Filmreihe mit Werken des im Juli gestorbenen iranischen Regisseurs bis Freitag, 30. September
Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Als Abbas Kiarostami am 4. Juli in Paris seinem Krebsleiden erlag, wurde die Nachricht in der Welt des Kinos mit großer Trauer aufgenommen. Begonnen hatte der am 22. Juni 1940 in Teheran geborene Regisseur in den 1970er und 80er Jahren mit Kurz- und Dokumentarfilmen, die er für die Filmabteilung der sogenannten Kanun drehte.
Die "Organisation zur Förderung der intellektuellen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen" wurde noch zu Zeiten des Schahs Mitte der 1960er gegründet und überdauerte die Islamische Revolution 1979. Vorher wie nachher gab sie vielen iranischen Filmemachern ein Betätigungsfeld, das ihnen weitgehend unbehelligt von der Zensur ermöglichte, ihre erzählerischen und künstlerischen Fähigkeiten zu entwickeln.
Die Arbeit mit Kindern steht auch im Zentrum von KHANE-YE DOUST KODJAST?, der Ende der 1980er für Kiarostami den internationalen Durchbruch bedeutete. Beeinflusst von Regisseuren wie Robert Bresson, Ozu Yasujiro und Roberto Rossellini, aber auch von der absurden Ironie eines Jacques Tati, widmen sich Kiarostamis Filme universell menschlichen Themen, während sie eher unterschwellig Gesellschaftskritik üben. Das ermöglichte ihm, auch unter wechselnden Regimen im Iran weiterzuarbeiten. Verwurzelt in der persischen Lyrik und Literatur, fließen in seiner poetischen Filmsprache Elemente der abendländischen mit der morgenländischen Kultur zusammen. So erscheint es nur folgerichtig, dass Kiarostami seine letzten Filme nicht mehr im Iran, sondern in Italien und Japan realisierte.
Das Kino des Deutschen Filmmuseums würdigt das außergewöhnliche Filmschaffen von Kiarostami mit einer Hommage, die mit acht Filmen einen Einblick in sein reiches und bereicherndes Lebenswerk gibt.
Freitag, 2. September, 20:30 Uhr
Mittwoch, 7. September, 18 Uhr
KHANE-YE DOUST KO DJAST ? Wo ist das Haus meines Freundes?
Iran 1987. R: Abbas Kiarostami. D: Babek Ahmed Poor, Ahmed Ahmed Poor, Kheda Barech Defai. 83 Min. 35mm. OmU
Ein Schuljunge will einem Kameraden im Nachbardorf ein Schulheft bringen, das er aus Versehen mit nach Hause genommen hat. Weil ihn die Erwachsenen nicht beachten und er das Haus nicht findet, erledigt er die Aufgaben, die sein Freund machen müsste, schließlich selbst, um ihm ernsthafte Konsequenzen in der Schule zu ersparen. Ein Meisterstück des filmischen Minimalismus, das mit dieser Geschichte aus dem Blickwinkel eines Kindes tiefe Einblicke in die Gesellschaft im ländlichen Iran gibt.
Samstag, 3. September, 18 Uhr
Sonntag, 11. Septemebr, 20:30 Uhr (Einführung: Mahsa Saloor)
NEMA-YE NAZDIK Close-Up
Iran 1990. R: Abbas Kiarostami. D: Hossain Sabzian, Abolfazl Ahankhah, Mohsen Makhmalbaf. 98 Min. 35mm. OmeU
Abbas Kiarostami erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte eines mittellosen Filmfanatikers, der sich unter dem Vorwand, er sei der Regisseur Mohsen Makhmalbaf und wolle einen Film über sie machen, bei einer wohlhabenden Familie in Teheran einquartierte. Kiarostami ließ die Beteiligten die Geschehnisse nachspielen, vom zufälligen Treffen über die Entlarvung bis zum Gerichtsprozess. Dabei entstand eine vielschichtige Reflexion über das Filmemachen und eine ebenso berührende wie tragikomische Studie über das (Über-)Leben eines verzweifelten Kreativen.
Samstag, 10. September, 16 Uhr
Donnerstag, 15. September, 18 Uhr
ZENDEGI VA DIGAR HICH Und das Leben geht weiter
Iran 1992. R: Abbas Kiarostami. D: Farhad Kheradmand, Buba Bayour, Hocine Rifahi. 95 Min. 35mm. Omdt/frU
Nach der Erdbebenkatastrophe von 1990, der mehr als 50.000 Menschen zum Opfer fielen, fährt ein Regisseur mit seinem Sohn im Auto durch die verwüstete Berglandschaft. Auf der Suche nach den beiden Kindern, die in KHANE-YE DOUST KODJAST? die Hauptrolle spielten, treffen sie auf viele Opfer des Unglücks. Während der Film mit dokumentarischer Zurückhaltung beginnt, öffnet er sich schließlich einer Hommage an den unbändigen Lebenswillen der Menschen, die sich von ihrem Schicksal nicht aus der Bahn werfen lassen.
Samstag, 10. September, 20:30 Uhr
Samstag, 17. September, 16 Uhr
ZIR-E DARAKHATAN ZEYTUN Quer durch den Olivenhain
Iran/Frankreich 1994. R: Abbas Kiarostami. D: Mohamad Ali Keshavarz, Farhad Kheradmand, Zarifeh Shiva. 103 Min. 35mm. OmU
Ein Filmteam will in einem erdbebenzerstörten Dorf im Nordiran einen Film realisieren. Die Geschichte, die mit Laiendarstellern aus dem Dorf gedreht werden soll, erzählt vom Leben nach der Katastrophe. Im Zentrum steht ein junges Paar, dessen Verbindung wegen der unterschiedlichen sozialen Klasse von den Eltern abgelehnt wird. Darüber hinaus sind offenbar auch zwischen den Darstellern intensive Gefühle im Spiel. Hinter dem raffinierten Film-im-Film-Kunstgriff verbirgt sich ein unprätentiöses Werk von tief empfundener Humanität.
Freitag, 16. September, 18 Uhr
Samstag, 17. September, 20:30 Uhr
TA'M E GUILASS Der Geschmack der Kirsche
Iran/Frankreich 1997. R: Abbas Kiarostami. D: Homayoun Ershadi, Abdolrahman Bagheri, Afshin Khorshid Bakhtiari. 95 Min. 35mm. OmU
In den nördlichen Außenbezirken Teherans sucht ein Mann mittleren Alters nach jemandem, der ihm bei seinem geplanten Suizid behilflich ist. Er trifft auf einen alten Mann, der das Unterfangen einerseits zwar akzeptiert, andererseits aber vorher noch versuchen will, den Lebensmüden von der Schönheit des Daseins zu überzeugen. In bedächtigem Rhythmus entfaltet sich dieses mit der Goldenen Palme von Cannes prämierte Werk. Der Film ist ein nachdrückliches Plädoyer für das Leben und respektiert dennoch die Entscheidungsfreiheit des Menschen.
Sonntag, 18. September, 20:30 Uhr
Dienstag, 27. September, 20:30 Uhr
BAD MA RA KHAHAD BORD Der Wind wird uns tragen
Iran/Frankreich 1999. R: Abbas Kiarostami. D: Behzad Dorani, Noghre Asadi, Roushan Karam Elmi. 118 Min. 35mm. OmU
Ein Fernsehjournalist reist mit seinem Team in ein kurdisches Bergdorf, um dort eine seltene Trauerzeremonie festzuhalten. Doch die alte Frau, die das Team für die Dreharbeiten ins Auge genommen hat, lässt sich mehr Zeit als erwartet mit dem Sterben. Man bekommt sie selbst nie zu Gesicht, jedoch die ein und aus gehenden Verwandten, deren Aktivitäten so gar nicht nach einem nahen Trauerfall aussehen. Aus der absurden Wartesituation entwickelt sich so eine kluge und humorvolle Geschichte, die das Leben und die Langsamkeit preist, die sich gegen die Sensationsgier behaupten.
Sonntag, 25. September, 20:30 Uhr
Donnerstag, 29. September, 18 Uhr
COPIE CONFORME Die Liebesfälscher
Frankreich/Italien 2010. R: Abbas Kiarostami. D: Juliette Binoche, William Shimell, Jean-Claude Carrière. 106 Min. 35mm. OmU
Der erste in Westeuropa gedrehte Film von Kiarostami erzählt die Geschichte eines Mannes und einer Frau, die sich in der Toskana anscheinend zum ersten Mal begegnen. Er ist Engländer und hat ein Buch über Kopie und Original verfasst. Sie ist Französin, Mutter eines Sohnes, und betreibt ein Geschäft für Antiquitäten. Gemeinsam verbringen sie den Nachmittag auf dem Land, besichtigen ein Museum und eine Kirche. Dabei diskutieren sie über den Sinn des Lebens, über die Liebe und die Kunst. Die mit Zwischentönen und Brechungen arbeitende Inszenierung verdichtet sich zu einer mehrdeutigen Reflexion über zwischenmenschliche Beziehungen.
Mittwoch, 28. September, 18 Uhr
Freitag, 30. September, 20:30 Uhr
LIKE SOMEONE IN LOVE
Japan/Frankreich 2012. R: Abbas Kiarostami
D: Rin Takanashi, Tadashi Okuno, Ryo Kase. 109 Min. DCP. OmU
Die Studentin Akiko verdient sich in Tokio nebenbei etwas Geld als Callgirl, was ihr eifersüchtiger Freund niemals erfahren darf. Ein neuer Kunde ist Herr Takashi, ein ehemaliger Soziologieprofessor. Akiko schläft nach der Begrüßung allerdings sofort in seinem Bett ein. Ohnehin verunsichert durch sein Tun, ist der Rentner darüber eher erleichtert, doch fortan ist sein Beschützer- Instinkt geweckt. Kiarostamis letzter Film führt ihn nach Japan und erneut zum Thema Kommunikation, das er mit visueller Eleganz auf verschiedenen Ebenen durchspielt, wobei er schöne, komische und hintergründige Effekte erzielt.
Foto: Abbas Kiarostami (c) dfm
Info:
www.deutsches-filminstitut.de | www.deutsches-filmmuseum.de
www.filmportal.de | www.europeanfilmgateway.eu
SONDERAUSSTELLUNG:
DIE KUNST VON AARDMAN. WALLACE & GROMIT, SHAUN DAS SCHAF & CO
Ausstellung und Begleitprogramm
12. Juni bis 30. Oktober 2016
FESTIVAL:
LUCAS - Internationales Festival für junge Filmfans
Sonntag, 18., bis Sonntag, 25. September