Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Dezember 2016, Teil 2


Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Von einer burschikosen jungen Frau würde man eigentlich erwarten, dass sie ihr Leben in die Hand nimmt. Doch weit gefehlt. Schon der Versuch, ein bisschen Geld zu verdienen, geht bei Ana (Salomé Richard) in die Hose. Als Fahrerin bei einer Filmproduktionsfirma kommt sie nicht gut an.

Unpünktlich liefert sie einen Mitarbeiter am Drehort ab, der Chef rastet aus. Wie ein bockiges Kind fährt sie daraufhin mit dem Porsche, den sie eigentlich abgeben müsste, zu ihrer Großmutter (Claude Gensc) und strapaziert die Geduld ihrer Mitmenschen, weil immerzu etwas schief läuft und sie permanent jemanden braucht.


Die Französin Rachel Lang erzählt von einer introvertierten Träumerin, die, so wie sie gleichgültig Straßburg driftet, sehr an den Müßiggänger Niko in Jan Ole Gersters preisgekröntem Erstling „Oh Boy!“ erinnert. Nur empfiehlt sich letzteres Porträt eines Berliner Studienabbrechers als der ungleich bessere Film, da sich mit der Zeit die Anekdoten zu wundersamen Begegnungen und melancholischer Poesie verdichten.Lang belässt es dagegen bis zum Schluss bei einer Montage von losen,  unspektakulären Szenen, mithin kommt „Baden Baden“ reiflich spröder daher. Zumal die Dialoge überwiegend Alltagsbanalitäten bestimmen.


In der ereignisreichsten Episode will Ana das Badezimmer der ins Krankenhaus eingelieferten Oma renovieren. Das Vorhaben, die Badewanne durch eine begehbare Dusche zu ersetzen, erweist sich allerdings als schwieriger als gedacht. Als sie alleine nicht weiter kommt, holt sie sich Männer, die für sie die Arbeit erledigen.


Dass die Protagonistin nicht weiß, was sie will, zeigt sich vor allem auch an ihren unbefriedigenden Beziehungen zu Männern: Von ihrem uncharmanten Exfreund Boris (Olivier Chantreau), ein selbstverliebter Künstler, kommt sie nicht los, aber sie schläft auch mit ihrem besten Freund Simon (Swann Arlaud). Qualitäten bezeugt die eigenwillige Tragikomödie seitens einer an der Berliner Schule orientierten Ästhetik. Die streng komponierten Bilder vermitteln glaubwürdig das Gefühl einer Gefangenschaft im eigenen Leben. Öde, sterile Landschaften, die keine typischen Straßburger Stadtansichten zeigen, sondern Baumärkte, Parkplätze oder Krankenhäuser, unterstreichen zudem die Atmosphäre der Einsamkeit, Tristesse und nüchternen Sachlichkeit.


Ein kraftvoller Frauenfilm, als den die Regisseurin ihr Werk sehen will, ist „Baden Baden“ aber nicht. Wer genau hinschaut, sieht vielmehr eine unselbstständige, unentschiedene Außenseiterin mit einer fragwürdigen Haltung zu ihrer Sexualität.

Foto: Die Enkelin (Salomé Richard) mit ihrer Großmutter (Claude Gensac) (c) Verleih

 

Hinweis:

Ausgerechnet mit dem heutigen Anlaufen des Films in Deutschland ist die Darstellerin der Großmutter, die 89jährige Claude Gensac, verstorben. Sie war bekannt geworden als Filmehefrau von Louis de Funès, die sie in drei der sechs Filme um den Gendarmen Ludvic Chruchot verkörperte. Die Redaktion