Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. Oktober 2016, Teil 3
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Diesen Film mußte ich zweimal sehen, um eine gesicherte Erkenntnis daraus zu gewinnen. Das hätte ich aber bleiben lassen können, denn auch beim zweiten Mal blieb dieses Zwittergefühl in mir: da gibt es spannende Teile und eine echte Thematik, aber dennoch mutet manches falsch und unecht an.
Die Rede ist erst einmal von Jonathan, obwohl die Dramatik des Films und auch seine innere Logik mit ganz anderem zu tun hat – auch dies ein Problem am Film. Jonathan ist ein junger hübscher Typ und mit Jannis Niewöhner mit einem neuen Jugendschwarm besetzt durch den Regisseur Piotr J. Lewandowski, dessen Debüt dieser Film ist, der mit einer Spinne im Netz beginnt. Ein schönes Bild, aber auch ein grausames, denn ein Schmetterling hat sich in den Klebefäden verfangen. Und dann mit einem Mal wird es erneut zum schönen Bild, denn der Schmetterling kann sich befreien und fliegt davon.
Jetzt wissen Sie sofort, daß Jonathan auf dem familiären Bauernhof – Vater und dessen Schwester – durch irgendetwas gefangen ist und daß im Film etwas passieren wird, das ihn frei macht und er den familiären Klebefäden entrinnen kann und ein eigenes Leben aufbauen wird.
Und so kommt es auch. Die Arbeit ist erst mal schwer. Eine harte Arbeit, wo der junge Jonathan seinen Verehrerinnen sein Muskelspiel ausführlich zeigen kann. Sein Vater (ausgezehrt André Hennicke) ist todkrank, will das mürrisch und anspruchsvoll gleichermaßen nicht wahrhaben, aber für alle ist es besser, daß jetzt eine junge muntere Pflegerin für ihn kommt, was bisher Jonathan auch noch nebenbei erledigte. Anka (Julia Koschitz) bringt frischen Wind in die Bude und auch in das Gefühlsleben des Jonathan, was dann zu Bettszenen führt, von denen man leider den Eindruck hat, daß sie mehr Körperkult als innere Triebkraft sind.
Wo liegt das Problem? Im familiären Schweigen. Da gibt es Geheimnisse, mit einem ist es überhaupt nicht getan, die schwer über Jonathan und über dem Zuschauer lasten, der dann so nette Gesten von Jonathans Tante (Barbara Auer) mitbekommt, wenn sie einen uns Unbekannten, der den Vater besuchen möchte, mit der Mistgabel, ach nein, sogar mit dem Gewehr und dem Blindschuß vertreibt. Das war Ron (Thomas Sarbacher), der für Jonathan schon deshalb wichtig wird, weil er etwas über den mysteriösen Tod der Mutter weiß, der wie das meiste aus der Vergangenheit auf dem Bauernhof in die Schweigegrube der Familie gefallen ist.
Dieser Ron wird überhaupt noch eine wichtige Rolle spielen, aber, welche und was das eigentliche Geheimnis ist, das kann hier nicht verraten werden. Aber es ist allerhand, was aufzudecken ist und den Leuten vielleicht eine normale Zukunft sichert. Für Jonathan auf jeden Fall sind die Schleier gefallen und die Geheimnisse gelüftet: er kann endlich normal leben. Besser woanders als auf dem Bauernhof. Vorerst. Immerhin hatte er auch unter den familiären Belastungen das Abitur bestanden und kann jetzt in die Stadt, um zu studieren. Das gönnen wir ihm, denn der Jungregisseur hatte ihm gleich mehrere Klötze ans Bein gebunden, wie man als Anfänger leicht dazu neigt, die Dramatik des Geschehens zu übertreiben. Denn eigentlich erleben wir nicht Jonathans Geschichte, sondern die seines Vaters, weshalb er auch hier im Bild mit Freund Ron zu sehen ist.
Foto: Hennicke und Sarcher als Burhhardt und Ron