ZDF-Dreiteiler KU'- DAMM 56 wird zum Publikumsmagnet, Teil 2

 

Elke Eich

 

Berlin (Weltexpresso) – Im Gegensatz zu Filmen, die nach dem Anlaufen in deutschen Kinos zu verschiedenen Terminen besucht werden können, heißt es beim Fernsehen: friß oder stirb. Wer eine Sendung verpaßte, der...aber nein, schon länger gibt es die Einrichtung der Mediatheken, wo der Dreiteiler bis September zu sehen ist sowie am Samstag, 14. April hintereinander in ZDF neo. Die Redaktion

 


Die 50er Jahre sind geprägt von Wirtschaftswunder, Tabus und Sehnsüchten nach einer heilen Welt. Aufgewirbelt werden sie vom Freiheitsdrang einer jungen Generation, denen Idole wie James Dean und Elvis Presley seelische Sauerstoff-Bäder bieten. In der strengen Welt der Tanzschulen-Besitzerin Caterina Schöllack ist die Zeit noch stehengeblieben - vorerst...



Besonders den heranwachsenden Frauen der Nachkriegsgeneration soll mit dem Dreiteiler „Ku’damm 56“ ein Denkmal gesetzt werden. Sie wurden besonders geknechtet in der restriktiven Atmosphäre der Adenauer-Ära, in der es ebenso höchste Zeit war, politische Altlasten ans Licht zu bringen und für die persönliche Befreiung von Leib und Seele zu sorgen.



Elf Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs – wir schreiben das Jahr 1956 - ist die Tanzschule „Galant“ am Ku’damm ’56 zentrale Drehscheibe für eine Familiengeschichte, wie sie damals gar nicht so unüblich war. Gerd (Robert Schupp), der Ehemann der Inhaberin Caterina Schöllack (Claudia Michelsen), ist im Krieg vermisst, und die größte Sorge der Unternehmerin ist, die drei Töchter im heiratsfähigen Alter angemessen unter die Haube zu bringen.



Da ist zum einen Helga (Maria Ehrich), die schon im ersten Teil der Trilogie Hochzeit feiert. Aber trotz ihrer guten Partie mit dem angehenden Staatsanwalt Wolfgang von Boost (August Wittgenstein) kann sie, die der Mutter am ähnlichsten ist, nicht glücklich schätzen, was nichts damit zu tun hat, dass Wolfgangs Familie ihre Reichtümer in Ostpreußen auf der Flucht hinter sich lassen musste. Vielmehr ist ein Adelstitel und eine tolle Position allein kein Trost, wenn der Mann im Bett so gar nichts von seiner jungen Frau will. Und so leidet Helga, die sich brav mit der Rolle einer konservativen Ehefrau identifiziert und perfekte Hawaii-Toasts kreiert - vorerst noch nichts von der sexuellen Orientierung ihres Mannes ahnend - still in sich hinein.



Eva (Emilia Schu?le), die unter Professor Dr. Jürgen Fassbender (Heino Ferch) als Krankenschwester in einer Dahlemer Nervenklinik arbeitet, hat sich ihren fast 40 Jahre älteren Chef als Zukünftigen ausgeguckt und träumt bereits vom luxuriösen Leben mit ihm in seiner großen Villa - als Frau Professor. Doch offensichtlich hat das Schicksal etwas anderes mit der nicht gerade belesenen aber kessen West-Berlinerin vor. Eva muss im Ost-Teil der Stadt den Mann einer Patientin finden, die in ihre Klinik eingewiesen wurde. Und dieser junge Profifußballer Rudi Hauer (Steve Windolf) ist ein ganz anderes Kaliber, als der dem Leben eher abgewandte Professor, der – wie damals üblich - seine Patienten und natürlich vorwiegend Patientinnen mit hysterischem Verhalten - mit Elektroschocks behandelt.



Und da wäre, last but not least, Monika Schöllack, genannt Nicki (Sonja Gerhardt), das verkannte und leicht depressive Enfant terrible der Familie, Hauptfigur und treibende Kraft im Dreiteiler. Der Hauswirtschaftsschule außerhalb Berlins wegen “unsittlichen Benehmens“ – will heißen wegen eines spontanen Tanzes im Regen! - verwiesen, ist die musikalisch und tänzerisch begabte mittlere Tochter (und die haben es ja bekanntlich am schwersten) auf dem Weg zur Familie, um Helgas Hochzeit zu feiern. In der U-Bahn begegnet ihr da der Musiker Freddy Donath (Trystan Pütter) und mit ihm, der kurzerhand bei ihr einen suizidalen Impuls abblockt, die Leidenschaft an einer aufwühlend lebendigen Musik, die neuerdings in aller Munde ist: der Rock ’n’ Roll. Und dieser Kontrabass spielende und wunderbar Rock ’n’ Roll tanzende Freddy wird noch eine große Bedeutung für sie haben.



Wie ein Aschenputtel kommt Monika anfangs daher, die von der strengen Mutter ungehemmt, ja geradezu stiefmütterlich abgelehnt und gemaßregelt wird. Monika, die von der Schauspielerin Sonja Lundi (Katharina Schüttler) schwärmt, an den Mann zu bringen, hält ihre von den gleichförmig strengen Rhythmen ihrer Standard-Tanzschritte nahezu gelähmte Mutter geradezu für unmöglich. Im Hinterkopf hat Caterin
a Schöllack immer noch die Möglichkeit der Verbannung ihrer aus tiefer Überzeugung missratenen Tochter auf den Bauernhof eines grobschlächtigen Verwandten.

 

Doch erst noch will Mutter Schöllack die Gelegenheit der Stunde vor Ort nutzen, indem sie den ungezügelt lebenden und sich nach der Ferne und literarischem Ausdruck sehnenden Industriellensohn Joachim Franck (Sabin Tambrea) als Monikas Begleitung für Helgas Hochzeit verpflichtet. Der wurde von seinem Vater, von dem er sich ebenso unverstanden und verachtet fühlt wie Monika von ihrer Mutter, zu einen Benimmkurs bei ihr verdonnert. Caterina ködert den an Monika völlig desinteressierten Joachim mit der Ausstellung eines guten Zeugnisses in Punkto sozialer Kompetenz und Sicherheit in Etikette, wofür der sich arrogant gebende Dandy allerdings so gar keine Veranlassung gibt. Im Gegenteil: Am Ende von Helgas Hochzeitstag wird er Schande über Caterinas Sorgenkind gebracht haben und dann wiederum alle in Staunen versetzen ob seiner Läuterungsfähigkeit


Tanzlehrer Fritz Assmann (Uwe Ochsenknecht) hat ein besonderes Verhältnis zu Monika und steht der aparten aber sehr im Konventionellen und in allerlei Formalitäten erstarrten Tanzparkett-Professionellen als alter Freund der Familie (und noch mehr) zur Seite. Assmanns Vorhaben, im Unterricht neben den Standardtänzen ein lateinamerikanisches Repertoire, also Tänze wie Rumba und Samba, mit zu integrieren, lehnt Caterina strikt ab. Sie setzt stur darauf, nur die vorherrschenden und ritualisierten Geschlechterrollen der damaligen Zeit in den Tanz- und Benimmkursen ihres Etablissements zu fördern.

So hart, unnahbar und unnachgiebig sie auch rüber kommt, so sehr schimmert auch ihre große Verletzbarkeit durch. Wie Claudia Michelsen im Interview erzählt, gab es für sie “immer zwei Caterinas: Die Mutter, die ihre Kinder alleine durch den Krieg bringen musste und die nur das eine Ziel hat, ihre Töchter sicher und versorgt zu wissen, koste es, was es wolle. Und die zerbrechliche Caterina, eine einsame Frau, deren Bedu?rfnisse und Sehnsu?chte keinen Raum haben du?rfen. Frauen haben sich vieles versagt, unterdru?ckt. Es war eine Männerwelt und Sexualität war ein Tabuthema. Sie wurden auf Funktionen reduziert.”


Die Haltung der Frauen in dieser Zeit, so Michelsen, sei auch eine andere gewesen. „Es gehörte sich, immer die perfekte Frau und Hausfrau und unangreifbar, unfehlbar zu sein. Gerade Caterina ist eine Frau, die ständig die Kontrolle behalten möchte und auch musste.“ „Hinter die Fassade dieser Frau“ schauen zu dürfen, bei deren „Pfui“-Kaskade einem das Lachen im Halse stecken bleiben kann, ist ebenso spannend, wie der durch und durch authentischen Monika bei ihrer erfrischend befreienden Revolte zu folgen.

Für Nico Hofmann (Jahrgang 1959), Chef der Ufa Fiction, und seine Kollegen war „Ku’damm 56“ ein wohl auch nostalgisch zu nennendes Herzensprojekt, das er mit der Drehbuchautorin Annette Hess („Weissensee“) von langer Hand gemeinsam entwickelte.

Die Generation der jungen Erwachsenen der 50iger-Jahre prägt auch heute noch unsere Gesellschaft. Es sind unsere Eltern, die in dieser Zeit der Enge und der Unterwerfung der Frau aufwuchsen. Eine Zeit, in des es einen Frauenüberschuss gab, weil viele Männer im Krieg geblieben waren, und in der zurück gekommene und eigentlich gebrochene Männer ihren patenten Frauen, die sich und die Kinder durch den Krieg gebracht hatten, wieder die Rolle des nicht zu hinterfragenden männlichen Familienoberhaupts präsentierten. Eine Rolle, die die meisten Männer gar nicht mehr ausfüllen konnten. Vieles musste verdrängt werden ob der moralischen Verwerflichkeit dessen, was da an der Front passiert war. Und als Mann über eigene seelische Wunden zu sprechen, die der Krieg geschlagen hatte, verbot sich damals schlichtweg ohnehin – für Männer wie für Frauen!
Fortsetzung folgt.


Info:


Ku’damm 56 - Regie Sven Bohse
Sonntag, 20. März 2016, 20:15 Uhr

Montag, 21. März 2016, 20:15 Uhr
Mittwoch, 23, März 2016, 2015 Uhr

Ku’damm 56 – Die Dokumentation
Ein Film von Heike Nelsen-Minkenberg

Sonntag, 20. März 2016, im Anschluss an Folge 1 – um 21:45 Uhr


„Ku’damm 56“ wird ergänzt durch
“Wir Nachkriegskinder” - eine zweiteilige historische Dokumentation

Dienstag, 15. und 22. März 2016 - jeweils um 20:15 Uhr
Buch und Regie: Peter Adler, Peter Hartl, Jobst Knigge, Annette Köhler

 

 

 

Alle Folgen des Dreiteilers sind noch bis zum 20. September 2016 in der ZDFmediathek zu sehen. ZDFneo zeigt alle drei Folgen von "Ku'damm 56" hintereinander am Samstag, 9. April 2016, 20.15 Uhr.

 

http://kudamm56.zdf.de