55 Jahre PANORMA: Die Show - Ein Abend mit Michel Abdollahi im NDR heute Nacht

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - 55 Jahre Panorama: für die Redaktion des gerne investigativ in Wespennestern stochernden und Missstände anprangernden Magazinformats des NDR Anlass, selbstbewusst mit einer Bühnenshow zu feiern, was nicht von ungefähr kommt!

 Seit einigen Jahren gehört neben der mutigen und rechtschaffenen Anja Reschke der 35-jährige Hamburger Michel Abdollahi zu den Aushängeschildern des Senders und hat sich mit seiner Herkunft, Ausstrahlung und besonderem Knowhow eine publikumswirksame Nische ausgebaut. Stets perfekt elegant gekleidet und mit früh ergrauten Haaren bewegt er sich mit seiner höflichen Präsenz irgendwo im Identitässpektrum zwischen der Haltung eines „Gentleman-Journalisten“ und eines verschmitzt unschuldigen Jägers von Pointen. Und die gehören ja zu den Basics beim Poetry Slam, deren deutsche Szene der ehemalige Student der Rechts- und Islamwissenschaften wie auch der Iranistik maßgeblich mit geprägt hat - als Slammer, Conférencier und Mit-Verantwortlicher für Europas größte Slam-Veranstaltung. Immer routinierter in teilweise kuriosen TV-Einsätzen berscherte Abdollahi mit seinem Reporter-Besuch bei einer Nazi-Demonstration dem NDR schließlich höchste Einschaltquoten und dafür in 2014 innerhalb von 24 Stunden sogar über eine Million Klicks in den Sozialen Medien. Seitdem werden neben den Einschaltquoten endlich auch solche Klicks ernst genommen und beflügeln nicht mehr nur Digital Natives wie den iranischstämmigen Träger des deutschen Fernsehpreises 2016.

Am 18. September im Hamburger Schauspielhaus und nun konzentriert fürs Fernsehen zusammengeschnitten ist der perfekt in Deutschland assimilierte und moderne Muslim Abdollahi, der auch Alkohol trinkt, gemeinsam mit Sebastian 23, einem der etabliertesten Kollegen aus der deutschen Slammer-Szene, der Angst auf der Spur. Es geht um Angst allgemeim, insbesondere aber um die vor den Fremden und dem Fremden an sich. Die beiden Freunde wühlen in den Schattenseiten und dem Ursprung der Angst - wissenschaftlich nüchtern, nachdenklich stimmend, beunruhigend und provokant. Im Wechsel wird bedacht und doch pointiert anmoderiert von Michel Abdollahi und von Sebastian 23 kommentiert und z.B. in schnellem Tempo durch die Bedeutung der  A-N-G-S-T geslammt. Die könnte u.a. stehen für „Alles Neue Gefährlich Sagt Tradition“ , „Asylanten Nuckeln Gierig Sozialsystem Trocken“ oder „Armer Nicht Gehörter Seehofer“... Nach dem nahegelegten Motto: Nomen est Omen! wird uns wieder mal bewusst, dass sich irgendein Sinn immer irgendwo hinein interpretieren lässt!

 

Abdollahi deckt für uns auf, wie sich Panik und Hass in verbalen Konstruktionen schüren lassen, die nach Belieben Naturkatastrophen orakeln, Kriegsszenarien heraufbeschwören, grundsätzliche Zweifel an Wahrheit säen oder gar den festen Glauben an den Untergang in den Köpfen verankern.  Und vor all dem können natürlich nur noch nationale Retter bewahren. In einem Expertengespräch mit Professor Dr. Gerd Girgerenzer schließlich werden Angst machende Statistiken entlarvt und relativiert. Ein bisschen statistisches Denken, so Girgerenzer, könne keinem schaden. Und die Medien sollten mehr Positives berichten. „Herr Professor, Sie waren wirklich das Highlight des Abends!“ bedankt sich im Anschluss an die Show in Hamburg Abdollahi bei der Koryphäe vom Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.   


Natürlich war der „unvergleichliche und bezaubernde Michel Abdollahi“, wie er von Anja Reschke anmoderiert wurde, vorab als Reporter und auch als Interakteur unterwegs gewesen - so, wie wir das von ihm kennen. Und so kann der Menschenfänger anhand von TV-Einspielern auf der Bühne Erschreckendes beweisen: z.B. wie einfach höchst gefährlich Feuer spuckende Waffen in Dresden zu haben sind und welcher Schaden damit angerichtet werden kann, wie Bürgerwehren nur scheinbar belustigend daher kommend in menschliche Sackgassen führen und wie abgrundtief absurd die Flucht vor dem Fremden in die ferne Fremde ist.


Was ist denn da los, wenn ein netter Schweizer mit Kind und Kegel vor lauter Überfremdungs-Furcht und Angst vor dem großen Crash aus der Idylle des eigenen Land in die Pampa nach Panama flüchten wil!? Und was die Unterstützer von Donald Trump zu sagen haben, lässt uns ja nun auch schon seit geraumer Zeit die Abgründe des menschlichen Verwirrungspotentials wieder mal ausloten, woran wir verzweifeln könnten! Dann doch sich doch lieber an unserer Liebe festhalten, wie es Jan Plewka gegen Ende des Abends besingt.

Fazit des Abends im Schauspielhaus und der Sendung, um es sich hinter den Schmink- oder Rasierspiegel zu hängen: Letztlich sind und bleiben wir alle Menschen unterschiedlicher Prägungen und sind als solche sicher auch irgendwo fremd. Doch es geht um unseren Kern, um das, was uns verbindet.

Michel Abdollahi, der, wie er sagt, nicht noch mal eine Heimat verlieren möchte, liebt nicht nur Poetry Slam, sondern schätzt auch persische Literatur-Klassiker aus seiner ersten Heimat. Und da lässt sich am Ende dieses Abends bzw. dieser Sendung Treffliches finden und zitieren. Abdollahis Wahl trifft, wie so oft auf der Bühne, auf einen Auszug vom Gedicht "Golest?n" ("Rosengarten") des persischen National-Poeten Saadi aus dem frühen 13. Jahrhundert - ein Gedicht, das übrigens auch in der Eingangshalle des UNO-Hauptquartiers zu lesen ist:

Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht,
als Glieder eines Leibes von Gott, dem Herrn, erdacht.
Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder,
dann klingt sein Schmerz sogleich in ihnen allen wider.

Ein Mensch, den nicht die Not der Menschenbrüder rührt,
verdient nicht, dass er noch des Menschen Namen führt.


Ähnlich, wie Menschlichkeits-Botschafter Michel Abdollahi sein Publikum im Hamburger Schauspielhaus begrüßt hat, verabschiedet er es - mit einer Variante seiner typischen Geste, in der sich Demut mit Respekt und Herzensenergie paart und die Verbundenheit ausdrückt: Es sind seine flach vor Brustkorb und Kopf zusammen und hochgehaltenen Hände, zum Abschied halt mit tiefer gebeugtem Oberkörper und stärker gesenktem Kopf. Eine berührende Geste, die tief geht und die wir jenseits esoterischer Sitzungen auch im westlichen Alltag einfach mal integrieren könnten. Mal schauen, was passiert.

 

Foto: Michel Abdollahi (c) ndr

Info:
„Panorama“ wurde übrigens am 4. Juni 1961 zum ersten Mal ausgestrahlt.

Heute Nacht: Panorama - Die Show
Ein Abend mit Michel Abdollahi

Auf Dauer in der NDR-Mediathek abrufbar:
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/Ein-Abend-mit-Michel-Abdollahi,sendung574690.html

 

 

im NDR, Samstag, 08. Oktober 2016, 00:00 bis 01:15 Uh