Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. September 2016, Teil 3

 

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Die Beatles gaben vor fünfzig Jahren ihr letztes Live-Konzert, nachdem sie in nur vier Jahren von unbekannten Liverpooler Musikern zu Weltstars wurden. Nun kommt ein Dokumentarfilm über die Beatband in die Kinos, der sich auf ihre Tourjahre von 1962 bis 1966 konzentriert.


Es waren heute unvorstellbar spießige Zeiten in den frühen 1960er-Jahren. Die Beatles waren um die zwanzig und spielten täglich bis zu acht Stunden im Hamburger Star Club: „Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“, hieß es damals.


1962 schaffte es ihre erste Single „Love me do“ in die Hitparaden, dann begann das, was man „Beatlemania“ nannte. Vier Jahre lang kreischten weltweit in immer größeren Konzertsälen (meist) die Mädchen so laut, dass die von den Beatles dargebotenen Songs nicht zu verstehen waren. Sie spielten auf klitzekleinen Anlagen, die heute wohl kein Musiklehrer mehr im Klassenzimmer akzeptieren würde. Monitore gab es nicht, Drummer Ringo erzählt, er habe häufig nach den Bewegungen der Gitarristen getrommelt.


Der Dokumentarfilm zeigt mit sehr viel neuen, aufwändig nachbearbeiteten Amateur- und TV-Aufnahmen die Tourneen der Band mit Backstage-Gesprächen und Interviews. Es fühlt sich im Kino an, als sei man selbst mit den vier Musikern unterwegs gewesen. Regisseur Ron Howard („The Da Vinci Code“) wollte diese „intime Atmosphäre“, vor allem aber wollte er deutlich machen „welchem unfassbaren Irrsinn diese Jungs ausgesetzt waren.“


Den genossen die Beatles kaum, wie ihre damaligen und späteren Aussagen immer wieder  deutlich machten. Sie fühlten sich ausgebrannt und klagten, es ginge überhaupt nicht um ihre Musik. aktuell wurden Ringo Star und Paul Mc Cartney ausgiebig für diesen Film interviewt, auch einige Weggefährten kommen zu Wort. Jedoch die gesellschaftlichen Bedingungen des „Irrsinns“ und Gründe für die Entwicklung der neuen Jugendkultur bleiben im Film äußerst vage, obwohl Howard sie eigentlich deutlich machen wollte.


Aber sensationell und kaum bekannt ist die eindeutig anti-rassistische Haltung der Gruppe während ihrer zweiten USA-Tournee (1964), mitten im Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Inzwischen war der Andrang bei den Auftritten so groß, dass sie in riesigen Konzerthäusern oder Stadien spielen mussten. Die Gruppe weigerte sich, Konzerte in Hallen zu spielen, in denen die damals übliche Rassentrennung herrschte. Paul konnte sich bei den Filmarbeiten zunächst kaum an diese Zeit erinnern, sehr wohl aber schwarze Prominente wie Entertainerin Whoopi Goldberg oder Professorin Kitty Oliver.


„Love me do“, „All my loving“ oder „Don’t let me down“ - aus den vier nacherzählten Tourjahren gibt es viele Beatles Songs in voller Länge. Trotz dieser wunderschönen Songs und der fehlenden Analyse ist diese sehenswerte Zeitreise kein platter Fan-Film.


Im Studio schufen die Musiker bald auf „Rubber Soul“, dann auf „Revolver“ Songs, die mit der damaligen Technik nicht mehr live spielbar waren. Und während beim FC Liverpool alle Fans im Stadion „She loves You“ sangen (nicht grölten), stürmten bei der dritten und letzten USA-Tournee wütende religiöse Fanatiker die Bühnen, es gab Bombendrohungen und Demonstrationen: „Ban the Beatles!“ Der hysterische „Irrsinn“ richtete sich nun - nach über 800 Konzerten in vier Jahren - gegen die Band selbst. Der oberflächliche Grund war John Lennons unbedachte Äußerung, die Beatles seien heute populärer als Jesus. In den folgenden Jahren drückten sich die Musiker bis zur Trennung 1970 nur noch auf ihren Platten aus.

Ceterum censeo: Kein platter Fan-Film, aber auch keine Analyse. Und eine Antwort auf die Frage meiner Eltern vor über 50 Jahren fragten, „Wovon sollen die Beatles denn leben, wenn sie alt sind?“)

 

Foto:  Die Beatles im Cavern Club(c) Studiocanal

Info:
The Beatles - Eight Days A Week. The Touring Years, Dokumentarfilm UK 2016, 110 Minuten,
Regie Ron Howard Filmstart 15. September