Festivalstart am 20. April: vom Genrekino bis zu menschenrechtlichem Engagement
Romana Reich
Wiesbaden (Weltexpresso) - Bei seiner 16. Ausgabe rückt goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films (20. bis 26. April) zentrale gesellschaftspolitische Fragen in den Fokus. Zu sehen sind die besten aktuellen Filmproduktionen aus Mittel- und Osteuropa, insgesamt zeigt das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete Festival in Wiesbaden mehr als 100 Filme aus 25 Ländern, darunter eine Welt-, zwei internationale und 21 Deutschlandpremieren, teilte Festivalleiterin Gaby Babic auf der Pressekonferenz am heutigen Donnerstag in der Caligari FilmBühne mit.
Diese freute sich außerdem darüber, den Start eines neuen Nachwuchsprojekts ankündigen zu können.
Den Auftakt zur Festivalwoche macht am Mittwoch, 20. April, um 21:30 Uhr in der Caligari FilmBühne der neueste Film von Oscar-Preisträger Danis Tanovic, TOD IN SARAJEVO (BIH, DEU 2016), für den er bei der diesjährigen Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Weltexpresso hatte zur Berlinale eine lobende Rezension veröffentlicht, Link siehe unten. Unser Foto zeigt den Aufstand des dienenden Personals, die streiken, wenn im Hotel die Honoratioren angesagt sind. Sehr witzig das Ganze. Der Film wird in Anwesenheit der Hauptdarstellerin Snežana Vidovic und des Koproduzenten Adis Djapo gezeigt, die sich im Anschluss den Fragen des Publikums und des Filmkritikers Rudolf Worschech (epd Film) stellen.
Auch in diesem Jahr hat sich das Festival viele nicht nur filmisch, sondern auch sozial spannende Themen auf die Agenda geschrieben. Einen Ausblick darauf lieferte Festivalleiterin Gaby Babic auf der Pressekonferenz: "Unser Wettbewerb für Spiel- und Dokumentarfilm wartet mit 16 inhaltlich wie stilistisch vielseitigen und vielversprechenden Produktionen auf. Von packenden Thrillern über schrille Musicals bis zu Kunst-Kino-Stücken ist alles im Programm. Generationenkonflikte fallen als wiederkehrendes Motiv auf. ‚Genrekino Ost' ist einer unserer Schwerpunkte in diesem Jahr und bietet dem hiesigen Publikum die Gelegenheit, sich auf für viele unbekanntes Terrain zu begeben. Auch haben wir uns das Thema gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben, das so genannte Othering. Wir zeigen rund 20 Filme zu diesem Themenfeld und freuen uns sehr, mit der Stiftung ‚Erinnerung, Verantwortung und Zukunft' (EVZ) das Projekt OPPOSE OTHERING! zu starten."
Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts, wies auf die besondere Bedeutung und die politische Notwendigkeit des Festivals hin: "Zur Gründung von goEast bewog uns damals die Idee, ein tieferes Verständnis für die Kultur und Politik der östlichen Nachbarn zu schaffen. Inzwischen vermitteln wir jedoch nicht mehr nur zwischen Osteuropa und einem in Deutschland lebenden Publikum. Vielmehr hat sich das Festival zu einer wichtigen Plattform für alle Kulturen Mittel- und Osteuropas entwickelt, in der gezielt der Dialog gesucht wird. Gerade auch im Hinblick auf sensible Themen wie den anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die - hier wie dort - durch die Migration in den vergangenen Monaten besonders in den Fokus gerückt ist."
Rose-Lore Scholz, die Kulturdezernentin der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, lobte das ambitionierte Programm des Festivals: "goEast überzeugt auch in diesem Jahr nicht nur mit einer vielfältigen Auswahl der besten Filmproduktionen der Region, sondern ebenso durch sein gesellschaftspolitisches Engagement. Kulturelle Kooperationen westlicher, östlicher und arabischer Filmemacher werden angestoßen und Projekte im Bereich menschenrechtlichen Filmemachens gefördert. Filmemacher und Kinobesucher erhalten Gelegenheit zum kulturellen Austausch. Die Landeshauptstadt Wiesbaden fördert dieses Engagement von Anbeginn und wünscht allen Besuchern anregende interkulturelle Begegnungen und Kinogenuss in der Caligari FilmBühne."
Dr. Helmut Müller, Geschäftsführer des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, erklärte: "goEast ist ein innovatives Filmfestival mit tollen Beiträgen. Wie innovativ, das werden die nächsten Tage zeigen. Mit dem Blick in die Zukunft freut sich der Kulturfonds Frankfurt RheinMain gemeinsam mit goEast das East-West Talent Lab zu realisieren. Dieses umfassende Nachwuchsprogramm bietet neben diversen Workshops und Networking-Gelegenheiten jungen Filmemacherinnen und -machern die Möglichkeit, sich mit ihren Arbeiten und Projektideen öffentlich vorzustellen - und das wertvolle Feedback einer namhaft besetzten Jury zu erhalten."
Preise im Gesamtwert von 45.000 Euro
Preise in Höhe von insgesamt 21.500 Euro vergibt eine internationale fünfköpfige Jury beim Wettbewerb für Spiel- und Dokumentarfilm: den Preis für den Besten Film (10.000 Euro), den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden (7.500 Euro) und den Preis des Auswärtigen Amtes für kulturelle Vielfalt (4.000 Euro). Darüber hinaus gibt es den Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI-Preis).
Über Wohl und Wehe der WettbewerbsteilnehmerInnen entscheidet internationale Jury, die Festivalleiterin Gaby Babic bei der Pressekonferenz vorstellte: Vorsitzender ist der slowenische Regisseur und Kameramann Karpo Godina, einer der wichtigsten Vertreter der jugoslawischen Schwarzen Welle, der das goEast Symposium 2013 gewidmet war. Unterstützt wird er von der Filmwissenschaftlerin Ewa Mazierska, dem serbischen Produzenten des goEast 2015-Gewinnerfilms NIEMANDSKIND, Miroslav Mogorovic, dem Berlinale-Shootingstar Tihana Lazovic aus Kroatien und Lenka Tyrpáková, Programmleiterin der Sektion "East of the West" beim Karlovy Vary International Film Festival.
Im Wettbewerb für Experimentalfilm und Videokunst vergibt eine dreiköpfige Jury den Open Frame Award, der mit 5.000 Euro dotiert ist.
Der beste Pitch im Rahmen des East-West Talent Lab wird mit dem goEast Development Award in Höhe von 3.500 Euro ausgezeichnet.
Beim neu gestarteten Nachwuchsprojekt OPPOSE OTHERING! werden die fünf besten Filmideen der teilnehmenden Regieteams mit Produktionspreisgeldern in Höhe von je 3.000 Euro ausgezeichnet.
Die Schwerpunkte der 16. Ausgabe von goEast im Überblick
Das Festival verstärkt sein Engagement im Nachwuchsbereich und bietet zur 16. Festivalausgabe gleich drei Förderprojekte an: Das neu gestartete OPPOSE OTHERING!, Young Filmmakers for Peace und das etablierte East-West Talent Lab. Auch bei der Sektion Beyond Belonging dreht sich alles um Othering: Unter dem Titel "Wir und sie? Vom Anderssein und Andersmachen" beleuchten 20 Filme unterschiedliche Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Polnisches Kultkino bietet das "Porträt" in diesem Jahr: Die Werkschau widmet sich Juliusz Machulski, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent einiger der erfolgreichsten polnischen Produktionen der vergangenen 35 Jahre. Ebenfalls dem Genrekino verschrieben hat sich das "Symposium": Mit dem Titel "Die im Schatten: Verbrechen und andere Alltäglichkeiten im mittel- und osteuropäischen Kriminalfilm ab 1945" widmet sich die Sektion dem in Deutschland so beliebten Genre - nach osteuropäischer Machart - und zeigt hierzulande weitgehend unbekannte Spielarten des Kriminalfilms. Darüber hinaus bietet die Sektion Specials eine umfangreiche Auswahl verschiedener Veranstaltungen, angefangen bei der beliebten Sonntagsmatinee, deren Ehrengast in diesem Jahr der Oscar-prämierte tschechische Regisseur Jiri Menzel ist.
Anlässlich seines 90. Geburtstags zeigt goEast vier Filme von Regie-Altmeister Andrzej Wajda. Vom Fall des inhaftierten ukrainischen Regisseurs Oleg Sentsov und der Situation politischer Gefangener in Russland berichtet die Moskauer Menschenrechtsanwältin Svetlana Sidorkina in einer Solidaritätsveranstaltung. Ein Kinoerlebnis der besonderen Art bietet goEast mit einem Autokino auf dem Dern'schen Gelände.
Info I:
goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom Deutschen Filminstitut veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt: Hauptförderer sind das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Landeshauptstadt Wiesbaden, die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ), der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Robert Bosch Stiftung, ŠKODA AUTO Deutschland, die BHF-BANK-Stiftung, die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst und Kulturpflege, das Auswärtige Amt, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, Krušovice und Renovabis. Medienpartner sind u.a. 3sat, die FAZ, hr-iNFO und sensor.
Info I:
Besprechung von TOD IN SARAJEWO anläßlich der Berlinale
http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6606:smrt-u-sarajevu-tod-in-sarajewo&catid=79:kino&Itemid=471