Figur souveräne Besonnenheit und Ruhe aus. Der Schauspieler ist zutiefst beeindruckt von Fritz Bauer, und im Gespräch zitiert er „wie in Stein gemeißelte“ Sätze dieses Vorbilds, wie „Wir können die besten Verfassungen haben und wir können tolle Gesetze haben, aber das nützt uns alles nichts, wenn wir diese Dinge nicht leben!“

 

Bauer, das war für Noethen einer, der das, was er sagte auch lebte. Und was die strittige Angelegenheit mit Bauers sexuellen Orientierung betrifft, verweist er auf die dänische Polizei, die ihn „im Exil wegen Homosexualität auf dem Kieker“ gehabt habe, was dokumentiert sei.


Fritz Bauer und seine dänische Frau Anna Maria, die er im Juni 1943 zum Schutz vor politischen Übergriffen im von Deutschen besetzten Dänemark heiratete, werden in „Die Akte General“ als schwul-lesbisches Paar dargestellt, das mit der Ehe den Schein der Heterosexualität gewahrt haben soll. „Ein schlüssiges Angebot des Drehbuchautors Alex Buresch“, so Noethen, „orientiert an einer Ehe auf Distanz, wie sie z.B. Marianne Hoppe und Gustav Gründgens gelebt haben.“

Begnügt sich Burkhart Klaußners Fritz Bauer in „Der Staat gegen Fritz Bauer“ damit, sich an den schönen Socken des jungen, anfangs noch unwissentlich homosexuellen Staatsanwalts (dargestellt von Ronald Zehrfeld), zu ergötzen, huscht in „Die Akte General“ ein junger Mann nackt im Hintergrund einer Szene durch den Flur von Bauers Wohnung. Es sei die Entscheidung von Regisseur Stephan Wagner gewesen, Bauer „die Sexualität nicht wegzunehmen“ sagt dazu Ulrich Noethen. Dabei sei das Zeigen der Homosexualität Bauers in ihrem Film nur insofern von Interesse gewesen, „als sie seinen Feinden dazu diente, sie gegen ihn zu verwenden“, was in der damaligen Zeit in der Tat einfach war.

Den Tod des Helden in der Badewanne bzw. diesbezügliche Hypothesen spart „Die Akte General“ gänzlich aus, wohingegen der Kinofilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ implizit einen von Feinden umzingelten und mit den Nerven völlig fertigen Generalstaatsanwalt nahelegt, dem ein Tabletten-Alkoholcocktail zum Verhängnis geworden sein soll.

 

Allerdings wissen wir spätestens seit der Wiederaufnahme des Falles Barschel eigentlich, dass auch institutionell ausgeführter Mord eine ebenso unheimliche wie plausible Variante sein könnte.

 

P.S. Ronen Steinke gilt mit seiner Biographie FRITZ BAUER oder AUSCHWITZ VOR GERICHT als der Urheber der These einer angeblichen Homosexualität Fritz Bauers. Liest man in seinem Buch nach, heißt es dort aber auf Seite 102: "Wie viel Wahrheit Fritz Bauer da in seine Worte legt und wie viel Berechnung bleibt offen. Denn andere, ähnliche Äußerungen, auf die sich die Annahme stüzten könnte, Bauer sehe sich tatsächlich selbst als schwul, sind nicht bekannt: Von Kontakten Bauers in die schwule Szene vor 1936 ist nichts bekannt, und auch nach 1936 beobachtet die dänische Fremdenpolizei keine homosexuellen 'Verbindungen' Bauers mehr. "

Im Forschungsjournal Soziale Bewegungen Heft 4 Dezember 2015  mit dem Sonderschwerpunkt FRITZ BAUER nimmt Steinke seine Vermutungen noch stärker zurück.

 

Foto:

aus demFernsehfilm, Ulrich Noethen als Fritz Bauer

 

Info:

 

Heute in der ARD um 20.15 Uhr DIE AKTE GENERAL von Stephan Wagner, eine Nico Hofmanns Ufa Fiction.

Heute im SWR um 23.30 Uhr FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN von Ilona Ziok, 2010.