Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Januar 2017,    Teil 8

Filmheft


Berlin (Weltexpresso) - Wie kamen Sie auf die Idee zu KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS?


Olsenbande trifft Ocean´s Eleven! Eine Gruppe pensionierter Agenten aus dem Osten, die noch einmal vom ehemaligen Erzfeind, dem BND, aus dem Ruhestand geholt werden – das ist eine Idee, die schon vor vielen Jahren entstanden ist. Mich hat immer die Möglichkeit fasziniert, eine Genrekino-Idee, mit einer sehr spezifischen und konkreten gesellschaftlichen Situation in Deutschland verbinden zu können.


Wie kam es zu dieser Star-Besetzung?

Es war von Anfang an klar, dass so ein Film nur mit ziemlich genau dieser Besetzung funktionieren würde. Ich bin sehr froh, dass Henry Hübchen dem Projekt in der Entwicklung sehr lange treu geblieben ist. Ich bin ein großer Fan, seit ich ihn in den 90er Jahren in den Stücken von Frank Castorf in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gesehen habe, die für mich so wichtig waren. Die Rolle des „Ost-James Bonds“ habe ich wirklich explizit für ihn geschrieben.

Aber die Idee, dass er darauf besteht, seine alten Kumpels mitzunehmen und dass dann auch die anderen „ostdeutsche“ Stars sind, war genauso grundlegend für den Film. Und ich freue mich einfach riesig, dass uns das tatsächlich gelungen ist, die alle zusammenzubringen. Michael Gwisdek ist einfach ein großer Komödiant und Thomas Thieme ein herrlich trockener Gegenpol. Winfried Glatzeder war ja nach Paul und Paula eine Legende. Trotzdem trifft auf ihn am ehesten das Schicksal der Kundschafter im Film zu. Er hat im „westdeutschen“ Kino nie wieder denselben Status erreicht wie in der DDR.

Auf eine Art schlagen hier also nicht nur die alten Ostspione noch mal zurück, sondern zeigen auch die früheren Stars der DEFA noch mal, was sie drauf haben.

Da ich selbst im Westen sozialisiert wurde, war mir natürlich wichtig, dass es den Gegenpol aus dem Westen geben muss: den großen Gegenspieler von Falk, den „Überagenten“, der ihm immer einen Schritt voraus war. Da war es wirklich eine Fügung, dass wir Jürgen Prochnow für den Film gewinnen konnten. Wer sonst könnte als Held des Westdeutschen Kinos für diese Generation stehen? Wenn man Jürgen Prochnow einen Faustschlag ausführen sieht, dann schwingen da natürlich gleich viele Bilder des Hollywood- und Genrekinos mit. Und wenn Jürgen Prochnow und Henry Hübchen zusammen im Flugzeug sitzen, treffen wirklich zwei Welten aufeinander und doch sind die beiden vom gleichen Schlag. Für mich hat dieses Bild auch eine persönliche Bedeutung, weil ich in dieser Konstellation auf eine Art auch immer meinen Vater und meinen Schwiegervater sehe. Mein Vater kommt aus Westberlin und schaut auf einen beruflichen Werdegang ohne Brüche zurück, ist fest verwurzelt mit der Bundesrepublik. Der Vater meiner Frau dagegen musste nach der Wende noch einmal komplett von vorne anfangen, hatte viele Berufe danach und schaut eben auch ganz anders auf sein Leben und dieses Land.


Eine Agentenkomödie ist ein ungewöhnliches Sujet für einen deutschen Film, auch für Sie persönlich, wenn man ihre bisherigen Filme anschaut. Wie haben sie versucht, das Genre zu bedienen?

Mir war es wichtig, dass der Film in seinem filmischen Mitteln, in Ausstattung, Kamera und Musik auch eine Hommage an den alten Agentenfilm ist. Ein Agentenfilm, der Komödie ist, aber keine überdrehte Satire. Natürlich war das für mich eine sehr große Herausforderung. Meine Filme haben sich bisher ja sehr stark an der Realität orientiert und KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS ist ein Film, der sich viel stärker auf das Kino als Referenz bezieht als auf die Realität. Alles ist völlig erfunden, die Orte, die Konflikte usw.

Es hat natürlich wahnsinnig Spaß gemacht, sich so eine ehemalige Sowjetrepublik auszudenken, böse ehemalige KGB-Agenten oder so etwas wie ein katschekisches Hotel, mit Anklängen aus den 70er Jahren in Osteuropa - die Zeit, in der sich unsere Agenten groß und wichtig gefühlt haben, in der sie agiert haben, ihre besten Jahre hatten. Das ist natürlich ein Thema, das über Ost- und West hinausgeht: dieses Festhalten an seiner besten Zeit, Zurückkehren an einen Ort der Vergangenheit, an dem aber natürlich nichts mehr ist wie es einmal war. Und trotzdem gibt es ja diese Momente, in denen sie an früher anknüpfen können. Da steht tatsächlich noch der alte Jeep, mit dem Falk vor vielen Jahren durch die katschekische Steppe gefegt ist. Da kommen sie mit ihrer alten Ausstattung in die Hotellobby gelaufen, wie in alten Zeiten.

Lustig finde ich, dass dieses Retrofeeling ja tatsächlich immer noch schick und cool ist. Ocean´s Eleven hat sich ja auch auf die 70er Jahre bezogen, obwohl er eigentlich gar nichts mit der Zeit zu tun hat. Das katschekische Hotel haben wir komplett in Deutschland gedreht und es ist schon sehr interessant, dass wir diesen 70er-Jahre-Stil im Osten kaum noch gefunden haben, da dort soviel wegsaniert wurde. Aber im ehemaligen Westen gibt es noch solche Orte - wie das alte Rathaus in Marl.


Das Scheitern der gealterten Ostagenten ist Kern Ihrer Komödie. Wie viel Realität steckt in dieser fiktiven Geschichte?


Die Auslandsspione der DDR sahen sich bis zur Wende tatsächlich auf Augenhöhe mit dem CIA, Mossad und dem MI-6, waren im Gegensatz zu ihren Mitbürgern in der ganzen Welt unterwegs und doch ging der Kalte Krieg aus ihrer Sicht verloren. Von einem Tag auf den andern waren sie arbeitslos und abgemeldet. Der glanzlose BND hatte gewonnen. Fast 30 Jahre später sind sie kauzige Alte am Rande der Gesellschaft. Gleichzeitig umweht Geheimagenten eben immer dieses Kinoimage, das natürlich wenig mit der Realität zu tun hat. Aber jeder denkt sofort an James Bond oder Jason Bourne.

Gerade in diesem Widerspruch liegt für mich der Reiz, wenn diese Außenseiter noch einmal eine Chance bekommen, zu beweisen, was in ihnen steckt! Aber dieser Teil ist natürlich reine Fiktion. Aber es steckt natürlich ein gesellschaftlich realer Kern hinter diesen Biographien. Viele DDR-Bürger, die kurz vor der Wende auf dem Höhepunkt ihrer Karriere standen, haben das als großen biografischen Bruch empfunden. Die Generation, die zu jung war, um in Rente zu gehen, und zu alt, um noch einmal ganz neu anzufangen, ist nach meinem Gefühl bis heute nicht richtig in diesem gemeinsamen Deutschland, in der Bundesrepublik angekommen.

Darum finde ich es so toll, dass diese frustrierten Geheimagenten, die immer noch in ihrem Ost-West-Schema denken, die im Westen immer noch den Feind sehen und sich nicht mit der BRD identifizieren können, noch mal gebraucht werden. Da stört es sie auch nicht, dass es ausgerechnet darum geht, eine Wiedervereinigung zu retten. Sie wollen beweisen, dass sie eigentlich mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser als ihre Erzfeinde waren. Dass sie dabei übersehen, dass diese Zeit fast 30 Jahre zurückliegt, ist unsere Komödie.


Ist das vielleicht auch eine Botschaft des Films – Das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung?

Die Sehnsucht, gebraucht zu werden, vorzukommen in dieser Gesellschaft mit ihren Biographien - das ist das, was die alten Herren in diesem Abenteuer antreibt. Sie scheitern ja von einer Situation in die Nächste und doch schaffen sie es irgendwie, durch jede Menge Improvisation und Herz ihre Mission zu erfüllen. Und das ist natürlich auch sehr utopisch, dass gerade der ewig Gestrige Jaecki, die Technikerlegende, mit einem großen Applaus im Bundestag doch noch die Anerkennung erfährt, die er sich so gewünscht hat. Dieser Applaus basiert zwar auf einem großen Missverständnis und er hat ja seine Fähigkeiten nun mehr oder weniger eingesetzt, um die Wiedervereinigung zu retten, aber es ist eben doch eine Art verqueres Ankommen in der Bundesrepublik.

Auch Falks großes Ziel ist es ja, seinem Erzfeind von damals noch einmal zu zeigen, wer der bessere Geheimagent war. Alles andere ist ihm im Grunde egal. Das ganze Endet ja in einer weiteren großen Niederlage für ihn, weil wieder der Superagent aus dem Westen die Kastanien aus dem Feuer holt. Erst indem sie ihre alte Feindschaft überwinden, um die „gemeinsame“ Tochter zu retten, schaffen sie es gemeinsam, die Mission zu Ende zu bringen. Witzig ist dabei natürlich, dass sie es trotzdem nicht schaffen, ihr altes Konkurrenzgehabe aufzugeben nahtlos an die Zeiten des Kalten Krieges anknüpfen.

Für Paula spielt das ja dann gar keine Rolle mehr, wer „der Gewinner“ ist. Sie ist die Tochter beider Seiten. Ein überhöhtes versöhnliches Ende, klar, aber das wünsche ich mir natürlich auch für diese Generation



Ebenfalls aus dem Filmheft finden wir zur BEGRIFFSERKLÄRUNG des  „KUNDSCHAFTER DES FRIEDENS“

Als Kundschafter des Friedens oder in der Kurzform Kundschafter wurden in der Terminologie der DDR die im Ausland bzw. im Inland gegen Ausländer und ausländische Einrichtungen eingesetzten Agenten der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit oder die Agenten der Militärischen Aufklärung der Nationalen Volksarmee
bezeichnet. Die DDR wollte mit der euphemistischen Begriffswahl vortäuschen, dass sie keine Agenten oder Spione im herkömmlichen Sinn beschäftige.

Der Begriff Kundschafter des Friedens wurde seit einem Prawda-Artikel am 9. September 1964 ausschließlich als Begriff für eigene (östliche) Agenten verwendet. Dies wurde damit begründet, es sei zu unterscheiden, „ob jemand im imperialistischen Sold spioniert oder ob er dem Frieden und dem Fortschritt als Kundschafter dient“. Der Nimbus von der
friedensfördernden und angeblich sauberen Arbeit der Kundschafter des Friedens sollte von den tatsächlichen Aufträgen und Aufgaben ablenken. In der Darstellung der DDR waren sie ausschließlich auf die Sicherung der DDR und für die Verhinderung eines Krieges in Deutschland gerichtet. Das Ministerium für Staatssicherheit und die NVA beteiligten sich in der offiziellen Darstellung der DDR nicht an Vorbereitungen von Angriffskriegen, Verschwörungen, Putschen, Attentaten oder an der Ermordung und Folterung von Menschen. (Quelle: Wikipedia)

Foto: Die Agenten © Verleih