Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. September 2016, Teil  5

Hannah Wölfel

Für ihre Rolle in dem Film „Frantz“ bekam Paula Beer (21) vor kurzem den Löwen in Venedig. Sie spielt die traurige Verlobte eines gefallenen Soldaten, die langsam wieder neue Lebensfreude entwickelt. Der großartige Film „Frantz“ kommt in die Kinos

 

Düster gekleidet legt Anna (Paula Beer) jeden Tag Blumen auf das Grab ihres im Krieg gestorbenen Verlobten Frantz. Eines Tages beobachtet sie einen seltsamen Fremden, der am Grab weinend eine Rose ablegt. Dieser melancholische Adrien (Pierre Niney) will auch Frantz’ Familie besuchen, wird aber als „französischer Erzfeind“ vom Vater (Ernst Stötzner) rausgeschmissen. Anna dagegen sucht den Kontakt zu Adrien, der sich bald als Freund Frantz’ ausgibt. Er verführt Anna zum Tanzen und Baden im Fluss, sie kauft sich ein farbiges Kleid und gewinnt langsam neue Kräfte. Auch die Eltern leben wieder etwas auf, als der Franzose von seinen Begegnungen mit ihrem Sohn in der Vorkriegszeit erzählt.

 

Doch dann werden die Ereignisse von der Schuld überschattet, die Adrien mit sich herumträgt, und seiner großen Lüge, die er schließlich Anna gesteht. Die trägt jedoch mutig diese Last und verhindert, dass Frantz’ Eltern die Wahrheit erfahren. Als Adrien überraschend verschwindet reist sie ihm hinterher nach Frankreich. In Paris ist alles anders, als ihr Verlobter es in seinen Briefen schrieb oder Adrien es in der Begegnung mit der Familie erzählte. Mühselig bekommt Anna die Wahrheit über das Leben des Franzosen heraus, der ihre aufkeimende Liebe nicht erwidert. Sie verfällt nicht in Depression, sondern geht nun ihren eigenen Weg. „Es gibt mir Lust“, sagt sie, ziemlich paradox aber glaubwürdig, am Schluss des Films über das „Bildnis eines Selbstmörders“ des Malers Edouard Manet. Sie hat wieder zu leben gelernt und stürzt sich in das unbekannte Abenteuer der Fremde.

 

Der Regisseur Francois Ozon („Das Schmuckstück“), bat alle Journalisten, „verraten sie nicht Adriens Geheimnis“ - das wollen wir hier auch nicht tun. „Frantz“ ist ein Film mit wunderbaren Bildern voller Trauer, Sehnsucht und Verletzlichkeit, aber auch voll wieder erlangter Kraft und Stärke. Der Streifen ist im authentischen schwarz-weiß gedreht, so wie man Filme aus der Zeit eben kennt. Aber gelegentlich changiert er, fast unmerklich, zur Farbe, wenn die Familie wieder Lebenskraft schöpft oder Anna sich in Adrien verliebt. Die Farbe durchblute gleichsam die Schwarz-Weiß-Einstellungen, meint Ozon zu seinem etwas konservativen Stilmittel.

 

Seinem Film liegt der Streifen von Ernst Lubitsch, „Der Mann den sein Gewissen trieb“ (1931) zugrunde, der sich auf Adriens Schuldgefühle konzentrierte. Ozon zeigt dagegen die Ereignisse aus Annas Sicht, er interessiert sich für die große Lüge und wie die junge Frau damit umgeht. Kann sie die groteske Unwahrheit durchstehen, die der Familie des Verstorbenen so viel Kraft und Lebensmut gibt? Das Spiel Paula Beers als Anna ist großartig, in ihrer Rolle changiert sie zwischen mädchenhafter Anmut, weiblichem Begehren und stolzem Kampfgeist. Zu Recht bekam sie für ihre Darstellung den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin beim Filmfestival in Venedig 2016. Symbolisch wurden durch sie auch der hervorragende Film sowie die übrigen, großartigen Schauspieler ausgezeichnet.

 

Der Film nutzt den 1. Weltkrieg nicht als Staffage für eine Liebesgeschichte - im Gegenteil: Am kleinen, dramatischen Beispiel der Familie zeigt er, wie Feindbilder entstehen, und macht den Wahnsinn des ersten Weltkriegs deutlich, ohne das Werk zu überfrachten. (((Beer stellte selbst den Zusammenhang mit der aktuellen politischen Situation her: „Der Film zeigt, wie Angst vor Fremden oder Ausländern anfängt“, sagte sie in Venedig.

 

Info:

Frantz“ 2016 F/D 113 Minuten, FSK 12 Jahre, ab 29. September im Kino

Regie Francois Ozon, mit Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner, Marie Gruber, Johann von Bülow u.a.

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=vkDVV2Vsc9o

Foto © X-Verleih