Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Oktober 2016, Teil 4
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Wenn man sich einlassen kann, auf diesen ruhigen Film, dann erlebt man Vergnügliches, aber auch ganz schön Reaktionäres. Auch einen sanften Gérard Depardieu als polternden und zärtlichen Vater Jean und seinen Sohn Bruno, den Benoît Poelvoorde derart runtergekommen spielt, daß es schon wieder eine Freude ist.
Im Ernst lebt dieser auf der Berlinale im Wettbewerb gelaufene Film des Regieduos Gustave Kevern und Benoît Deléphine vom Spiel und Zusammenspiel seiner beider Hauptprotagonisten, die man – auf den ersten Blick – nicht zu seinen Bekannten zählen möchte. Zu Freunden schon gar nicht. Das sind genau die Sorte von Männern, vor denen Frauen besser Reißaus nehmen. Groß, dick, lautstark der eine, klein, häßlich, rüpelhaft und Alkoholiker der andere. Alkohol? Ja, um den geht es gleich.
Wir erleben erst einmal, daß es um Nutztiere geht und daß Jeans Zuchtbulle auf der Pariser Landwirtschaftsmesse einen Preis erringen soll. Jedes Jahr sind sie dahingefahren, die Bauernmänner ohne Frauen. Denn Jean ist die geliebte Frau gerade weggestorben und man sieht berührt, wie er immer wieder auf dem Handy rumklickt, um noch einmal ihre Stimme zu hören. Sein Sohn hat andere Sorgen. Ihm gefällt sein Leben nicht und es gefällt ihm auch nicht, daß es mit den Frauen so schwierig bis unmöglich ist. Natürlich will er auf die Messe, denn für ihn ist dies der Höhepunkt des Jahres, wenn er seine „Weinreise“ unternimmt.
Wo bekommt der Städter Bauern mit? Im Fernsehen, wenn Bauern angeblich Frauen suchen, auf Messen, wenn es um Tiere geht oder Nahrungsmittel, auf Verzehrsständen in den Großstädten, wenn 'echte' Bauern vom Land 'echte' Naturprodukte anbieten. Der meisten Menschen Vorstellung geht über solche Vorzeigeobjekte nicht heraus. Und dann sieht man erstaunt das Gegenteil ebenfalls in Fernsehberichten, wenn man hochtechnisierte Anlage in Bauernhöfen sieht, wo der Bauer wie ein Ingenieur daherkommt.
Nein, darum geht es hier gar nicht. Wir sind in der Mitte zwischen Klischee und Klischee und erleben einen Bauernstand, der sich vor dem Absturz retten will. Das ist das eine. Das andere, eine wundersame Geschichte von zwei Männern, die miteinander verwandt, sich doch wenig zu sagen hatten und die durch die dann gemeinsam unternommene Weinreise Erlebnisse haben, die ihnen einen anderen Menschen zeigen, als den sie den Vater oder den Sohn wahrgenommen hatten. Wir haben hier zwei, die wie sonst die Jungen auf einer Jungfernfahrt ihr Leben im Leben noch einmal überholen und durch herrlich skurrile Begegnungen für sich erst erfahren, was das heißt, wenn ein Mensch dem anderen 'begegnet'.
Natürlich geht es auch um Frauen. Für beide. Und die Geschichte wäre nicht rund, wäre nicht das Gefährt da, mit dem sie die Reise unternehmen: ein Taxi. Und das Taxi mußte sein, weil sonst für den Taxifahrer Mike (Vincent Lacoste) keine Rolle im Film gewesen wäre. Seine Anwesenheit, seine Verschlagenheit, seine Ideen tragen wesentlich zum Filmgeschehen bei.
Mehr wollen wir eigentlich gar nicht erzählen. Denn dieser Film gehört zu denen, die durch ihre Atmosphäre punkten, durch die Anwesenheit der Personen auf der Leinwand und ihr Aufeinandertreffen mit anderen, was man sehen muß, schwer nur beschreiben kann. Auf jeden Fall ist SAINT AMOUR der kleine feine Weinort im Beaujolais, wohin man schnurstracks fahren will, auch, um dort diese beiden deftigen Typen kennenzulernen, die natürlich nach ihrem Dortsein ihr besseres Leben zu Hause fortsetzen.