Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Dezember 2016, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Louis-Jean Knipper (Gaspard Ulliel) ist 34 Jahre alt und lebt als erfolgreicher Autor weit weg von seiner Familie. Nach 12 Jahren Abwesenheit kehrt er jetzt zum ersten Mal wieder nach Hause zu seiner Mutter Martine (Nathalie Baye), seinem älteren Bruder Antoine (Vincent Cassel), dessen Ehefrau Catherine (Marion Cotillard) und seiner jüngeren Schwester Suzanne (Léa Seydoux) zurück.

Während seiner Abwesenheit schickte Louis zwar immer wieder Briefe und Postkarten, doch jeglicher persönlicher Kontakt blieb aus. Jetzt kehrt Louis eigentlich nur zurück, um seiner Familie mitzuteilen, dass er unheilbar an AIDS erkrankt ist und bald sterben wird.

Voller Vorfreude hat die Mutter ein Essen vorbereitet, doch schon kurz nach Louis Ankunft brechen alte Konflikte wieder auf. So glaubt Suzanne, die zu viel kifft und immer noch im elterlichen Haus wohnt, dass ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn Louis nicht weggegangen wäre und dass er sie immer noch retten könnte. Antoine fühlt sich von dem intelligenten Louis gedemütigt, obwohl er selbst unfähig ist, etwas aus seinem Leben zu machen. Seine ungezügelte Aggression zeigt sich auch darin, dass er Louis wegen dessen Homosexualität beschimpft und dauernd versucht ihn herabzusetzen. Die Mutter ist zwar laut und schlagfertig, scheitert aber daran, die Familie zusammenzuhalten. Einzig Louis Schwägerin Catherine, die bei jedem lauten Wort ihres Ehemanns zusammenzuckt, scheint in der Lage zu sein, Louise Probleme zu erkennen. Allerdings ist sie zu schüchtern, um ihm zu helfen.

Die lang aufgestauten Gefühle seiner Familie und ihre Unfähigkeit, einander zuzuhören, werden Louis am Ende davon abhalten, ihnen mitzuteilen, warum er gerade jetzt zu Besuch kommen wollte.


"Einfach das Ende der Welt" basiert auf dem Theaterstück "Juste La Fin Du Monde" des französischen Dramatikers Jean-Luc Lagarce (1957 - 1995), der selbst an AIDS gestorben ist. Das Stück wurde 1990 in Berlin verfasst und hatte im Oktober 1999 am Théâtre National de la Colline in Paris seine Uraufführung.

Der kanadische Regisseur Xavier Dolan hat das Theaterdrama selbst adaptiert. Der Film wurde am 19. Mai 2016 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Cannes uraufgeführt und erhielt dort den Großen Preis der Jury.

Nach großen Erfolgen mit "Ich habe meine Mutter getötet", "Laurence Anyways" oder "Mommy" konnte der 27jährige Dolan für die Verfilmung von "Einfach das Ende der Welt" mit Gaspard Ulliel, Vincent Cassel, Marion Cotillard, Nathalie Baye und Léa Seydoux ein herausragendes französisches Darstellerensemble gewinnen.

"Juste La Fin Du Monde" besteht zu großen Teilen aus Nahaufnahmen. Kameramann André Turpin, der bereits bei "Sag nicht wer Du bist" und "Mommy" mit Dolan zusammengearbeitet hat, erreicht dadurch eine extrem klaustrophobische Stimmung, die wunderbar die kammerspielartige Struktur des Films unterstützt.

Zu den Stärken des Films gehören ganz sicher die schauspielerischen Leistungen der einzelnen Darsteller. Marion Cotillards Catherine ist schüchtern, verschreckt und unsicher, Vincent Cassels Antoine ein unzufriedener und brodelnder Vulkan, Nathalie Baye ist als Mutter überkandidelt und häufig nervtötend, Léa Seydouxs Susanne ist unzufrieden mit ihrem Leben, bringt aber den Mut nicht auf, etwas daran zu ändern. Gaspard Ulliel spielt Louis zurückhaltend und beobachtend und wirkt dabei sehr überzeugend. Er macht verständlich, wie Louis reagiert, als er merkt, dass sich seit seinem Weggang nichts geändert hat und er auch kurz vor seinem Tod eigentlich seiner Familie immer noch nichts zu sagen hat.

Regisseur Xavier Dolan hat sich mit "Einfach das Ende der Welt" zum ersten Mal an ein Kammerspiel gewagt. Der Film ist ganz sicher nicht sein bestes, auf jeden Fall aber sein bis heute konventionellstes Werk. Er mag deshalb vielleicht seine Fans enttäuschen, "Juste La Fin Du Monde" ist als Arthouse-Film auf jeden Fall sehenswert.

Foto: Catherine (Marion Cotillard), Antoine (Vincent Cassel), Louis (Gaspard Ulliel), Suzanne (Léa Seydoux) und Mutter Martine (Nathalie Baye) © Weltkino Filmverleih GmbH

Info:
Einfach das Ende der Welt (Frankreich, Kanada 2016)
Originaltitel: Juste La Fin Du Monde
Genre: Drama
Filmlänge: 99 Min.
Regie: Xavier Dolan
Drehbuch: Xavier Dolan nach dem Theaterstück von Jean-Luc Lagarce
Darsteller: Gaspard Ulliel, Marion Cotillard, Vincent Cassel, Léa Seydoux, Nathalie Baye u.a.
Verleih: Weltkino Filmverleih GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 29.12.2016