Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. August 2016, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) -Also, ich kann mir nicht helfen, ich mag diesen Film, ja, ich mochte ihn von der ersten Minute an, als diese eigenartige Pauline bei der Begrüßung ihrer Kundschaft äußert: „Ich bin Animatriste, äh, Animatrice“ - und dann verkleidet als Banane diesen Leuten was fiedelt.
Also wirklich, stellen Sie sich eine fleischgewordene Banane mit gelbem Topfhut vor, auf der Geige ein Geburtstagsständchen bringend für eine Geburtstagsgesellschaft oder irgendeine sonstige Familienfeier, wobei man bei Familien ja weiß, daß alle glücklichen sich gleichen, aber alle unglücklichen auf ihre eigene Art unglücklich sind. So hat es Leo Tolstoi gesehen – und das bekommt auch Pauline mit. Dabei ist sie ja froh, wenn sie fiedeln darf, nur das Verkleiden ist ihr lästig, aber das ist für die Leute der eigentliche Spaß.
Die anderen Nichtigkeiten, die die schwer skurrile und leicht schräge seltsame Pauline tagtäglich macht, um zu leben, zu überleben, sind noch viel trostloser. Denn diese 39jährige glaubt daran, daß man Menschen aufheitern kann, glücklich machen kann, sie will das genau mit ihren schrägen Verkleidungen erreichen. In diesem Film geht es also um ihre Verkleidungsauftritte. Die jedoch bringen einen Mann fast um sein Leben. Sie tritt diesmal im Darth-Vader-Kostüm auf, wieder mal zu spät, im Streß also mit dem Auto zu diesem Kindergeburtstag unterwegs , Streß, weil sie den Weg nicht weißt. Als sie jedoch auf der Fahrt bei einer Müllkippe hält, um einen Mann danach zu fragen, erschreckt der sich vor diesem Weltraumschurken mitten in der Landschaft derart, daß er in den Abfall hineinfällt.
Was tun? Sie wird ja beim Kindergeburtstag erwartet. Sie ruft die Rettung und fährt zu den Kindern, die sich als die Schlaumeier und Welterfahrene gerieren und sie als Dummchen, das ziemlich alt sei und noch nicht einmal einen Freund habe, im Regen stehen lassen. Und die ganze Zeit denkt Pauline ununterbrochen an den gestürzten Mann, der sicher den durch sie verursachten Sturz nicht überlebt hat.
Nein, er ist nicht tot, melden die Nachrichten, er liegt 'nur' im Koma. Und nun beginnt ein Eiertanz, denn sie tritt im Krankenhaus als dessen Cousine auf und spricht mit dem still daliegenden Mann. Sie kommt täglich, denn das hilft ihr und ihrem schlechten Gewissen und sie hat den Eindruck, ihm hilft es auch. Sie überträgt ihre Gefühle und ihre Lebenssituation auf ihn, in den sie sich längst verliebt hat. Doch er ist wesentlich stärker als sie als Musiklehrer eingebunden in eine soziale Gemeinschaft und als sie dort vorbeischaut, bei seiner Schule, wird sie mit einer Bewerberin verwechselt und bekommt prompt die Aushilfsstelle für ihn, der immer noch bewußtlos im Krankenhaus liegt.
Das schafft urkomische Situationen und diese Szenen als Musiklehrerin, in der sie eine mehr und mehr souveräne Art gewinnt und bei den Schülern ankommt, sind herzerwärmend. Und die Art, wie sie in die Rolle des Musiklehrers eintaucht, von seinem Tellerchen ißt, aus seinem Becherchen trinkt und in seinem Bettchen schläft, ist von einer tiefen rührenden Komik – doch sie hat sich wirlklich bei ihm einquartiert. Was sie nun jedoch dadurch über ihr Opfer, den armen Fabrice erfährt, macht ihr schwer zu schaffen. Denn er war miesepetrig, ja schlimmer, schwer depressiv und an Selbstmord interessiert. Doch kommt sie wenig zum Denken, denn sie hat ständig zu tun. Fabrice hat einen Hund, den sie nun versorgt und er hat einen Sohn, den dessen Mutter beim Vater regelmäßig abliefert, der aber doch im Krankenhaus liegt, weshalb Pauline sich nach und nach in ein Lügengebäude verspinnt, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, also besser die Lügen durchhalten. Wir sind längst in diese harmlos-liebe-wirre Filmfigur verschossen, die alle Hände voll damit zu tun hat, ihre Lügengebilden zu entwirren. Wie dies geschieht und warum einem dieser als 'Romantikkommödie' gehandelte Film trotz so vieler Handlungsschwächen ans Herz geht, hat mit der Darstellung dieser Pauline durch Isabelle Carré zu tun. Es gelingt ihr, uns für ihr Seelenleben aufopferungsvoll zu interessieren, wir wollen einfach, daß das was wird, mit dem wiedererwachten Musiklehrer, ihrem Opfer, und einem glücklichen Leben für diese Pauline, die so skurril durchs Leben wandelt, daß sie uns rührt.