Filmreihe zum 100. Jahrestag der Großschlachten des Ersten Weltkriegs und ihrer Filmbilder im Kino des Deutschen Filmmuseums vom Donnerstag, 21. April, bis Dienstag, 13. Dezember 2016

 

Helga Faber

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Verdun, Somme, Skagerrak, Isonzo: Die Ortsnamen stehen für das erbarmungslose Jahr 1916, in dem die Heerführer des Ersten Weltkriegs mit einer bis dato ungekannten Mobilisierung von Menschen und Material an allen Fronten Entscheidungen zu erzwingen suchten. 1916 steht für die verlustreichsten Schlachten, für die "Blutmühlen" an der Westfront. Es steht für das größte Seegefecht des Weltkriegs wie auch für seine erbitterten Gebirgskämpfe.

 

In der Erinnerung an den Krieg nahmen die Großschlachten von 1916 früh eine zentrale Stellung ein. Das manifestiert sich auch im Repertoire bewegter Bilder über den Weltkrieg: Viele der ikonisch gewordenen Filmbilder beziehen sich auf 1916.

 

100 Jahre nach den Ereignissen gibt die vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften an der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut konzipierte Reihe an vier Abenden im Laufe des Jahres 2016 Gelegenheit, ausgewählte Werke von Filmschaffenden aus jener Generation in den Blick zu nehmen, die 1916 selbst erlebt hat.

 

Jeder Film thematisiert ein Ereignis von 1916 und wird jeweils von einem Kurzfilm aus dem Kriegsjahr begleitet, der einen Eindruck davon gibt, was für Bilder der Kämpfe das damalige Kinopublikum zu sehen bekam. Die Kurzfilme wurden vom Deutschen Filminstitut und europäischen Partnerarchiven im Filmdigitalisierungsprojekt EFG1914 digitalisiert und erstmals im Internet zugänglich gemacht.

Zur Kontextualisierung der Filme wird jeder Abend mit zwei kurzen Fachvorträgen eingeführt, einem historischen und einem filmhistorischen.

 

Donnerstag, 21. April, 20 Uhr

ERÖFFNUNG UND EMPFANG UM 19 UHR

VERDUN, VISIONS D'HISTOIRE

Frankreich 1928. R: Léon Poirier. D: Albert Préjean, Jeanne Marie-Laurent, Suzanne Bianchetti. 151 Min. DCP. Restaurierte Musikfassung mit der Originalmusik, franz. Zwischentitel mit engl. Untertiteln

 

Als Vorläufer des Doku-Dramas zählt Léon Poiriers lange verschollener Semidokumentarfilm über die Schlacht von Verdun heute fast schon zu den kanonischen Werken unter den Weltkriegsfilmen. Anlässlich des zehnten Jahrestags des Waffenstillstands von Compiègne wollte Poirier ein pazifistisches Signal setzen, zumal das Kino den Krieg bis dahin auffallend selten thematisiert hatte. Um den größtmöglichen Authentizitätseffekt zu erzielen, ließ der Regisseur die Kämpfe an Originalschauplätzen durch Veteranen nachstellen und montierte die so entstandenen Aufnahmen mit Archivmaterial. Zur Dramatisierung des Geschehens und zur Universalisierung der Botschaft treten fiktionale Figuren auf, die jeweils symbolisch für größere Akteursgruppen stehen.

 

Wie eindrucksvoll Poirier der angestrebte Eindruck von Echtheit gelang, wird durch den Umstand erhellt, dass manche Fragmente und Standfotos lange für Originaldokumente aus dem Krieg gehalten wurden, bis die Wiederentdeckung des Films 2006 ihre tatsächliche Herkunft enthüllte.

 

Vorfilm: GUERRE 1914-15-16. LE PRÉSIDENT DE LA RÉPUBLIQUE… FR 1916. 8 Min.

Einführungen: Steffen Bruendel (Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt), Vinzenz Hediger (Professur für Filmwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt)

 

 

Dienstag, 5. Juli, 20 Uhr

THE BATTLE OF THE SOMME

Großbritannien 1916. R: Geoffrey Malins. Dokumentarfilm. 74 Min. DCP. Restaurierte Fassung mit Orchestermusik komponiert von Laura Rossi

 

Das britische Kriegsministerium hatte Filmaufnahmen im Kampfgebiet generell untersagt, bis es 1916 aus propagandistischen Erwägungen die Entsendung zweier Kameramänner an die Westfront zuließ. Im Juni und Juli filmten diese die Vorbereitungen und ersten Kampfhandlungen der britisch-französischen Großoffensive an der Somme. Aus den Aufnahmen entstand - unter Beimischung nachgestellter Szenen - der erste dokumentarische Langfilm der Geschichte. In seiner Darstellung von Verwundeten und Toten verschob der Film die Grenzen dessen, was für die Leinwand als akzeptabel galt. Obwohl oder gerade weil die bis dato ungekannte Direktheit des Films das zeitgenössische Publikum schockierte, avancierte THE BATTLE OF THE SOMME zum ersten Kassenschlager der filmischen Auseinandersetzung mit Krieg - nicht nur in Großbritannien, sondern auch in verbündeten und neutralen Ländern.

 

Vorfilm: SUR LE FRONT DE LA SOMME FR 1916. 5 Min.

Einführungen: Monika Dommann (Historisches Seminar, Universität Zürich), Marli Feldvoß (Publizistin und Filmkritikerin, Frankfurt)

Der Eintritt ist frei.

 

 

Donnerstag, 13. Oktober, 20 Uhr

DIE VERSUNKENE FLOTTE/WHEN FLEET MEETS FLEET

Deutschland/Großbritannien 1926/1927. R: Manfred Noa, Graham Hewett

D: Bernhard Goetzke, Agnes Esterhazy, Nils Asther. 97 Min. 35mm. engl. Fassung.

 

Die Ikonografie des Weltkriegs wird von Bildern seiner Materialschlachten zu Lande dominiert. Nur wenige Spielfilme thematisieren seine maritimen Schauplätze, DIE VERSUNKENE FLOTTE war der erste. Basierend auf einem Roman des früheren Marineoffiziers Helmut Lorenz, der dem Film auch als historischer Berater zur Seite stand, wurden, wie bei manch anderen Spielfilmen der 1920er Jahre, verschiedene Versionen für verschiedene Länder hergestellt. Erhalten ist einzig eine Kopie für den britischen Markt, die einige Aspekte der Romanvorlage im Hinblick auf die angenommenen Erwartungen des dortigen Publikums variiert.

 

Eine komplexe Erzählung über die Möglichkeiten von Freundschaft unter Offizieren der deutschen und britischen Marine, über die Treue von Soldatenfrauen und über Schiffskameraden als Nebenbuhler gibt dem Film einen melodramatischen Handlungsrahmen. Die Schicksale der Figuren sind unausweichlich mit den Wendungen des Seekriegs verwoben, unter denen die Skagerrakschlacht als inszenatorischer Höhepunkt heraussticht. In Nebenrollen sind unter anderem Hans Albers und Heinrich George in der Frühphase ihrer Filmkarrieren zu sehen.

 

Vorfilm: HOME ON LEAVE GB 1916, 7 Min.

Einführungen: Kai Nowak (Historisches Institut, Justus-Liebig-Universität Gießen), Philipp Stiasny (Cinegraph Babelsberg, Filmuniversität Potsdam)

 

 

Dienstag, 13.Dezember, 20 Uhr

BERGE IN FLAMMEN

Deutschland 1931. R: Karl Hartl, Luis Trenker. D: Luis Trenker, Lissy Arna, Claus Clausen. 109 Min. 35mm

 

In der Verfilmung seines gleichnamigen Romans verband Luis Trenker erstmals den Kriegsfilm mit dem Bergfilm, einem seinerzeit ebenfalls noch jungen Genre. An die Seite der neuzeitlichen Bedrohung des mechanisierten Kriegs tritt die überzeitliche Bedrohung der Naturgewalten. Die so situierte Handlung folgt einer simplen Grundidee: Der Beginn der Kämpfe in den Alpen macht aus zwei befreundeten Bergsteigern unversehens Feinde, weil der eine Österreicher ist und der andere Italiener. Indem der Italiener mit seinen Leuten die Sprengung der Gipfelstellung vorbereitet, die der Österreicher mit seinen Leuten hält, droht nicht nur der Hauptfigur, sondern auch der majestätisch-erhabenen Landschaft die Vernichtung.

 

Schließlich erweist sich das Verbindende der Freundschaft - in Trenkers Worten: der Bergkameradschaft - als stärker als das Trennende des Kriegs. In seiner Anlage verbindet der Film das Motiv der nationalen Heldenbewährung mit dem der Verbrüderung und Versöhnung. Nach der Fertigstellung von Berge in Flammen - der in einer deutschen und einer französischen Version zugleich gedreht wurde - realisierte Trenker eine zweite Verfilmung des Romans durch Universal Pictures, um auch den US-amerikanischen Markt für das Genre des Bergfilms zu erschließen.

 

Vorfilm: LA GUERRA D'ITALIA A 3000 METRRI SULL'ADAMELLO IT 1916. 12 Min.

Einführungen: Peter Hoeres (Institut für Geschichte, Universität Würzburg), Rembert Hüser (Medienwissenschaft, Goethe-Universität)