Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. Dezember 2016, Teil 6
Filmheft
Florenz (Weltexpresso) - Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?
Ich finde, dass Beatrice etwas sehr Starkes hat. Während ich sie spielte, musste ich viel an Blanche DuBois denken, die Person an sich, ihre Zerbrechlichkeit, ihre Einsamkeit, ihre Art vom Schmerz wegzukommen, sich davor durch Verrücktheit zu beschützen. Ich habe körperlich erlebt, wie Wahnsinn vor Schmerz schützen kann.Wenn eine Figur wie die der Beatrice so gut geschrieben ist, so komplett und perfekt – denn sie beinhaltet alle innerlichen Kämpfe, Dynamiken, Motivationen, Bedürfnisse, Handlungen, Träume – dann ist für einen Schauspieler alles sehr viel leichter.
Wie haben Sie sich der Figur angenähert?
Manchmal wäre ich gerne noch präziser, noch tiefgründiger, fantasievoller und erfindungsreicher gewesen. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass die daraus resultierende Frustration der Figur gut getan hat, denn Beatrice ist keine zufriedene Frau. Ich habe versucht, ihr auch meine persönliche Unzufriedenheit zu geben, meine Nervosität, meine Müdigkeit, manchmal auch meine Unfähigkeit, denn sie ist unfähig. Ich merkte, dass die Beatrice, die ich
spielte, mich mit sich nahm und mich dazu brachte, einen kleinen Schritt zu gehen, um in ihre Krankheit einzusteigen, in ihre Mythomanie, ihre Gehässigkeit, ihr Bedürfnis nach Liebe. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich gesund und sie krank ist, aber dass ich mich ein bisschen bewegen muss, ein bisschen von mir weg. Außerdem, wie ich bereits sagte, benutze ich gerne persönliche Elemente. Die Einsamkeit von Beatrice erscheint mir nicht so weit entfernt. Ich bin wohl keine pathologische Lügnerin, dennoch demonstrierte mir die erste Szene anschaulich, was Mythomanie bedeutet und wie es Beatrice hilft, ihrer Depression zu entkommen, indem sie sich einen eigenen Kosmos kreiert. Interessanterweise ist Beatrice eine Mythomanin, die viele Wahrheiten sagt.
Wie gelang es Ihnen, gemeinsam mit Micaela Ramazzotti Ihr Paar zum Leben zu erwecken?
Ganz langsam, eine Szene nach der anderen. Eine der ersten Sequenzen, die wir drehten, ist die, in der ich vorgebe, Psychiaterin zu sein. Eine der Schlüsselszenen für unsere stürmische Freundschaft. Ich akzeptiere und verstehe sie. Aber dann fühlt sie sich hintergangen. Dies löst bei mir ein Bedürfnis aus, sie zu retten und zu schützen, und schließlich kann sie es zulassen, gerettet und beschützt zu werden, gefolgt von einer Enttäuschung, nach der wir
uns aber wiederfinden… Das sind die Etappen der Freundschaft dieser beiden Frauen, bei der sich beide – man kann fast sagen – verlieben. Mit Micaela sind wir die Sache mutig angegangen, natürlich gab es auch schwierige Momente, da es Momente der Freude, aber auch Momente der Gewalt zwischen beiden Figuren gibt, und wir haben sie alle mit einer wirklichen Freude, aber auch mit einer wahren Gewalt durchlebt.
Wir haben beide akzeptiert, uns zu zeigen, uns weh zu tun, uns Gutes zu tun, vor allem aber nichts auf die gewöhnliche Art und Weise zu machen, sondern so authentisch wie möglich. Ich hoffe, dass dieses Paar, das wir spielen, auch unsere eigenen tatsächlichen Erfahrungen ausdrückt. Zum Beispiel die Momente, in denen wir von anderen Menschen umgeben waren, uns aber alleine fühlten, genau wie unsere Figuren. Und wir haben auch Momente voller Freude und Mitgefühl füreinander erlebt, eine besondere Nähe. Wir haben uns nicht mit Samthandschuhen angefasst. Wir waren keine „korrekten“ Personen, unsere Figuren waren schlecht erzogen, deswegen erschien es mir wichtig, dass wir es auch als Schauspielerinnen waren.
Foto: Valeria Bruni Tedeschi (c) Filmheft S. 19