Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 3. November 2016, Teil 5
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Also über den Titel kann man sich noch viele Gedanken machen. Ökonomie und Liebe, das paßte doch früher nur insofern zusammen, daß man von guten Partien sprach, wo entweder bei der Aussteuer Geld im Spiel war oder der Zukünftige über genau dieses verfügte.
Nein, nein, obwohl es uns niemand genau erklärt hat, haben wir uns den Titel zusammengereimt, daß es in der Liebe nämlich wie in der Betriebs- und Volkswirtschaft sei, es gibt ansteigende Konjunktur und absteigende, man ist erst einmal total verliebt, woraus Liebe wird, die Kurse halten sich latent oben, dann gibt es Einbrüche, erst einen, aber man versöhnt sich wieder, die Kurse ziehen wieder an, dann erneut ein Einbruch, aber die Ehe stabilisiert sich erneut, schließlich sind längst zwei Kinder da, die gilt es, in einer Familie emotional abgesichert, groß werden zu lassen, doch dann wird die ganze Geschichte durch eine Strukturkrise ins Nichts geschleudert. Die Firma ist sinnlos geworden, ihre Produkte will überhaupt niemand mehr, der Konkurs steht vor der Tür und niemand will investieren.
Marie (Bérénice Bejo – die Schöne aus DER ARTIST) schon gar nicht. Die hat nichts mehr zu investieren, denn sie hat die ganze Ehe hindurch alles für Boris (Cédric Kahn) aufgebraucht, emotional, aber auch finanziell. Und nun hat sie genug. Sie will nicht mehr. Nicht mehr mit ihm. Aber so einfach ist das nicht. Nicht nur wegen der Kinder. Das kommt strafverschärfend dazu. Da ist ein Haus, in dem man gemeinsam lebte und lebt. Aber es gehört zum großen Teil der Bank. Bezahlt hat es Marie, die von zu Hause wohlhabend ist, aber auch einen gut bezahlten Beruf ausübt, weshalb sie auch auf Boris als Kinderfachmann angewiesen ist, denn der ist eh meistens zu Hause.
Der hat nur seine großen Zeiten, wenn es an große Aufgaben geht. Eine solche war die Renovierung, ach was, Sanierung des jetztigen Hauses. Billig gekauft, aufwendig zum Drinnen-Wohlfühlen hergerichtet. Duch wen? Durch Boris. Also steht ihm die Hälfte des Hauses zu, sagt Boris. Nein, sein Anteil sei ja nur seine Arbeit, sagt die Noch-Ehefrau. Aha, noch eine Ökonomie der Liebe. Warum der Streit um das Haus bei der gewollten Trennung dennoch tägliches Thema bleibt, hat damit zu tun, daß die herkömmliche Lösung: Ehekrach, Entschluß zur Scheidung, Trennung des Paares – meist zieht der Mann aus, die Kinder bleiben mit der Mutter zurück – hier nicht aufgeht. Erstens hat der Mann kein Geld, weil er keine richtige Arbeit hat, also auch keine eigene Wohnung mieten kann, zweitens hat die Frau immer sehr viel auswärts zu tun, so daß es praktisch ist, den Mann im Haus zu haben, wenngleich nicht im eigenen Bett. Nein, das Sofa im Nebenzimmer tut es auch.
Das Haus ist also gleichzeitig das Kriegsgebiet wie auch der Verlust für den einen und Gewinn für den anderen. Zudem ist dies wirklich zauberhaft gemütliche Haus eine Festung. Vor allem eine Festung für sie und Verhandlungsmasse für ihn. Das geben sie sich täglich. Dieses Aufeinanderhocken aber führt die bisherigen 15 Jahre in eine Verschärfung fort. Er hält sich nicht an die zeitlichen Abmachungen, sie lebt ihre Rolle als überforderte berufstätige Ehefrau und Mutter gerne lautstark aus. Es ist so wie überall, wenn die Krise da ist. Da muß nichts Großes mehr passieren. Es nervt alles und es gibt überhaupt nichts, was nicht sofort Stein des Anstosses für den einen oder anderen wäre.
Zeit über die Schauspieler zu sprechen, die uns das so lebenstauglich vormachen, wie es nur geht. Ja, genauso geht es zu, wenn es nicht mehr geht. Aus der Mücke wird der Elefant, aber das gegenseitige Sticheln macht dem einen Spaß, dem anderen Tränen. Und umgekehrt. Der belgische Regisseur Joahcim Fafosse hat schon genau hingehört, wie das mit den Paaren so ist, beim Streiten und Versöhnen und sich gegenseitig Nerven. Da bleibt es nicht aus, daß das auch den Zuschauer nervt, daß die beiden immer beim Sich Behaken bleiben. Doch dann passiert etwas…
Ach so, die Kinder?! Kinder schauen meist viel besser durch als ihre beteiligten Eltern.