Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. August 2016, Teil 5
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Der alte spanische Olivenhainbesitzer Ramón trauert um seinen über tausendjährigen Lieblingsbaum. Gegen seinen Willen haben seine Kinder das Prachtexemplar aus langem Familienbesitz vor Jahren an eine deutsche Firma verkauft. Als es dem altersschwachen Mann immer schlechter geht, fasst seine Enkelin Alma, die an nichts so sehr hängt wie an dem Großvater und dem Baum, einen waghalsigen Entschluss.
Sie will die Pflanze, die mittlerweile einem Düsseldorfer Energieunternehmen gehört und in dessen gesichtslosen Unternehmensbau unter Glas das leben verkörpern soll, wieder nach Spanien zurückholen. Zusammen mit einem Onkel und einem Freund macht sie sich in einem Lastwagen auf die Reise.
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise schildert die spanische Regisseurin Icíar Bollaín die Misere ihres Landes, das vor den Trümmern eines schonungslosen Ausverkaufs seines einst kulturellen reichen Naturerbes steht. In der Region Bajo Maestrazgo, wo die Geschichte spielt, wurden in den vergangenen Jahren unzählige uralte Olivenbäume ausgegraben und nach Nordeuropa verschickt.
Exemplarisch an einer gespaltenen Familie zeigt der Film berührend die damit einhergehenden Befindlichkeiten der spanischen Gesellschaft zwischen Aggressionen, Schuldgefühlen, Hilflosigkeit und verzweifeltem Aktionismus. Wie der prächtige Baumriese, in dessen Ästen Alma einst in unbeschwerten Kindheitstagen mit dem Großvater umherwanderte, eines Tages seinen Wurzeln entrissen wird, vermittelt sich in Rückblenden kontrastreich mit stimmungsreichen Klängen. So wie die Protagonistin mit einer symbolischen Freiheitsstatue im Gepäck durch Europa fährt, prägen die Geschichte bei allem Sozialrealismus aber auch märchenhafte Züge.
Mit seiner berührenden Geschichte über eine fatale, irreversible Entscheidung sensibilisiert El Olivo für die vielfach unterschätzte Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, über die sich wirtschaftliche Interessen oft rigoros hinwegsetzen. Der Großvater und seine Enkelin, die den Baum an seinem Ursprungsort liebevoll gepflegt und von ihm große Lebensfreude bezogen haben, illustrieren das beispielhaft überzeugend. Unweigerlich regt der Film auch zur kritischen Reflektion über die Motive der Unternehmen an, die ihre Gebäude mit den Prachtexemplaren schmücken wollen und den Pflanzen damit komplizierte Transfers zumuten, die viele nicht überstehen. Überlegungen zu alternativen, erfolgreicheren Auswegen aus dem Dilemma bieten darüber hinaus ebenso Diskussionsstoff wie die von Alma betriebene schreckliche Massenhaltung von Hühnern, zu der der Film leider eine kritische Distanz vermissen lässt.