Jüdisches Filmfest Frankfurt 2016 vom   4.9. – 11.9.2016, Teil 2

Helga Faber

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wir können nicht für alle Filme die Garantie für ein tolles Filmerlebnis übernehmen. Aber zumindest zwei sind aus unterschiedlichen Gründen erstaunlich. Der eine Film wird erst im November in Deutschland anlaufen und ist gewissermaßen eine Literaturverfilmung, der andere handelt auf unnachahmliche Weise von der Zeit vor dem eigenen Sterben und dem der anderen. Und wer den Zuschauer dabei zum Lachen bringt, der hat etwas zu bieten.

Alf Mentzer von hr2-kultur spricht mit Fania Oz-Salzberger, der Tochter des israelischen Schriftstellers Amos Oz, über den Film „EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND FINSTERNIS“. Dieser Film beruht auf den gleichnamigen Memoiren ihres Vaters. Die Geschichte behandelt die Kindheit von Amos Klausner im Jerusalem der britischen Mandatszeit, die Gründung des Staates Israel, seine Zeit im Kibbuz Hulda und die Familiengeschichte der Vorfahren von Amos im Vorkriegseuropa. Der Film wird am Eröffnungstag im Deutschen Filmmuseum um 20.30 gezeigt und das ist deshalb so bemerkenswert, weil dieser Film einmal erst am 3. November in den deutschen Kinos anläuft und weil der Filmverleih - hier Koch Films -  für den 8. September groß nach München zu einer Sondervorführung von Natalie Portmanns Regiedebut gebeten hat. Da liegt Frankfurt näher und kommt zuerst.

Aber zuallererst kam Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier. Denn der stellte den klugen und vielschichtigen Film über die frühen Jahre des  israelischen Schriftstellers Amos Oz persönlich beim diesjährigen Jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg (JFBB) dem Premierenpublikum vor. Was weiß man jetzt schon über den Film, ob man das Buch gelesen hat oder nicht.  Natalie Portmans Regiedebut EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND FINSTERNIS (A TALE OF LOVE AND DARKNESS) in Deutschland, weist den israelisch-US-amerikanische Hollywoodstar auch als drehbuchschreiberin aus und sie spielt auch noch die weibliche Hauptrolle. Natalie Portman brilliert als Amos‘ Mutter Fania, die an der desillusionierenden Wirklichkeit in ihrer neuen Heimat zerbricht: EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND FINSTERNIS erzählt bewegend von einem Jungen, der viel zu schnell erwachsen werden muss, von großen Träumen und Enttäuschung, von Ende und Neuanfang. Und davon, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Wir haben nur gehört, daß Natalie Portman in ihrer ergreifenden Verfilmung von Motiven aus Amos Oz' autobiografischen Roman  als Fania zu Herzen gehe. Die Tochter eines Israelis und einer Amerikanerin lebte bis zu ihrem dritten Lebensjahr in Israel und kehrte später für ein halbes Jahr dorthin zurück, um ihr Psychologiestudium abzuschließen. Die Entdeckung Amir Tessler beeindruckt als Amos, der bekannte israelische Musiker Gilad Kahana überzeugt als Amos' pragmatischer Vater in seiner ersten Kinorolle. Für die poetischen Bilder, die nicht nur das Jerusalem der 1940er-Jahre lebendig werden lassen, sondern auch die Erzählungen von Amos' Mutter, zeichnet der Oscar®-nominierte Kameramann Slawomir Idziak („Die Vermessung der Welt“, „Harry Potter und der Orden des Phönix“) verantwortlich. Zum Produzententeam um Star Natalie Portman zählen Ram Bergman, David Mandil, Nicolas Chartier („Dallas Buyers Club“, Oscar® für „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“) und Allison Shearmur, die Blockbuster wie die „Die Tribute von Panem“-Reihe in die Kinos brachte.

 Ein Meinungsaustausch erfolgt zum Film „LEMALE ET HA´HALAL – AN IHRER STELLE“. Ein Film, der  Einblicke gibt in ein jüdisch-orthodoxes Umfeld in Israel.  Bärbel Schäfer, Autorin, Journalistin und Moderatorin von hr3 unterhält sich mit zwei Frauen zu dem Thema „Eltern vermitteln die Heirat“. Die Regisseurin Rama Burshtein sagt zu dem Film: „Sie wolle mit ihrem Spielfilmdebüt den Menschen draußen ein Fenster in die abgeschottete chassidische Welt öffnen, die selbst für viele modern lebenden Israelis fremd ist“.

Auch die Regisseurin des Films „SIMON SAGT AUF WIEDERSEHEN ZU SEINER VORHAUT“,  Viviane Andereggen´, kann begrüßt werden.  Dies ist die Geschichte eines Jungen kurz vor der Pubertät, dessen Leben gewaltig aus den Fugen gerät: Simons Eltern leben getrennt und haben völlig unterschiedliche Einstellungen zum Judentum. Der Vater besinnt sich seines jüdischen Glaubens und möchte, dass der 12-jährige Simon beschnitten wird. Dies ist ein Muß, um ein Bar Mizwah zu sein. Als sich Simon dann noch in eine Rabbinerin verliebt, gerät sein Leben aus den Fugen.

Der  Regisseur der Dokumentation „DER ÜBERSETZER“, Grigory Manyuk erzählt in einem Gespräch mit dem ARD Hörfunk-Journalisten, Jochanan Shelliem, mehr über die Entstehung seines Films und Juri Elperin, der 1917 als Sohn russisch-jüdischer Eltern in der Schweiz geboren wurde. Er verbrachte seine Kindheit in Berlin, Paris und Moskau und  kämpfte als Rotarmist gegen den Faschismus. Nach dem Krieg war er als Deutschdozent tätig und wurde später zum wichtigsten Übersetzer russischer Literatur ins Deutsche.


Das Thema „Sterbehilfe“ behandelt der Film „AM ENDE EIN FEST“. „Kannst du zumindest bestimmen, wann du stirbst?“ Es geht um Trennung. Um Trennung von jemanden, den man liebt. Trennung von sich selbst – wenn der Geist zu versagen beginnt – und um die Trennung vom Leben und dem Recht zu wählen, wie es endet. Es ist einer der erfolgreichsten israelischen Filme der letzten Jahre. Dieser Film schafft mit Leichtigkeit Worte und Bilder zu finden, die sich oft der Darstellung entziehen. Eine wunderbar schelmische Komödie über das Abschiednehmen, die jedem das Herz erleichtern wird. Hierzu diskutieren Avichai Apel, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und der Radiologe Tiberiu Berlad. Es moderiert Julian-Chaim Sousson, ebenfalls Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Und ohne die anderen Filme schon gesehen zu haben, können wir hier doch lauthals sagen, wenn Sie es nur zu einem einzigen Film des Jüdischen Filmfestes schaffen, dann muß es dieser sein! Der Film ist skurril und menschennah, er ist urkomisch und handelt doch vom Tod, da gibt es einen Gott, der aus dem Himmel telefoniert und der Lebensmüden seinen göttlichen Plan enthüllt: sie ist einfach noch nicht dran mit Sterben. Obwohl wir den Film schon zweimal gesehen haben, freuen wir uns auf das dritte Mal am Donnerstag, 8. September im Kino des Deutschen Filmmuseums.


Das Jüdische Museum beteiligt sich mit vier Kurzfilmen, die an Bord des Pop Up Boats, welches sich am Schaumainkai (Eiserner Steg) befindet, gezeigt werden.  Diese Kurzfilme widmen sich dem Reisen und Unterwegssein, dem Überschreiten und Auflösen von Grenzen und Hindernissen.

 

Foto: Natalie Portman in EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND FINSTERNIS

 

Info:
Mehrere der gezeigten Filme liegen nur in der Originalfassung mit deutschen oder englischen Untertiteln vor. Alle Daten unter www. siehe unten.
Die Eröffnung am Sonntag, 4. September, findet im Deutschen Filmmuseum statt und wird von dem Trio „Jazzinette“ musikalisch begleitet.
Weitere Aufführungsorte sind die Kinos Mal Seh‘n, Orfeos Erben, und das Pop up Boat des Jüdischen Museums. Mit dem Abschlußfilm „DAS KONZERT“, der im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum vorgeführt wird, und musikalisch von Mitgliedern des Orchesters „Classic Players“ unter der Leitung von Dmitri Ashkenazi umrahmt wird, endet das Jüdische Filmfest am 11.09.2016.

www.juedischesfilmfestfrankfurt2016.de

 

Bisherige Besprechungen im Weltexpresso:

http://weltexpresso.de/index.php/kino/5609-am-ende-ein-fest

http://weltexpresso.de/index.php/kino/7568-atomic-falafel