Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. August 2012, Teil 1
Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wo hören Humor und Spaß auf? Das ist jeweils die Frage bei hochpolitischen Thematiken, die filmisch als Komödien rüberkommen. Humor hört nie auf, könnte man sagen, denn es ist eine Haltung dem Leben gegenüber, daß ohne diesen kaum erträglich wäre. Der Spaß hört schneller auf, aber er bleibt Bestandteil der Filmerzählung, wenn man es so macht, wie der, der Schwein gehabt hat.
DAS SCHWEIN VON GAZA
Das muß man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen, diesen Titel vom SCHWEIN, das ausgerechnet im Gefängnis Gaza leben muß oder leben darf, denn gegessen wird es dort auf keinen Fall, sowohl den Israelis wie den Palästinensern ist das Schwein zwar nicht heilig, aber als unrein überhaupt nicht berührungswürdig, was das Überleben sichert, selbst wenn es einen Selbstmordgürtel umgeschnallt erhält. Und das kommt so.
Da gibt es den stoischen Jafaar (Sasson Gabai), der nicht aufgibt, Fische zu fangen, kleine Fische, denn die Israelis lassen ihn nicht weit aufs Meer, auf einmal aber ein Schwein im Netz findet, das zwar kein Wasserwesen ist, aber von einem Überseedampfer gefallen, nicht mehr zurück kann. Was tun? Leben lassen! Der französische Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, Sylvain Estibal traut sich was, zusammen mit seinem israelischen Hauptdarsteller. Natürlich ist zum großen Teil Wunschdenken, was den Film zusammenhält, wenn beispielsweise die langmütige Ehefrau des Fischers zusammen mit dem Feind, dem israelischen Soldaten auf dem Dach, der Gaza bewacht, Telenovelas anschaut, weil dort immer ein Happy End vorkommt. Aber schließlich ist das auch im realen Leben Kollaboration, wenn der Fein auf dem Dach die häusliche Toilette benutzt.
All die grotesken Alltagsszenen, die das Gefängnis Gaza – nein, nein, kein richtiges Gefängnis, aber in seiner bewachten Abgeschiedenheit doch ein reales – ausmachen, sind hier auf die Spitze getrieben, so daß ein Lachen entsteht, das einem gleich im Halse stecken bleibt, aber dadurch die Absurdität der politischen Konstruktion mit jeder Szene zeigt. Insofern ist das ein sehr gelungener Film, weil er ohne Zeigefinger doch das Wesentliche zeigt: daß es so nicht geht, daß aber Menschen in jeglichen Lebenslagen realitätstüchtig sein können. Allein, wie das Schwein als Schaf verkleidet wird, nachdem er ja erst einmal den zum Selbstmordattentäter vorgesehenen Jafaar als alter Ego begleitet, ist hinreißend. Ach, wenn das alles doch wahr wäre.
DER VORNAME
Die Franzosen machen derzeit vor, wie man Filme dreht. Die Franzosen haben auch keine Scheu, aus Theaterstücken Filme zu machen, wie hier. Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière verfilmen ihr eigenes Theaterstück. Es spielt in Paris, wo sich einige Freunde zum Essen treffen, zu Couscous. Das Lehrerehepaar hat eingeladen, weil die Schwägerin Anna ein Kind erwartet. Daß die erst im zweiten Teil aufkreuzt, muß so sein, denn dramaturgisch folgt der Film den gesetzten Regeln. Außer Rand und Band gerät die Geschichte, die erst einmal von den Sottisen lebt, zu denen nur langjährige Freundschaften in der Lage sind, als der zukünftige Vater den zukünftigen Namen des zukünftigen Sohnes nennt: Adolphe.
TOM UND HACKE
Toms Eltern sind tot und er wächst in Niederbayern in der Nachkriegszeit auf. Tante Polli ersetzt ihm Vater und Mutter und sein bester Freund Hacke das Leben. Beide werden Zeuge eines Mordes und deshalb verfolgt. Regisseur Norbert Lechner bringt das atmosphärisch gut rüber, was an Jungen-Abenteuer-Geschichten a la Mark Twain erinnert.