Interview mit Michael Hofmann, Autor und Regisseur der ARD Produktion SEIT DU DA BIST, Teil 2/2

Elke Eich

Berlin (Weltexpresso) - Wien ist als Ort des Geschehens sehr präsent! Angesichts der langen Roller-Fahrten durch die Stadt könnte der Eindruck entstehen, dass der Dreh mit einer Tourismus-Förderung einhergehen sollte. Gab es eine österreichische Finanzspritze für den Film?

Nein, der Drehort wurde nicht aufgrund eines Finanzierungskalküls ausgewählt. Wien hat ja etwas Musikalisches und Anachronistisches, genau wir unser Film, und ist auch eine sehr bürgerliche und reiche Stadt. Deshalb passt unser Film einfach sehr gut nach Wien! Und wir haben auch viele wirklich weniger schöne Seiten der Stadt gezeigt.

Wien war Ihnen also lieber als beispielsweise München, was ja bei einer BR-Produktion nahe gelegen hätte?
Auf jeden Fall! Alleine schon im Ausland zu drehen, ist inspirierend.

Der Plot des Films hat in seiner Kernidee auch mit Ihnen persönlich zu tun.
Ja, der Film wurzelt im Persönlichen. Ich habe als allein erziehender Vater meine Tochter früher auch zum Geigenunterricht gebracht. Das war damals in Berlin Zehlendorf. Der Mann dieser Geigenlehrerin, in dem Fall war es ein Arzt, war auch selten da.

Ich hoffe, Sie hatten damals keinen Stress mit dem Ehemann!
Verliebt habe ich mich nicht. (lacht) Was aber interessant war: „Nolens volens“ bekommt man da über die Jahre hinweg Dinge mit. Es war vor allem auch ein Eintauchen in eine bürgerliche Welt. Der Ansatz des Bürgerlichen wird ja heute so etwas verachtet und viele haben dabei Assoziationen an Langweiler, CDU-Wähler und Reaktionäre... Dabei werden in einem bürgerlichen Milieu auch positive Dinge hochgehalten: die Hochkultur, das Musik-Machen, die Hauskonzerte, und es wird viel gelesen. All das Altmodische, was in einem solchen Milieu halt als etwas Normales gilt. Etwas, das es schon seit Hunderten von Jahren gibt.

Jarek, der erfolglose Künstler mit polnischem Migrationshintergrund, der sich mit einem Job im „Café der polnischen Versager“ über Wasser hält, ist ja zu Beginn auch von dieser bürgerlichen Welt irritiert. Dann aber führen die Anreize dazu, sich mit sich selbst auseinander zu setzen....
Manuel Rubey hat den Jarek wie ein staunendes Kind und etwas verhalten gespielt. Ich fand es reizvoll, jemanden in diese Welt rein kommen zu lassen, die er eigentlich verachtet. Aber die anderen, vor allem die Kinder, greifen nach ihm. Und alles ergibt sich dann aus dem Moment. Er erkennt, dass er gar nicht so cool ist, und dass die Art, wie er lebt, eigentlich sogar feige ist. Er muss ja quasi von einem kleinen Mädchen lernen, wie es geht.

Der Jarek ist als Künstler ja auch absolut stolz und weigert sich sogar anfangs, Auftrags-Portraits zu machen, weil er das demütigend findet.
Dieser Künstler Jarek will sich eigentlich gar nicht auf diese Welt einlassen. Und er ist jemand, der immer ohne große Anstrengungen durch das Leben gegangen ist. Und dann verliebt er sich in die Geigenlehrerin, eine Sache, die einfach so passiert.

Das Ende, was die Beiden betrifft, ist ja offen! Was glauben Sie: Kommen die zusammen?
Wer weiß, was sich zwischen ihnen noch abspielt, und ob sie dann zusammenbleiben oder ob das dann „für Mehr“ reicht!?


Sie kommen mir übrigens wie ein ausgesprochener Frauenregisseur vor, einer, der gerne mit Frauen arbeitet und ihnen Raum gibt. Die Arbeit mit Martina Gedeck und Katharina Schüttler war da sicher etwas ganz Besonderes und eine große Freude.
Es ist ein Geschenk, wenn man mit den Beiden arbeiten kann. Mit solchen Schauspielerinnen entsteht eine größere Wahrhaftigkeit und es berührt einen mehr! Das ist auch der Grund, warum sie diesen Status haben.

Die Figur der Alina, dargestellt von Katharina Schüttler, die ja durch Ihren Film „Sophiiiie“ berühmt wurde und mit der Sie eng befreundet sind, haben sie gegen den feminin betulichen Strich weiblicher Klisches angelegt. Als alleinerziehende Mutter einer hochbegabten Tochter kämpft diese Alina auf allen Ebenen, lügt ganz dreist, wenn es sein muss, geht aus und lässt es beim Feiern auch krachen. Und Martina Gedecks Clara erfährt Befreiung bei einem Wodka-Besäufnis im Café von Jareks Freunden.
Wenn Frauen was trinken, dann wird gleich ein anderes Maß anlegt. Und das ist Blödsinn. Die Alina ist eine Frau, die ihr Leben auch exzessiv lebt und sich durch ihre Mutterrolle nicht beeinträchtigen lässt. Alina ist eine starke Figur, die gegen die Widrigkeiten des Lebens aufbegehrt.

Privat ist bei Katarina Schüttler ja alles eher geordnet und läuft in ruhigen Bahnen, mit Ehemann und zwei Töchter im Alter von 6 und einem halben Jahr.
Katharina ist eine, der man total abnimmt, was sie macht. Wenn sie im Film als Alina neben ihrer hochbegabten Tochter sitzt und mit ihr spricht, liegen ja Welten zwischen den Beiden. Katharina liebt ihre beiden Kinder über alles, und sie ist super intelligent. Es ist herausragend, wie sie in der Lage ist, diese Figur der Alina zu spielen, ihr so eine Textur zu geben, mit ganz feinen Strichen: nicht zu dick und nicht zu dünn. Man weiß ja als Außenstehender gar nicht, wie das passiert. Und man ist dann schon verblüfft, mit welcher Leichtigkeit sie in der Lage ist, so eine Lüge zu spielen, als sie beim Vorstellungsgespräch in der Agentur ihr Kind verleugnet, um den Job zu bekommen.

Und dann konnten Sie noch der kleinen Allegra Tinnefeld in der Rolle der hartnäckigen und Geige spielenden Tochter Lilia einen schönen Rahmen setzen.
Allegra war tatsächlich auch ein Glücksfall für den Film.

Katharina Schüttler hat sich ja wohl als Künstlerkind früher mehr Normalität gewünscht. Welchen Hintergrund haben Sie eigentlich privat?
Alles ganz normal! Mein Vater war Schulleiter in einer Grundschule - im Vordertaunus, genauer: in Kelkheim in der Nähe von Königstein. Wir waren 4 Kinder. Meine Mutter hat Buchhaltung gemacht und mein Musikunterricht, das war ein bisschen Flötenspielen lernen. Wir hatten zu Hause wirklich viele Freiheiten und auch die Freiheiten, Mist zu machen.

Sie sprachen über ihre bevorzugten französischen Regisseure. Welche Lieblingsregisseure haben Sie heutzutage? – Was halten Sie z.B. von Ken Loach? Der macht doch auch so was wie Comédie Dramatique.
Der ist nicht schlecht, aber man merkt immer so das Anliegen bei seinen Filmen. Ich mag z.B. Paolo Sorrentino, der als Regisseur von „La Grande Bellezza“ berühmt wurde, aber vorher meiner Meinung nach noch tollere Filme gemacht hat.
Damien Chazelle fällt mir noch ein, der „Whipsplash“ und jetzt auch „Lala Land“ gedreht hat. Das ist auch ein super spannender Regisseur!

Und dann gibt es noch Xavier Dolan, das Regiegenie aus Kanada, dem als Meister der Comédie Dramatique ja wirklich Türen und Tore geöffnet werden.
Der ist super talentiert. Und der hat einen wahnsinnigen Schaffensdrang. Fast so wie Fassbinder.


Schaffensdrang ist ein gutes Stichwort: Woran arbeiten Sie derzeit?
Ich schreibe gerade an einem Buch für eine Komödie über erwachsene Kinder, die Probleme mit den Eltern im Alter haben. Dazu lese ich mich sehr intensiv in allerlei Problemfälle rein. Und diese ganzen Sachen waren mir selbst wirklich fremd. Auch in Unterhaltungen mit Freunden konnte ich früher nie mithalten, wenn es darum ging, was die Eltern wieder für schlimme Sachen gemacht haben.

Was wären Sie eigentlich geworden, wenn nicht Regisseur, Herr Hofmann?
Ich habe keine Ahnung! (lacht)


Kein Plan B?
Tatsächlich hatte ich nie einen Plan B! Geschrieben habe ich ja immer, und mit 17 bekam ich schon eine Förderung für ein Drehbuch. In der Werbung habe ich aufgehört, weil ich das vom Niveau her nicht toll fand und die mich auch schnell gelangweilt hat.
Tja, was wäre ich sonst geworden? - Buchautor oder Romanautor vielleicht. Aber in der Einsamkeit nur schreiben wäre für mich schrecklich. Auf Dauer würde ich das nie aushalten. So gerne ich auch schreibe, aber auf Dauer....! Ich genieße es dann doch, mit Menschen auch in Kontakt zu treten.

 

Foto: Regisseur Hofmann und Martina Gedeck (c) ard.de

Info:

„Seit du da bist" mit Martina Gedeck, Manuel Rubey, Katharina Schüttler, Robert Palfrader wurde am Mittwoch, 14. Dezember 2016, um 20:15 Uhr gesendet. 

Der Film  ist noch bis zum 21. Dezember in der Mediathek zu sehen:
http://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/sendung/seit-du-da-bist-104.html

WIEDERHOLUNGEN

Sa, 17.12.16 | 20:15 Uhr | ONE

Mi, 21.12.16 | 15:30 Uhr | ONE

Do, 22.12.16 | 06:45 Uhr | ONE

 

Teil 1 des Interviews unter

https://www.weltexpresso.de/index.php/kino/8702-die-liebe-zu-filmen-die-sind-wie-das-leben-selbst