Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Januar 2017, Teil 5
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Lässt sich über die Nachkommen der Täter und Opfer des Holocausts eine Komödie gestalten? Im Hinblick auf die politische Korrektheit und schrillende Alarmglocken angesichts eines europaweiten Rechtsrucks erscheint ein solcher Tabubruch ein schwieriges Unterfangen.
Und doch hat mit Dani Levy schon vor vielen Jahren ein großer Könner vorgemacht, wie es gehen kann, zeigte er doch in „Alles auf Zucker“ Juden in Deutschland erstmals losgelöst von der NS-Zeit als ebenso neurotische wie liebenswerte Charaktere, die gerne auch mal selbstironisch ihre eigene Religion aufs Korn nehmen. Sein Film sprüht vor intelligentem Witz und treffsicheren Pointen.
Chris Kraus bekommt das leider mit einem Humor, der sich überwiegend aus Klamauk und albernen Slapsticks speist, weniger überzeugend hin.
Das beginnt schon damit, dass sich sein Protagonist gerne dazu verleiten lässt, Konflikte mit der Faust statt mit dem Verstand auszutragen, wenn er sich provoziert fühlt. Lars Eidinger ist dieser Totila Blumen, ein verkniffener, humorloser Holocaust-Forscher. Als sein Chef Balti (Jan Josef Liefers) auf einem Meeting anklingen lässt, aus einem geplanten Auschwitz-Kongress ein werbefinanziertes Medien-Event zu machen, geht er ihm gehörig an die Gurgel.
Zazie (Adèle Haenel), eine französische Praktikantin, die mit Balti liiert ist und Totila bei den Vorbereitungen zu dem Kongress helfen soll, erweist sich als eine nicht minder gestörte Person. Ihre Hundephobie gibt Anlass zu blöden Gags, auf einer Autofahrt fliegt ein drolliges Kerlchen aus dem Fenster.
So wie sich die beiden Eigenbrötler nach bewährtem Screwball-Muster anfänglich auf die Nerven gehen, erscheint jedoch absehbar dass es irgendwann zwischen Zazie und Totila funkt. Schon allein deshalb, weil ihre Familien schuldhaft miteinander verstrickt sind: Die Liebe als Erlösung.
Wie Kraus die familiären Beziehungen seiner Protagonisten verzahnt, wirkt ein wenig konstruiert, aber schwerer wiegt, dass der Regisseur sein eigentliches Thema verrät. Das bisweilen an Selbstzerfleischung rührende, komplizierte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Identität tritt hinter einer flachen Liebesgeschichte zurück, die freilich auch obligatorischen Sexszenen Raum gibt.
Zu Komplikationen kommt es jedoch nicht erst, als die Draufgängerin und der Misanthrop sich körperlich näher kommen, zuvor schon walzt Kraus unnötig Totilas Eheleben aus.
Der Juniorprofessor und seine Frau (Hannah Herzsprung) haben einen Deal: Weil er nicht mit ihr schlafen kann, darf sie es heimlich mit anderen Männern treiben. Findet er es aber heraus, platzt er vor Eifersucht.
Zwar müht sich der fabelhafte Lars Eidinger, seine Rolle so komplex wie möglich anzulegen, aber die Schwächen des Drehbuchs kann er nicht kompensieren und erst recht nicht das übrige Ensemble, das zwar zu viele aber nur halb so markante Darsteller vor der Kamera versammelt wie weiland Levy.
Nur eine Figur macht „Die Blumen von gestern“ letztlich interessant: die österreichische Burgschauspielerin Sigrid Marquardt als zickige Auschwitz-Überlebende. Gnadenlos führt sie die devoten Schleimer vor, die sie um jeden Preis als Schirmherrin des Kongresses und damit als prominentes Aushängeschild gewinnen-, sich in Wirklichkeit aber selbst nur wichtig nehmen wollen.
Das aber reicht nicht aus, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Allein für seinen Mut, ein überstrapaziertes Thema anders aufzuziehen, gebührt Kraus Respekt. Hinsichtlich einer Vielzahl von Auszeichnungen und Preisen erscheint die Klamotte jedoch weidlich überschätzt.