Regisseur von  "Das weiße Kaninchen", heute um 20.15 Uhr in der ARD

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - In der ARD/SWR-Produktion „Das weiße Kaninchen“ mit Devid Striesow und Lena Urzendowsky (beim Dreh 15) in den Hauptrollen lieferte Florian Schwarz wieder einmal herausragende Regieleistung. Im Film gerät die 13-jährigen Sara übers Internet als Cybergrooming-Opfer in die Fänge eines jugendlichen Täters und eines erwachsenen Pädophilen.

Der für den Tatort „Im Schmerz geboren“ mit dem Grimmepreis ausgezeichnete Regisseur setzte auf der Basis des Drehbuchs von Lieblingsautor Michael Proehl und Holger-Karsten Schmidt auf das breite Cinemascope-Format und zieht mit sinnlich packenden Szenen ebenso in die plastisch realen Welten der Protagonisten wie auch in die verführerisch surrealen Welten von Onlinespielen und deren Chat-Räumen hinein.

Schwarz empfiehlt den Eltern, sich mit Kindern und Jugendlichen regelmäßig und offen – vor allem vorurteilfrei zu unterhalten. Und damit die Eltern der Kids, die vor dem übers Internet initiierten sexuellen Missbrauch zu schützen sind, als Gesprächspartner auch ernst genommen werden, sollten die selbst mal in die flexibel gestaltbaren Online-Welten eintauchen und hautnah mitbekommen, welche Regeln gelten und welche besonderen Gefahren dort lauern. Der Prozess, da durchzublicken und die Funktions- und Kommunikationsmuster zu verinnerlichen, braucht viel Zeit und Engagement. Doch zum Wohl all der zu  schuützenden Kinder, wäre ein solcher Einsatz sehr zu begrüßen.



Elke Eich: Cybergrooming ist ein Phänomen unserer Zeit und hat extrem hohe Steigerungsraten.


Florian Schwarz:  Dadurch, dass es jetzt diese technischen Instrumente im Internet gibt, auch die der einfachen Aufnahme und der Verbreitung, werden eben auch schlafende Bedürfnisse mitunter erst geweckt.
Oft legen ja technische Innovationen auch Bedürfnisse frei und werden in jeglicher Weise, und eben auch kriminell, genutzt.



Sie sind selbst Vater und wissen, wie es um elterliche Schützerinstinkte bestellt ist. Was würden Sie Eltern gerne bei diesem Thema mit auf den Weg geben?


Florian Schwarz: Empfehlen würde ich, erst mal ein völlig vorwurfsfreies Gesprächsklima zu schaffen. Gerade bei Cybergrooming kommen Eltern sicher schnell in eine Vorwurfshaltung, wenn z.B. schon mal vom Kind ein freizügiges Foto geschickt wurde. Dann heißt es spontan: Wie konntest Du so eine Dummheit begehen? oder Wie kann man sich nur so preisgeben?



Das Thema des Umgangs mit der Problematik seitens der Eltern spielt auch in Ihrem Film eine Rolle.


Florian Schwarz: Im Film sieht man ja, dass Sara sehr liebevolle und bemühte Eltern hat. Und das war uns wichtig. Trotzdem treffen auch diese liebevollen Eltern gerade nicht den richtigen Ton im Umgang mit ihrer Tochter. Das macht es natürlich gewissermaßen noch tragischer und schwerer.

Wichtig ist aus meiner Sicht ein regelmäßiger Austausch. Das hilft enorm! Außerdem ist wichtig, sich als Eltern selbst intensiv zu informieren, einen persönlichen Eindruck von diesen Online-Welten zu bekommen, in denen sich ihre Kinder bewegen.
Vor der Recherche zu diesem Film war mir beispielsweise selbst auch nicht so ganz klar, dass diese Online-Spiele alle auch eine Chatfunktion haben.
Eltern sollten einen guten Wissensstand haben, um vom Kinder überhaupt ernst genommen zu werden. Das muss man sich natürlich erarbeiten und ist nicht schnell mal in einigen Minuten beim Besuch bzw. der Sichtung eines Onlinespiels erledigt.



Gibt es da exemplarisch etwas, was sie Eltern empfehlen würden, um einen plastischen Eindruck von der Funktionsweise und den Dimensionen solcher Spiele zu bekommen?

Florian Schwarz: Es gibt da z.B. eine sehr komplexe Online-Welt: Dort werden Wohnungen eingerichtet, man kann Avatare kaufen, es gibt eine fiktive Währung und die Spieler haben dort Begegnungen.



Das in Ihrem Film erscheinende Spiel ist sicherlich kein real existierendes!


Florian Schwarz: Für unseren Film haben wir etwas Eigenes kreiert, eine eigene, komplexe Spielwelt, angelehnt an den klassischen Aufbau vorhandener Spiel-Plattformen, in einem Mix von Spiel und Chat.



Was konnten Sie mit dem besonderen Cinemascope-Format bei diesem Thema erreichen?

Florian Schwarz: Das Cinemascope-Format geht ja sehr in die Breite. Das hat mich bei diesem Film besonders interessiert, weil ich beiläufig auch die Umgebung mit erzählen wollte. In diesem Format kann ich viel eleganter mit erzählen, in welchen Räumen sich die Figuren bewegen und was das für eine Bedeutung hat. Zum Beispiel lassen wir die Räumlichkeit des Hauses von Simon Keller wirken, das ja extrem transparent mit seinen Glasfassaden ist, so dass man gar nicht auf die Idee kommen würde, der könnte etwas zu verbergen haben. Im Zuhause von Sara war uns wichtig, eine heimelige Atmosphäre herzustellen.
Unabhängig von all diesen Überlegungen, macht Cinemascope einfach auch viel Spaß und bringt viel größere Plastizität in der Darstellungsmöglichkeiten. Es hat eben mehr von Kino.



Um auf die Hauptdarstellerin Lena Urzendowsky zu kommen: Sie war beim Dreh erst 15 und spielt eine 13-Jährige. Wie fiel Ihre Wahl gerade auf Lena?


Florian Schwarz: Wir haben ja sehr viele junge Schauspielerinnen gecastet, die auch älter waren. Das ist ja auch hinsichtlich der Dreharbeiten von Vorteil, weil man mit Beteiligten unter 16 mehr Einschränkungen bei den Drehzeiten hat. Und als Lena dann zum Casting kam, waren wir alle sehr beeindruckt. Neben ihrer Fantasie und ihrer Offenheit, war sie unglaublich klar und begeistert. Anhand der beiden Casting-Szenen hatte sie sich im Vorfeld schon ein unheimlich differenziertes Bild von der Figur der Sara erarbeitet.

Vor allem hat mich ja Lenas Talent begeistert und ihr klarer Zugang zur Figur. Dass sie auch noch die mentale Reife besaß, mit dieser schwierigen Rolle auch gut umzugehen und sie vor allem nach dem Dreh auch abzuschütteln, kam dann auch noch dazu.

Sie ist ja keine süßliche Schönheit, hat viel Temperament und begeistert ungemein mit ihrer kraftvollen Ausstrahlung, gerade wenn sie strahlt.
Florian Schwarz: Genau. Sie hat etwas sehr Ernsthaftes und Konzentriertes, auch im Spiel, ist sehr wach und aufgeweckt und hat etwas enorm Einnehmendes, wenn sie so strahlt


Und wie kamen Sie auf Shenja Lacher für die Rolle des hartnäckig recherchierenden Polizisten?


Florian Schwarz: Shenja ist einfach ein großartiger und eindringlicher Schauspieler. Und das war jetzt nach „Im Schmerz geboren“ die zweite Zusammenarbeit.



Was zeichnet eigentlih Ihre intensive und gute Zusammenarbeit mit ihrem Freund Michael Proehl aus, der auch hier, dieses Mal gemeinsam mit Holger-Karsten Schmidt, wieder das Drehbuch geschrieben hat?


Florian Schwarz: Wir verstehen uns einfach sehr gut, schon seit Filmhochschulzeiten und haben eine unheimlich große Schnittmenge an Filmen, die wir beide mögen. Michael und ich haben einen gemeinsamen Interessensschatz und haben vor allem auch beide ein großes Interesse an verschiedenen Erzähltechniken und experimentieren gerne.

Beim Tatort „Im Schmerz geboren“ wurde z.B. die Erzählweise aus dem Off gewählt, was gut funktionierte. Und in „Das Weiße Kaninchen“ taucht die Polizei erst sehr weit „hinten“ im Film auf, was für eine solche Geschichte eher ungewöhnlich ist.


Foto: Kevin (Louis Hofmann), Regisseur Florian Schwarz, Nadine (Greta Bohacek), Kameramann Philipp Sichler und Simon Keller (Devid Striesow) (c) ARD

Info: Am heutigen Mittwoch, 28. September um 20.15 im Ersten Programm

Danach ist der Film in der Mediathek von „Das Erste“ abrufbar.