Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2016, Teil 6
Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (WEltexpresso) - Mit geheimnisvollen und zuweilen unerwarteten Wendungen in seinen Filmerzählungen hat sich der französische Regisseur François Ozon einen Namen gemacht. „Jeune et jolie“ (Jung und schön, 2013) oder „Une nouvelle amie“ (Eine neue Freundin, 2015) sind neuere Beispiele. „Tropfen auf heisse Steine“, die Adaption eines Theaterstücks von Rainer Werner Fassbinder, wurde schon 2000 auf dem Filmfest Berlin mit einem „Teddy“ ausgezeichnet.
Für seinen neuen Film „Frantz“ nahm Ozon sich wiederum ein Theaterstück als Vorlage. Das von Maurice Rostand für die Bühne geschriebene und 1931 von Ernst Lubitsch verfilmte Stück „Broken Lullaby“ verlegte Ozon in die Zeit nach dem 1. Weltkrieg.
Anna (Paula Beer) hat ihren Verlobten Frantz Hoffmeister (Anton van Lucke) im Krieg verloren und wohnt jetzt bei den Schwiegereltern in Quedlinburg. Eines Tages taucht ein junger Franzose am Grab des Gefallenen auf. Anna erfährt, dass er ein Freund von Frantz gewesen ist. Die Familie lädt ihn ein und freut sich, mehr über die letzten Tage des Verstorbenen zu hören. Zwischen Franzosen und Deutschen herrscht derweil grosses Ressentiment. Der Franzose Adrien (Pierre Niney) hat nicht ganz die Wahrheit erzählt, was er der ihm zugeneigten Anna eines Tages gesteht. Diese beschliesst, ihre Schwiegereltern nicht mit den Tatsachen zu konfrontieren und wird somit selbst Teil eines Gewebes aus Lügen und Beschönigungen. Eines Tages reist Adrien wieder ab. Die besorgte Schwiegermutter (Marie Gruber) rät Anna, nach Paris zu reisen, um Adrien zu suchen. Sie macht ihn fern der Hauptstadt auf dem Landsitz seiner Eltern bei Saulieu ausfindig, wo sie aber erfahren muss, dass seine Ehe mit der Jugendfreundin Fanny (Alice de Lencquesaing) bereits beschlossen war, als Adrien nach Quedlinburg kam. Anna entscheidet sich, in Paris zu bleiben und berichtet in ihrem letzten Brief von einem glücklichen Wiedersehen mit Adrien.
Ozon schildert die Geschichte von Trauer und Versöhnung und zwischenmenschlichen Verstrickungen in perfekt inszenierten Schwarzweissbildern, die immer wieder mit Einlässen in Farbe ergänzt werden. Zwar sollen diese Erinnerungen oder erfundene Wirklichkeiten anzeigen - sie machen aber eine Unterscheidung zwischen realer Handlung und Illusion nicht einfacher.
Man kann sich an Paula Beer halten, die in der Rolle der Anna ruhig und zurückgenommen durch die Handlung führt und in ihrer sanften Beharrlichkeit zeigt, wie man auch dann nicht aufgeben muss, wenn das erhoffte Glück sich nicht einstellt. Schon 2015 überzeugte die junge Schauspielerin in dem Drama „Vier Könige“ unter der Regie von Theresa van Eltz. Sie könnte eine echte Entdeckung werden. Auf dem diesjährigen Filmfest in Venedig bestätigte sich dies schon mit der Auszeichnung als Beste Nachwuchsschauspielerin. Als ebenso vielversprechend gilt Pierre Niney in der Rolle des Adrien. Er war 2015 für seine Titelrolle in „Yves Saint Laurent“ (Regie: Jalil Lespert) mit dem César als Bester Hauptdarsteller geehrt worden.
Vor der Kulisse sorgfältig ausgewählter Drehorte in Quedlinburg, Wernigerode und Görlitz, für die der Szenenbildner Michel Barhélémy verantwortlich zeichnet, lassen Ernst Stötzner und Maria Gruber als Ehepaar Hoffmeister die Zeit zu Beginn des letzten Jahrhunderts wiederaufleben. Ernst Stötzner gibt den patriarchalisch-strengen Hoffmeister als einen von fortschrittlichem liberalen Denken geleiteten Mann. In einer Zeit antifranzösischer Ressentiments ist er um die Freundschaft zwischen beiden Ländern bemüht - eine Geisteshaltung, die, entgegen nationaler Gesinnungen, wie sie zum Beispiel Kreutz (Johann von Bülow) verkörpert, eine Annäherung zwischen Franzosen und Deutschen nach dem Grossen Krieg wieder möglich machte.
Aspekte wie diese thematisiert Ozon bewusst. Es geht ihm um die Sicht der Dinge seitens der Trauernden und der (Kriegs-)Verlierer. Ansonsten lässt die perfekte ästhetische Inszenierung wenig Spielraum für Emotionen. Auf der 73. Mostra Internazionale d‘Arte Cinematografica in Venedig hatte die deutsch-französische Koproduktion am 3. September Premiere.
Info:
Frantz, Frankreich, 2016
Drama
Regie und Drehbuch: François Ozon
Darsteller: Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner, Marie Gruber u.a.
Kamera: Pascal Marti
Szenenbild: Michel Barthélémy
Musik: Philippe Rombi
Produktion: Stefan Arndt und Uwe Schrott, X-Film Creative Pool
Länge: 113 Minuten