Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. Dezember 2016, Teil 16
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wir hatten schon am 11. November sehr ausführlich auf diesen herausragenden Dokumentarfilm aufmerksam gemacht. Er ist deshalb so gut, weil er wenig kommentiert, sondern Zappa sprechen läßt – in den alten Aufnahmen so was von souverän, daß man noch heute den Hut ziehen möchte.
Daß er als Bürgerschreck galt, er, der komponierte und sang und einfach the american way of life , auch den der Hippies – Love, Peace an Happiness - schon zu einem Zeitpunkt durchschaut hatte, als die meisten noch naiv diesem amerikanischen Traum anhingen, das ist zwar Eingeweihten schon immer bekannt, aber Thorsten Schütte gelingt es, durch bisher unbekannte Aufnahmen wie auch die bekannten die Lebensklugheit, die Reflekionsfähigkeit und die künstlerische Souveränität dieses so früh Verstorbenen spannend und authentisch auf die Leinwand zu zwingen. Man sitzt wirklich mit angehaltenem Atem da, wenn man sich beim Zuhören und Zuschauen überlegt, wie Frank Zappa das raubtierkapitalistische amerikanische Musikgeschäft von Anfang an durchschaute und seine persönliche Gegenstrategie einschließlich eines eigenen Tonstudios aufgebaut hatte – was sicherstellt, daß seine Familie, seine Frau und seine Kinder auch nach seinem frühen Tod ein gesichertes Auskommen im Zappatrust haben. Wenigstens das.
Frank Zappa hieß übrigens wirklich Frank Zappa. Die Eltern kamen aus Sizilien, deren Eltern aus Neapel. Die einen glaubten, das Wörtchen Frank sollte so was wie frei bedeuten und Zappa, da dachten sie an Zappelphilip oder sonst was, denn Zappa war einer der ersten Rocker, der auf der Bühne machte, was er wollte. Wie grundsolide er war – moralisch, musikalisch und im täglichen Leben – das hätte ihm niemand geglaubt. Er war für die Leute nicht nur das Inbild des Bürgerschrecks – ja sein Sitzbild auf dem Klo gehört einfach dazu -, sondern sie glaubten, in ihm auch das Sinnbild eines von Drogen vollgedröhnten Typs zu verifizieren. „Werch ein illtum!“, kann man da nur laut und deutlich mit Ernst Jandl sagen – und Schütte tut es. Ja, was tut er eigentlich?
Er hat das Vertrauen des Zappa Trusts gewonnen und jeglichen Zugang zu den alten Aufnahmen erhalten – und er hat eine Tour de force durch die Fernseh- und Rundfunkanstalten der Welt unternommen und dabei viele verschütteten Schätze orten können. Er hat acht Jahre für das Zusammentragen und sortieren und montieren gebraucht. Und die Aufnahmen und Selbsterklärungen des Künstlers läßt er vor unseren Augen zu einem Lebenspotpourri zusammenschnuren, so daß man totale Sehnsucht bekommt, den originalen Frank Zappa wiederzuhören, wiederzusehen.
Frank Vincent Zappa ist am 21. Dezember 1940 in Baltimore geboren und am 4. Dezember 1993 in Kalifornien gestorben. Er hat über 100 Musikalben veröffentlicht und war zu seiner Zeit der am heftigsten attackierte Einzelkünstler, wenngleich er mit seiner Band MOTHER OF INVENTION auftrat – die übrigens wie er selbst beim Spielen von Drogen lassen mußten -, wo er selbst die E-Gitarre spielte und sang. Aber eigentlich galt seine Musikalität dem Komponieren. Er war der erste, der sogenannte E-Musik in die Rockmusik miteinbezog – und umgekehrt. Seine Texte, über die hier viel zu wenig bekannt ist, bewegen sich in einem absurd-surrealen Bereich, der ihnen bei uns die Qualifizierung dadaistisch eingebracht hat. Ein hohes Lob für einen Amerikaner, wenn Europäer so etwas aussprechen.
Der Film vollzieht nach, was Frank Zappa in und mit der Musik machte. Er kannte keine Grenze zwischen Pop, Jazz und Klassik, sondern ging von einem zum anderen. Insbesondere seine Beschäftigung mit Moderner Musik, eigenständige Kompositionen, aber auch Anverwandlungen von Igor Strawinsky, Anton Webern, Béla Bartók, Edgar Varèse vor allem und anderen brachte ihn in die Konzerthäuser Europas.
Und da kommt die einzige Fehlstelle des Films, die wir uns nicht erklären können. Ausführlich werden die Auftritte in London gewürdigt. Mit Namensnennung der Häuser werden die klassischen Konzerte in Musikbeispielen belegt. Nur das Ereignis, weshalb er eine späte zusätzliche Berühmtheit in Deutschland – seinem letzten Auftrittsort vor seinem Tod in der Frankfurter Alten Oper – erhielt, bleibt zwar nicht ganz ausgespart, wird aber nur kurz erwähnt?
Es geht um die jedem Musikenthusiasten bekannte Welturaufführung seiner Komposition THE YELLOW SHARK in der Frankfurter Alten Oper mit dem Ensemble Modern im September 1992. Er selbst hatte gesagt, daß dieses Ensemble sein Orchesterwerk genau so spiele, wie er es sich vorgestellt hatte und er war damals wochenlang in Frankfurt und hat die Komposition selbst mit den Musikern eingeübt und auch aufgeführt. Mit riesenhaftem Erfolgt und einer Liebeserklärung des Publikums und auch des Ensembles an den schwerkranken Künstler, der eine heitere Gelassenheit zeigte und sich völlig seines baldigen Todes mit 52 Jahren bewußt zeigte.
Wir haben uns viele Gedanken gemacht, warum Thorsten Schütte auf das Herausstellen dieser Aufführung, noch dazu seinem letzten Auftritt, verzichtet hat, d.h. nur kurz ohne die Hintergründe erwähnt und einmal im Bild zeigt. Die eine Erklärung fanden wir für uns darin, daß es den einstündigen Fernsehfilm gibt, den ARTE auch dieses Jahr erneut gezeigt hatte, in der es nur um diese Aufführung geht. Die andere Erklärung bestand für uns in der Vermutung, daß der Zappatrust über diese Aufführung nicht selbst eigenes Material hat, das Schütte hätte verwenden können.
Wir wollten deshalb im Hessischen Rundfunk den damals für Neue Musik zuständigen Redakteur nach vorhandenen Aufnahmen im hr befragen: Leo Karl Gerhartz. Doch der ist am 31. Oktober 2016 verstorben. So bleibt uns nur, diesen Film als ganz wichtiges Dokument allen zu empfehlen und gleichzeitig sich den Film über FRANZ ZAPPA & DAS ENSEMBLE MODERN zu besorgen, das in der Ilona Grundmann Filmproduction schon 1992 produziert wurde und als ARTEfilm bekannt ist.
http://concert.arte.tv/de/yellow-shark-von-frank-zappa
Foto: (c) Film
Info:
In diesem Artikel hatten wir unsere Eindrücke von den Proben und der Aufführung von Zappas THE YELLOW SHARK in der Frankfurter Alten Oper wiedergeben.
https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/8453-frank-zappa-ante-portas
Vor Jahren hatten wir eher zufällig und mit großem Gewinn das Buch von Zappas Tochter gelesen:
Moon Unit Zappa, America the Beautiful, 2001 Piazza im Wilhelm Heyne Verlag