Im Gespräch mit Semiya Simsek über die Verfilmung ihres Buches
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Semiya Simsek (31) lebt seit drei Jahren mit ihrem türkischen Mann, einem Journalisten, und dem dreijährigen Sohn in der Türkei, obwohl sie sich immer noch als Deutsche fühlt. Sie hat keine Pläne für die Zukunft, das Leben in ?arkikaraa?aç gefällt ihr, sie arbeitet dort als Sozialpädagogin und das Land ist ihr zur zweiten Heimat geworden.
Gerne kommt sie mitunter nach Deutschland und besucht alte Freundinnen in Schlüchtern oder die in Friedberg lebende Familie.
Hat es Sie gefreut, dass die „Schmerzliche Heimat“ verfilmt wurde?
Insgeheim hatte ich das immer gehofft. Durch einen Film, der ja auch im Fernsehen läuft, kann man noch mehr Leuten zeigen, was hier Schlimmes passiert ist und wie unsere Familie, die Familien aller Ermordeten, behandelt wurden. Wir durften ja nicht Opfer sein und trauern, manchmal haben wir sogar gezweifelt, ob an den Verdächtigungen der Polizei nicht doch etwas dran ist.
Sind Sie von der ARD in die Filmarbeiten eingebunden worden?
Ja sehr stark! Das fing mit der Drehbuchautorin Laila Stieler an, die hat mich in der Türkei einige Tage lang besucht und mein Leben kennengelernt. Laila kannte natürlich mein Buch, also meine Geschichte sehr gut, sie hat aber trotzdem noch sehr viel mit mir gesprochen. Wir haben dann oft miteinander telefoniert und sind Freundinnen geworden. Züli Aladag, der deutsch-türkische Regisseur, hat sich intensiv in mich und die Situation meiner Familie eingefühlt. Er war mächtig mit dem Drehbuch identifiziert und wollte den Film unbedingt machen. Wir haben eigentlich gemeinsam fast jedes Detail besprochen.
Es wurde auch bei Ihnen in der Türkei gedreht?
Ja, dadurch wird der Film sehr echt, finde ich, denn meine Erfahrungen im Buch waren ja auch authentisch. Es wurde in unserem Haus gedreht und die Komparsen bei der Beerdigung oder in anderen Situationen kamen aus unserem Dorf.
Zum Beispiel gab es den Wechsel der Kommissare tatsächlich, sie hatten natürlich andere Namen. Der neue Kommissar Bronner, den Tom Schilling spielt, der war wirklich fix und fertig, als sich seine Vermutung bestätigte, dass die Mörder Rechtsradikale waren.
Wie war das, sich selbst als eine andere auf der Leinwand zu erleben?
Die Schauspielerin Almila Bagriacik war sehr sensibel, sie hat ebenfalls viel mit mir geredet, sich in mich eingefühlt und war stark mit ihrer Rolle identifiziert. Manchmal musste sie nach den Dreharbeiten weinen... Also, wir alle haben den Rohschnitt zusammen gesehen, ich war völlig fix und fertig und habe viel geweint. Aber ich bin mit dem Film sehr zufrieden, noch besser kann ich ihn mir überhaupt nicht vorstellen.
Foto: Der Autor und Semiya Simsek © Hanswerner Kruse