50. Internationale Hofer Filmtage

Rita Kratzenberg und Claus Wecker

Hof (Weltexpresso) - Was hätte Heinz Badewitz zu den 50. internationalen Hofer Filmtagen gesagt? Er wäre wohl zufrieden gewesen. »Eine dolle Veranstaltung habt ihr da hinbekommen“, hätte er in seinem fränkischen Deutsch gesagt.

„Dolle Filme, ein dolles Publikum, und es waren nicht nur die bekannten Filmemacher da. Wenders, Herzog, Dörrie, ... und so weider, sondern auch aufstrebende Filmemacher wie Tini Tüllmann, Sandra Wollner, Andreas Arnstedt ... und so weider.“ Nur eine Bitte hätte er vermutlich gehabt: „Sacht den Leuden doch, dass sie ihre Mobildelefone während der Projektion ausschalten sollen.“


In vielen Reden wurde auf die Bedeutung dieser Veranstaltung für den deutschen Film und die jungen deutschen Filmemacher hingewiesen. Immer wieder war die Rede davon, wie wichtig dieses Festival sei. Alle erinnerten sie sich mit Wehmut an den großen Menschenzusammenführer Heinz Badewitz. Denn hier waren sie mit ihren ersten, kleinen Filmen und Filmversuchen ins Kino gekommen und einem interessierten Publikum begegnet. Und es gab einen, der an sie alle geglaubt hat, von Anfang an: eben dieser Heinz Badewitz, der das Filmfest gegründet und die Filmauswahl bis zuletzt selbst getroffen hat. Bis zu seinem Tod im vergangenen März. Er war gerade auf der Diagonale, dem österreichischen Filmfest in Graz, um Beiträge für sein nächstes Filmfest zu sichten.


Es sollte ein besonderes, ein Jubiläumsfestival werden. Und das ist es auch geworden. Denn bei aller Erinnerung an den von allen verehrten und geliebten Heinz, galt auch für den „worst case“ das Motto, das er dem Organisationsleiter Rainer Huebsch, der heuer den Spezialpreis der Stadt Hof erhielt, in Notfällen zugerufen hat: „The show must go on!“ So war eben auch das große Verdrängen angesagt, im Kino und auf den Empfängen. Die Wurst- und Bierstadt lässt ihre Gäste nicht verhungern und nicht verdursten.


Kleinere Städte seien „geniale Orte“ für Filmfestivals, sagte Caroline Link in einer Podiumsdiskussion. Man treffe sich auch auf der Straße und abends in den Kneipen. Es gebe keine roten Teppiche und keine Abschottung der Stars. Denkt man an die Berlinale heutzutage, muss man ihr beipflichten. Zweifel kommen allerdings, wenn man in einer langen Schlange im schmalen Gang des Schachtelkinos steht und nicht vorankommt, weil einem die Besucher der vorangegangenen Vorstellungen entgegen kommen.


Doch die Auswahl macht’s. Natürlich gab es eine Rückschau auf die vergangenen fünf Jahrzehnte. Mit jungen deutsche Independents, mehr oder weniger unabhängig, dazu die interessantesten internationalen, die zumeist im Winter in die Kinos kommen werden. Das Programm, das die Stellvertreter, Alfred Holighaus, Linda Höffker und Thorsten Schaumann, zusammengestellt hatten, war wohl im Sinne des Gründers. Viel Flüchtlingsproblematik. Gelungenes wie der Kurzfilm IN OUR COUNTRY von Louisa Wagener über die Integrationsbemühungen eines Afrikaners, der eine Fußballgröße wie Boateng werden möchte, und weniger Gelungenes wie SPREE HOTEL, eine unstrukturierte Doku über ein Hotel in Bautzen, das der Besitzer in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt hat – nicht ganz uneigennützig, gab er in der anschließenden Diskussion zu. Der Film hatte sich darüber ausgeschwiegen.


Kranke, Arbeitslose, Alte, die durchs soziale Netz fallen. Wie in der Entdeckung SHORT TERM MEMORY LOSS die titelgebende Krankheit nicht in den Fragenkatalog der Amtsärztin passt, so passt der arbeitslose Titelheld im Cannes-Gewinner ICH, DANIEL BLAKE von Ken Loach nicht in den Fragebogen des zuständigen englischen Sozialamtes. Sie werden am Ende im Heim landen (im Kurzfilm AUSSETZER von Benjamin Vornehm und in SHORT TERM MEMORY LOSS von Andreas Arnstedt, der Veronica Ferres für die Hauptrolle gewinnen konnte).


Der heillos überfrachtete Eröffnungsfilm DIE BLUMEN VON GESTERN, in dem es um die Bürde der Nachgeborenen ging, um den Enkel eines Täters und die französische Enkelin eines Opfers in Auschwitz, war Heinz Badewitz im Nachspann gewidmet. Ganz in seinem Sinne ging das erste Exemplar des nach ihm benannten Preises an Tini Tüllmann. FREDDY/EDDY, ein origineller Psychothriller, ist von der jungen Regisseurin ohne Förderung, nur mit eigenem Geld und dem der Familie realisiert worden. In Hof, von Wim Wenders auch „Home of Films“ genannt, laufen traditionell auch die wahren Unabhängigen. Wenn dabei noch so ein professionelles Werk wie in diesem Fall herauskommt, dann dürfte sich ein Hofer im Himmel besonders gefreut haben.  


Die Preise 2016 in Hof:


Der Förderpreis Neues Deutsches Kino ging an Sandra Wollner für DAS UNMÖGLICHE BILD,
der Filmpreis der Stadt Hof an die Schauspielerin Aylin Tezel,
der Spezialpreis der Stadt Hof an den langjährigen Organisationsleiter Rainer Huebsch,
der Bild-Kunst Förderpreis Bestes Kostümbild Bestes Szenenbild an Dmitry Andreev und Vladimir Nikiforov für das Beste Kostümbild bei PARADIES und an
Irina Ochina und Josef Sanktjohanser für das Beste Szenenbild bei PARADIES,
der Hans-Vogt-Filmpreis an die Regisseurin, Schriftstellerin und Filmproduzentin
Doris Dörrie,
der Granit-Hofer Dokumentarfilmpreis an SCHULTERSIEG – WIN BY FALL von Anna Koch,
der Heinz-Badewitz-Filmpreis an Tini Tüllmann für ihren Film FREDDY/EDDY.

 

Foto: (c) Rita Kratzenberg