Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. November 2016, Teil 1
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Dieser Film macht richtig traurig. Weil man einfach nicht möchte, daß er einem nicht gefällt, ist doch der Roman von Hans Fallada einer, den man heute kaum kennt, aber gut kennen sollte und spielen im Film doch zudem ausgezeichnete Schauspieler mit, ja Emma Thompson, Daniel Brühl....
Aber er gefällt einem nicht und man weiß auch ziemlich genau, warum das so ist. Das ist dort weder das Berlin der letzten Kriegsjahre, völlig fremd ist einem diese Stadt, die auch nicht nach Deutschland aussieht oder atmet. Und die Emotion, die der Film doch hervorrufen will, dazu hat ihn ja der französische Regisseur Vincent Pérez, ansonsten Schauspieler, gedreht, die Emotion, die stellt sich einfach nicht ein.
Die Geschichte, die schon zweimal verfilmt wurde, auch im Fernsehen gezeigt wurde, und von Fallada nach der Wirklichkeit geschrieben wurde, aufgrund von Naziakten, geht so: Ein unscheinbares und regimeneutrales,insgesamt angepaßtes Ehepaar, die typischen Mitläufer im Dritten Reich der Nationalsozialisten und auch die typischen Vertreter der Arbeiterschicht/ des Kleinbürgertums erlebt seinen Schicksalsschlag. Der Sohn ist an der Front gefallen. Es sind die Eheleute Anna (Emma Thompson) und Otto Hampel (Brendan Gleeson), im Film Quangel genannt, die erst jetzt aufwachen und sich erst jetzt auch gegenseitig ihre Abneigung gegen das Naziregime zugeben. Die ziemlich totgelaufene Ehe erhält neuen Schwung. Der Tod des Sohnes hat verschüttete Gefühle beider wieder lebendig gemacht und vor allem haben sie auf einmal eine gemeinsame Aufgabe.
Erst ist es der Ehemann, der auf Postkarten vom Ende des Nazireiches, vom verlorenen Krieg, vom Verheizen der Jugend kündet und diese Postkarten systematisch in der Stadt verteilt. Dann beteiligt sich seine Frau und es wird gemeinsame Sache. Parallel haben wir mit Kommissar Escherich (Daniel Brühl) den Karrieristen und Obernazi vor uns, der für die Aufklärung, wer für die Postkarten verantwortlich ist, zuständig ist und sehr akribisch die Spuren verfolgt. Er bleibt insofern eine interessante Figur, weil er selbst von seinen Vorgesetzten dransaliert und zusammengeschlagen wird, aber daraus nur schlußfolgert, nach unten zu treten. Nach zwei Jahren bleibt das Ehepaar für ihn als Schuldige übrig und werden von ihm überführt. Aber er ist längst innerlich ausgestiegen und wirft die Postkarten - 285 haben die Quangels unter die Leute gebracht - am Ende aus dem Fenster, woraufhin sie überall hinwehen...
Diese Geschichte wird flankiert von allen möglichen Personen, die eigentlich die Atmosphäre des Nazi-Berlins der Kriegszeit herstellen sollen, aber nichts lebendig machen, sondern wie Ausstellungsstücke wirken. Zudem müssen sie alles überdreht darstellen, alles wirkt unecht und wo Leben sein sollte, da wird Krampf und Verlogenheit draus. Dabei, noch einmal, geht es ja um wichtige Sachen. Irgendwie nimmt man es einem Regisseur bei einem so wichtigen Thema übler, daß er den Film vergeigt hat, als wenn es um weniger anspruchsvolle Themen gegangen wäre.
Info:
Der Roman: Hans Fallada, Jeder stirbt für sich allein, Aufbau Taschenbuch Verlag 2011, 9. Auflage 2015
Bisherige Besprechung:
https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/8003-jeder-stirbt-fuer-sich-allein