9. LICHTER Filmfest Frankfurt International vom 29. März bis 3. April, Teil 5

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, wenn das Lichter Filmfest nun kurz vor dem Anpfiff steht, denn was da aus dem kleinen beschaulichen LICHTER geworden ist, das grenzt schon an Größenwahn, wenn man der Anfänge gedenkt. Und von daher tat Festivaldirektor Gregor Maria Schubert gut daran, sich bei den Mitmachern zu bedanken, die ein so spannendes, ja aufregendes Filmfestival vorlegen.

 

Er tat auch gut daran, sich über die Kindheitsphase des Festivals auszulassen, denn neun Jahre sind als Geburtstag im Haifischbecken der Filmfestivals in Deutschland, geschweige denn der ganzen Welt eben noch ganz am Anfang. Und das merkte er auch bei dem Ordern von Filmen und Premieren für LICHTER. Denn so mancher Verleiher fand das gar nicht gut, wenn LICHTER die Deutschlandpremiere machen wollte, dabei hätte sich beispielsweise der Siegesfilm der Berlinale FUOCOAMMARE von Gianfranco Rosi, ein ausgesprochener Flüchtlingsfilm und einer über die Grenze nach Europa in Lampedusa für das diesjährige Festival besonders geeignet. Übrigens kommt hinzu, daß der Goldene Bär Gewinner die Auszeichnung zu Recht bekommen hatte: einfach ein guter Film!

 

Und so gab es so manche Absage und darum ist eine kleine Reminiszenz, was inzwischen in Deutschland los ist, gut: Da gibt es ja nicht nur das deutsche Oberfestival, die BERLINALE, die, wie die meisten Filmfestivals auf die 50er Jahre zurückgeht., konkret auf 1951. Da gibt es das seit 1952 bestehende Mannheimer Internationale Filmfestival, das seit 1994 zusammen mit Heidelberg auftritt, aber auch in zwei Städten abläuft. Und dann sind als wichtigste Bewegung die INTERNATIONALEN KURZFILMTAGE OBERHAUSEN zu erwähnen, seit 1954 und mit dem Namen des nachmaligen Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann verbunden, den Dokumentar- und auch den Animationsfilm vertritt insbesondere das FILMFESTIVAL LEIPZIG, lange schon in der DDR eine Fundstelle gewesen. Und die 1968 gegründeten INTERNATIONALEN HOFER FILMTAGE, die erst gerade öffentlich durch den Tod ihres Leiters im Gespräch waren, sind inzwischen die wichtigste Anlaufstelle für den deutschen Film und zeigt Deutschland und Welt-Erstaufführungen.

 

Ach, wir können nicht alle aufführen und Gregor Maria Schubert tat das auch nicht, aber Saarbrücken, Hamburg, München und Go East in Wiesbaden sowie LUCAS in Frankfurt waren natürlich dabei, die, wie er sagte, alle über die Jahre gewachsen sind, gegen die sich die LICHTER messen müssen, was sie mit einem kräftigen Hessentusch auch tun. So viel Hessisches gibt es nirgends und auch nicht so viele Welt-, Deutschland- und Hessenpremieren auf einen Schlag wie vom Osterdienstag bis zum kommenden Sonntag. Und danach geht es in Frankfurt weiter rund! Denn dann kommt die Musikmesse mit all den Veranstaltungen im Gepäck. Es ist was los!

 

Und wer früher noch glaubte, er könne alles mitbekommen, hat sich davon schon in den letzten Jahren verabschieden müssen. Bei über einhundert Filmen, zu denen Gesprächsforen hinzutreten sowie Konzerte, Ausstellungen und Performances geht das schon lange nicht mehr. Um so wichtiger, sich das Programm genau anzuschauen, wozu es ein dickes Programmbuch, eine Faltblatt mit den Höhepunkten und sowieso den Internetauftritt gibt.

 

Es ist das Drei-Säulen-Programm, das LICHTER so stabil hält, denn auf der einen Seite gibt es die Internationalen Langfilme, von denen in den sechs Tagen 13 zu sehen sind – darunter vier Deutschlandpremieren - , wobei der thematische Zusammenhang der Filme und des Begleitprogramms in GRENZEN liegt, das Lichter-Jahresthema.

 

Die aktuellen Ereignisse in den Krisengebieten der Welt, aber auch die zunehmende Abschottung in Europa haben uns bewegt, grundsätzlich über Grenzen nachzudenken“, sagt Gregor Maria Schubert, Direktor des LICHTER Filmfest. Zwei bewegende Dokumentationen erzählen von Flüchtenden an Europas Außengrenzen (Les Sauteurs) und dem Leben im syrischen Bürgerkrieg (Coma). Auch Spielfilme über den Alltag von Kindern in einer serbischen Enklave im Kosovo (Enklava) oder über einen NATO-Posten im afghanisch-pakistanischen Grenzland (The Wakhan Front, DP) finden sich im Programm.

 

Doch LICHTER versteht Grenzen nicht nur territorial. „Uns interessieren auch die unsichtbaren Linien zwischen gesellschaftlichen Gruppen (Louisianna – The Other Side und Masaan, DP), die Grenzen des Gehorsams (Experimenter, DP), des eigenen Körpers (Walking Distance), des Humors (Pecore in Erba, DP) oder die Grenzen der Macht (I stay with you)“, so Johanna Süß, stellvertretende Festivalleiterin, die gemeinsam mit Gregor Maria Schubert und Philippe Crackau das internationale Programm kuratiert hat.

 

Seit 2012 bringt LICHTER, das vor neun Jahren als Plattform des regionalen Films gegründet wurde, internationale Filme zu einem jährlich wechselnden gesellschaftspolitischen Thema auf die Leinwand. „Die internationale Sektion und das Begleitprogramm haben seither stetig an Bedeutung gewonnen“, resümiert Schubert. „Zum fünften Geburtstag der Reihe loben wir 2016 erstmals den International Feature Award aus.“

 

Interdisziplinäre Debatten, eine transmediale Ausstellung und kreative Formate wie eine Video-Techno-Oper reflektieren und vertiefen 2016 das Festival-Thema „Grenzen“. Die Veranstaltungen des Begleitprogramms finden in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main statt, vgl. vorangegangener Artikel.

 

Im Auftaktgespräch Europa: Außen.Grenzen.Innen am 30. März diskutieren Migrationsforscher Mark Terkessidis, Karl Kopp (Pro Asyl), Nicole Deitelhoff („Normative Orders“) und Ralph Bollmann (FAZ) die Bedeutung europäischer Grenzmechanismen. Der interdisziplinäre Kongress LICHTER AGORA am 1. April steht unter dem Motto „Grenzen Unlimited“. In einem Staffelgespräch untersuchen Wissenschaftler, Praktiker und Publikum gesellschaftliche Abgrenzungserfahrungen, politische Grenzziehungen, Grenzen des Wachstums und den grenzenlosen Raum des Internets. Fortsetzung folgt

 

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