Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Januar 2017, BLUMEN VON GESTERN, Teil 11

Filmheft

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Siie sei nervig, wurde ihr beschieden. Das muß sie in dieser Rolle der jungen franzöischen Praktikantin auch sein, um den hartgesottenen deutschen Holocausforscher mit der braunen familiären Vergangenheit zu knacken. Was ihr gelingt. Beeindruckendes Spiel, findert: die Redaktion.


SIE HABEN IN FRANKREICH ZWEIMAL DEN CÉSAR ALS BESTE SCHAUSPIELERIN GEWONNEN, WAREN MEHRMALS  IN  CANNES  IM  WETTBEWERB  EINGELADEN.  WIESO WOLLTEN SIE IN EINEM DEUTSCHEN FILM MITSPIELEN?

Mir  hat  das  Drehbuch  gefallen.  Die  Mechanismen  des  Marktes  sind  mir  ziemlich  egal.  Ich  habe  alle  meine  Filme  aus  dem  Bauch  heraus  entschieden,  und  hier  war  es  die  Geschichte,  die  mich  interessierte,  natürlich  auch  der  extreme  Charakter  der  Figur.  Außerdem  kannte  ich  Lars  Eidingers  Arbeit.  Er  ist  in  Frankreich  berühmt,  so  wie  das  ganze zeitgenössische deutsche Theater sehr anerkannt ist.

Ich hatte kurz zuvor in Paris in einem Stück von Marius von Mayenburg mitgespielt, dem Hausautor der Berliner Schaubühne,  und  da  trugen  alle  Rollen  die  Namen  der  realen Schauspieler, Lars Eidinger war natürlich auch dabei.



UND  WIE  WAR  DIE  ZUSAMMENARBEIT  MIT  LARS  EIDINGER AM SET?

Lars macht sehr viele Vorschläge, und das ist immer erfrischend.  Wenn  er  beim  Spiel  unerwartet  den  Rhythmus  wechselt, wenn sich in einer Szene die Betonung ein bißchen ändert – das fand ich sehr schön mit ihm. Auch, daß er so lustig sein kann. Das half mir, mich in der Fremde wohl zu fühlen. Natürlich fühlte ich mich nicht so frei und sicher, wie wenn ich auf Französisch drehe, vor allem, wenn es um Improvisation geht. Und wir haben immer wieder Improvisationen eingebaut, wenn wir das Gefühl hatten, dass die Szenen zu statisch werden. Lars war dann sozusagen der Motor  dafür,  dass  ich  ohne  Worte  reagieren  und  etwas  Neues machen konnte.

Und ich habe das Gefühl, dass er niemals isoliert für sich allein spielt. Was am interessantesten  ist  im  Schauspiel,  ist  nicht,  immer  sein  eigenes  Leben  zu reproduzieren,  mit  seinem  eigenen  privaten  Gefühl  –  sondern  das,  was  passiert, wenn  man  jemand  Besonderen  trifft,  einen  Partner  im  Spiel,  und  durch  ihn  etwas  Unvorhergesehenes  und  Unerwartetes  geschieht,  etwas völlig Neues. Das finde ich am interessantesten an unserem Beruf, und das macht Lars sehr gut.


WIE WAR ES FÜR SIE, IN EINER FREMDEN SPRACHE ZU ARBEITEN?

Für  mich  war  wichtig,  dass  ich  diese  Schwierigkeit  des  Sprechens nicht verbergen musste. Das ergibt keinen Sinn, das  gibt  keine  Seele.  Ich  hatte  zur  Vorbereitung  ein  paar  Filme  mit  französischen  Schauspielern  gesehen,  die  auf  Deutsch gespielt haben, und meiner Meinung nach war das größte  Problem,  dass  es  keine  Seele  gab.  Das  war  alles  super-sauber, wie im Deutsch-Unterricht. Aber es ist auch eine Weise, sich als Darsteller zu schützen.

Chris Kraus hat das  verstanden,  dass  ich  das  nicht  wollte,  dass  ich  also  eine  Unsicherheit  brauchte  für  die  Figur.  Wir  haben  das  dann  für  die  Figur  benutzt.  Er  hing  nicht  an  bestimmten  Wörtern, die für mich zu schwer sind. So ging es ganz gut.



WIE HABEN SIE FÜR DEN FILM SO SCHNELL DEUTSCH GELERNT?

Ich hatte zuerst eine deutsche Lehrerin in Frankreich, mit der ich  einige  Monate gearbeitet  habe.  Danach  bin  ich  nach  Dresden  gegangen  und  habe  dort  zwei  Wochen  verbracht  und einen Abschluss am Goethe-Institut gemacht. Und dann bin  ich  nach  Berlin  zu  den  Proben  gekommen  und  musste  unentwegt Deutsch sprechen.

Eine französische Assistentin wollte  ich  nicht,  einen  Dialogcoach  auch  nicht,  ich  wollte  sprachlich total in dieses Land fallen. Dadurch habe ich viele Fortschritte gemacht. Voilá ...



WIE  HAT  SICH  DIE  ARBEIT  IN  DEUTSCHLAND  VON  DEN ABLÄUFEN IN FRANKREICH UNTERSCHIEDEN?

Das war hier neu für mich. Ich habe noch nie so gearbeitet. Am Anfang jeder neuen Szene machte Chris Kraus das Set frei, und wir probten die ganze Szene wie auf dem Theater. Manche  Szenen  waren  sehr  lang,  d.h.  wir  haben  diese  Szene  an  drei  Tagen  stückchenweise  gedreht  –  und  am  ersten Tag machten wir eine Probe für die ganze Szene, um den  Rhythmus  zu  kriegen  und  einen  Gesamtblick  auf  die  Psychologie  der  Charaktere  zu  haben.  Das  ist  schön.  Ich  finde das schön, dass man Zeit bekommt nur für das Spielen. Es ist aber natürlich ein ungeheurer Luxus.