Anmerkungen zu einem Gespräch mit Ulrich Noethen als Fritz Bauer*

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Eigentlich hatte ich nicht vor, mich zu dem Fernsehfilm "Die Akte General" zu äußern, aber jetzt fühle ich mich doch herausgefordert durch die Behauptung des Hauptdarstellers Ulrich Noethen, Bauers Homosexualität sei in dem Film nur insofern von Interesse gewesen, als sie "seinen Feinden dazu diente, sie gegen ihn zu verwenden", was in der damaligen Zeit ganz leicht gewesen sei.

 

Ich habe die damalige Zeit miterlebt und kann mich nur wundern, wie leichtfertig da ein begnadeter Schauspieler mit der historischen Wahrheit umgeht, um der Öffentlichkeit einen Film schmackhaft zu machen, der einen üblen Beigeschmack hat,

 

Es geht mir nicht so sehr um die abgedroschene Behauptung, Fritz Bauer sei homosexuell gewesen. An Homosexualität stößt sich heute sowieso niemand. Wer sie bei Bauer in Abrede stellt, gerät schnell in den Verdacht, er hielte Schwulsein immer noch für anstößig. Was dazu in einer dänischen Polizeiakte steht, und mehr gibt es dazu nicht, ist übrigens nie auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft worden. Viel wichtiger ist mir, dass Ulrich Noethen erklärt, die Homosexualität sei in dem Film nur insofern von Interesse gewesen, als sie seinen Feinden dazu diente, sie gegen ihn zu verwenden. Mit Verlaub, welche seiner Feinde haben Fritz Bauer wegen seiner sexuellen Orientierung zugesetzt? Nicht einmal die Nazis haben das getan. Verfolgt wurde er aus politischen Gründen und wegen seiner jüdischen Herkunft.

Auch seine Gegner im Nachkriegsdeutschland haben ihn nicht wegen seines Privatlebens bedrängt. Sie mochten ihn nicht, weil er der Wohlstandsgesellschaft die unbewältigte Nazivergangenheit um die Ohren schlug und weil er dem Strafrecht eine menschlichere Note verleihen wollte. Bei den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP war er auch deswegen schlecht angesehen, weil er als Generalstaatsanwalt zum Protest gegen die geplanten Notstandsgesetze aufrief. Aber niemand hat in seiner Privatsphäre herumgestochert und ihm Neigungen unterstellt, die damals mit Strafe bedroht waren. Ich besitze hunderte von Artikeln aus der damaligen Zeit. Wenn der Name Fritz Bauer irgendwo auftaucht, geht es immer um politische Dinge, niemals um seine angebliche Homosexualität.

 

Im Gegensatz zu dem Eindruck, den manche Filme vermitteln, war in der öffentlichen Diskussion von Bauers Rolle bei der Ergreifung Adolf Eichmanns viel weniger die Rede, als dem Publikum heute vorgegaukelt wird. An einer solchen Debatte hatte die Bundesregierung schon deswegen kein Interesse, weil der Bundesnachrichtendienst, der dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke direkt unterstand, lange vor Fritz Bauer wusste, wo Eichmann sich aufhielt, ohne etwa für seine Ergreifung zu tun. Deshalb die hektische Reaktion, als Fritz Bauer ein Ermittlungsverfahren gegen Globke einleitete. Es musste ganz schnell an die Bonner Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Die hat es eingestellt. Um Bauer zu diskreditieren, wurden ihm Kontakte zur DDR nachgesagt. Die CDU warf ihm eine Politisierung der Justiz vor und verlangte im Landtag seine Entlassung.

 

Auch Spielfilme sollten die historische Wahrheit berücksichtigen. Fritz Bauer war ein politischer Mensch und nicht der innerlich zerrissene Schwule, als den ihn manche hinstellen. Man möchte, dass die Kasse klingelt und spekuliert auf ein sensationsgeiles Publikum.

 

Dafür gibt das Buch von Ronen Steinke über Fritz Bauer natürlich Einiges her. Steinke schreibt im Boulevardstil und streckenweise aus der Schlüsselloch-Perspektive über Fritz Bauer. Dass er ihm zu Unrecht unterstellt, nie ein öffentliches Wort zum Antisemitismus über die Lippen bekommen zu haben, scheint niemanden zu interessieren. Dass Steinke behauptet, im Auschwitz-Prozess hätten die Zuhörer so dicht neben den Angeklagten gesessen, dass sie sich mit ihnen unterhalten konnten, obwohl alle Fotos aus dem Gerichtssaal das Gegenteil beweisen,wird stillschweigend hingenommen.

 

Und dass Steinke – wohl um Bauer obendrein auch noch einen Hang zum Gigantismus zu unterstellen – fälschlicherweise behauptet, Bauer habe die Weltpresse in einen 120 Meter langen Saal eingeladen, obwohl der Auschwitz-Prozess im wesentlich kleineren Tagungsraum der Frankfurter Stadtverordneten begann, nehmen alle für bare Münze, so auch auch Ulrich Noethen, der Ronen Steinke mit seiner Biographie näher an Fritz Bauer sieht, als den Dokumentarfilm von Ilona Ziok FRITZ BAUER- TOD AUF RATEN.

 

Sei’s drum, manche sehen die Bild-Zeitung ja auch näher an der Wahrheit, als etwa die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung.

 

 

Foto:

links Ulrich Noethen als Fritz Bauer aus DIE AKTE GENERAL -rechts Fritz Bauer, der Hessische Generalstaatsanwalt in seinem Arbeitszimmer

Das ist doch interessant zu sehen, wieviel Mühe man sich mit der 'Wahrheit' und Wirklichkeit in Ausstattungsfragen des Arbeitszimmers macht und wie wenig die Wahrheit für die Person Bauer gilt. Die Redaktion

 

Info:

 

* Vergleiche untenstehendes Interview von Elke Eich mit Ulrich Noethen vom 24. Februar 2016

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6677:vater-des-bundesdeutschen-rechtsstaats-und-vater-der-anne-frank&catid=79&Itemid=471