Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. September 2016, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Filme über Wein und über Weinlese? Da kennen wir so manche, aber einen so speziellen, in dem es eben nicht um den Wein, sondern um die Lese und die Menschen geht, einen solchen sahen wir noch nie.


Doch, er hat uns gefallen. Irgendwie ein schöner, ein melancholischer Film über die Verschiedenartigkeit von Menschen, aber auch ein Film, der zeigt, wie unterschiedlich das Weinlesen in Deutschland und Frankreich vor sich geht. Oder ist das falsch, daß wir dies Sammelsurium an Männern und Frauen in diesem Film bei den Weinlesen im Rheingau oder in der Pfalz nicht finden? Aber man muß ja gar nicht vergleichen, sondern sich einfach einlassen auf das, was einen Paul Lacoste als Regisseur über TRAUBEN UND MENSCHEN erzählt, bzw. zeigt.

Die Melancholie, die eintritt, hat sicher mit dem Wetter zu tun, das meist schlecht ist, auf jeden Fall ist der Himmel, wenn es nicht regnet, bedeckt und die Sensationen, die sonst die Weinlesen optisch begleiten, wenn die Trauben auf der großen Leinwand einem so in die Augen stechen, daß man sie gleich verschlingen will, all diese schönen Anblicke gibt es nicht, sagt die Erinnerung, die sich an dem Grau und leicht Depressivem festmacht.

Wo wir sind? Unser Schauplatz der Weinlese ist Gaillac, eine kleine Weinregion östlich von Toulouse. Waren Sie schon einmal in Toulouse. Für uns eine der schönsten Städte überhaupt. Mittelalterlich, gotisch, alt, uralt und von einem Flair, das einfach gestrig ist, wo die Welt noch verständlich und auch überschaubar war. Und natürlich findet die Weinlese ab September statt, wobei es für die knapp zwei Monate Weinlese richtige Experten unter der Gruppe von rund 20 Frauen und Männern, eher Ältere, aber auch Junge,  gibt, die sich hier für einige Wochen und geringes Entgelt als Erntehelfer zusammenfinden, was uns der Film erzählt. Wie sie, die zuerst Einzelpersonen sind, die jeder mit Schere und Eimer bewaffnet, zu einer Weinlesegruppe werden und doch jeder für sich seine spezielle Sicht auf die Welt behält und uns zeigt, hat etwas Naives und etwas Philosophisches, weil es einem ewig erscheint, wie die Menschen, seit sie die Reben kultivierten, den Weinanbau und den Weinabbau in der gleichen Weise gestalten.

Und dazwischen ein Gläschen trinken. Uns wird nämlich nicht nur die Arbeit gezeigt, sondern die Weinlesenden erleben wir in den Pause, beim Essen, bei sich zu Hause und natürlich auch beim Abschlußfest, wenn der neue Wein probiert wird. Viel zu wenig ist bekannt, daß sich unser Kulturbegriff aus dem Weinbau ableitet. Denn das Kultivieren der Weinstöcke, das richtige Beschneiden und in Form bringen, das war das A und das O, wenn am Schluß der Traubensaft fließen sollte und im Gärungsprozeß zu Wein wurde. Genau, schon bei den alten Griechen.

Davon haben unsere Weinleser keine Ahnung, denn es geht nicht gelehrt zu, sondern volkstümlich. So heißt es so schön: „Die Protagonisten im Film lesen die Trauben und der Film von Paul Lacoste sammelt die Menschen.“ Die Ruhe, die diese Menschen trotz der Geschäftigkeit und des Klapperns von Scheren und Eimern beim Zuschauer erreichen, ist phänomenal. Denn über allem Tun liegt wirklich so ein Zug von Immerdemgleichen. Nicht langweilig, sondern eher ein wenig meditativ.

So hört man gespannt zu, wenn die einen miteinander reden und andere sehr demonstrativ miteinander schweigen, denn so ein richtiges Gegeneinanderschweigen ist es nicht, eher, daß man sich nichts zu sagen hat. Das gibt es eben auch. Aber bei den Jungen, da ist das Testosteron schon vorhanden, was sich in Kabbeleien und leicht anzüglichen Ansprachen dann schon wieder erschöpft. Denken wir. Auch deshalb, weil wir jeden Abend vom Weinlesen erschöpfte Menschen erleben. Aber dazwischen, des Tags, da sind manche putzmunter und nutzen das Beisammensein für Scherze oder kleine Neckereien, alles sehr spielerisch und aufbauend auf einer Harmonie, die einfach durch die Weinberge den Menschen aufgezwungen wird.

Gar zu gerne hätten wir gleich darauf einen Film über eine hiesige Weinlese gesehen. Wir wetten, da wäre viel von den Gärungsanlagen, den Fässern, den neuesten Techniken und sonst war gekommen. Hier dagegen geht es einfach um das, was seit Jahrtausenden stattfindet: daß sich Menschen versammeln, um ein Geschenk der Natur, das der Mensch veredelt, mit ihren Händen sammeln, um daraus den Nektar für die Götter zu gewinnen.

„Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von dingen reden, die wir gleich versthe'n,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergeh'n.
Ich möchte Weintrinker sein.“
fängt Franz-Josef Degenhardt sein Weintrinkerlied an. Irgendwie glaubt man, er, der im November 2011, also nach der Weinlese des Jahres gestorben ist,  hat diesen Film gesehen, dabei ist ja sein Lied viele Jahrzehnte, ja ein halbes Jahrhundert zuvor entstanden. Sagten wir doch, daß im Wein, in der Weinlese und eben auch in den Filmen darüber etwas Metaphysisches umgeht.