Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. Februar 2017, Teil 2
Tarek Ehlail
Berlin (Weltexpresso) – Das Regiestatement des Regisseurs und Drehbuchschreibers Tarek Ehlail ist schon deshalb so interessant, weil der Film sehr ungewöhnliche Bilder findet und eine sehr ungewöhnliche sprachliche sowie nonverbalen Kommunikation bringt. Die Redaktion
VOLT ist die Möglichkeit einer nahen Zukunft. Ist das Vielleicht unseres Übermorgen. Wo die unvereinbaren Realitäten von heute in einem lautem Gewaltakt aufeinander prallen. Wo man lernt, seine Ansichten mit den Fäusten zu verteidigen. Wo derjenige Recht hat, der stärker ist. Wo man gewinnt oder standhält. Je nachdem, auf welcher Seite man steht. Sicher aber ist, dass man auf einer Seite steht. Weil die unüberbrückbare Grenze zwischen Oben und Unten einen Brand entfacht hat, der alles verschlingen muss, solange er lodert. Bis er dem Schicksal jedes Feuers folgt und unweigerlich erlischt.
VOLT ist ein Film in Flammen. Mein unbedingter Anspruch ist es, nur von Dingen zu erzählen, die ich aus ihrer klaren Innenansicht kenne. So sind auch die Erfahrungen und Erlebnisse meines eigenen Lebens der Nährboden, auf dem dieses künftige Feuer gedeihen könnte.
Geboren und aufgewachsen im Saarland bin ich von der Nähe zu Frankreich und der Grenzregion geprägt, mit meinen palästinensischen Wurzeln fand ich in den französischen Banlieues schnell Anschluss und erfuhr wie die Leute dort leben, welche Probleme sie haben, welche Musik sie hören und welche Sprache sie sprechen. Als Autonomer war ich früher auch ständig auf Demos unterwegs. Oft standen wir dabei der Polizei direkt gegenüber. Ein Funke genügte und es hat geknallt. Der Streit um das Luxusgut Wohnraum ist heute zum Auslöser eines Zwei-Fronten-Kampfes geworden – in Frankreich wie auch in Deutschland.
Und immer wieder der Blick auf die anonymen Polizisten. Die immer gleiche Frage, welche Motive hinter den Uniformen stehen könnten. Ob man Teil einer Exekutive sein kann, ohne die Gesetze in Frage zu stellen. Der Sport hat mich den Antworten näher gebracht. Als aktiver Boxsportler im Saarland waren oft Polizisten meine Vereinskameraden. In der Umkleidekabine trägt niemand Uniform. Ich lernte, wie erlebnisorientiert Polizisten sind, was Korpsgeist bedeutet. Wie sie mit ihren Ängsten in Einsätzen umgehen müssen, weil Flucht niemals eine Option ist. Diese Geschichten gaben mir das Bild einer authentischen COP CULTURE. Ein neues, herbes Bild. Mehr finsterer Cop-Thriller wie DARK BLUE, als waldgrüner Wachtmeister. Diese reale Polizeikultur, ihre Härte und Strategie, ihre Leidenschaft und Verzweiflung, bildet das Milieu dieser Filmwelt. Den Puls von VOLT.
Als Autodidakt bin ich zum Film gekommen. Kein Studium, keine Hochschule, kein Wochenendseminar. Ich wollte vor allem unbedingt Filme machen und habe dies konsequent verfolgt. Ich habe schon als fünfzehnjähriger Dorfpunker gelernt, welche Freiheit es bedeutet, angstfrei Ideen zu verfolgen. Meine beiden Projekte CHAOSTAGE – WE ARE PUNKS! und GEGENGERADE – NIEMAND SIEGT AM MILLERNTOR! waren für mich learning by doing. Trotz bescheidenem Besteck ist es uns gelungen, zwei kraftvolle und stark besetzte Filme zu realisieren.
Bei VOLT stehen mir seit Beginn der Entwicklung Produzenten und Redakteure zur Seite. Die gemeinsame Arbeit und der fortwährende Support, haben mein eigenes Schaffen erweitert und bereichert. Nun bin ich startklar. Um diese Idee – mit aller mir zur Verfügung stehenden Power – in einen aufregenden und bleibenden Kinofilm zu verwandeln. Geladen mit ebenso viel Ampere wie sein Titel.
REGIE-VITA TAREK EHLAIL
Autor und Regisseur Tarek Ehlail ist im Saarland geboren und aufgewachsen, an Deutschlands südwestlichster Grenze zu Frankreich. Im Alter von 20 Jahren gehörten ihm zwei Piercingstudios, während er eine erfolgreiche Boxerkarriere verfolgte.
Tarek Ehlails Weg zum Filmemacher war daher eher unüblich. Zunächst drehte der Autodidakt Dokumentarfilme und Musikvideos, bevor er sich an das Drehen und Produzieren von Spielfilmen wagte. Das Arbeiten an „wilden“, „unbändigen“ Filmen wie CHAOSTAGE und GEGENGERADE bedeutete Learning by Doing und hierbei trug er allein die Risiken. Trotz begrenzter Mittel gelang es ihm, zwei aufmerksamkeitserregende und namhaft besetzte Filme zu realisieren, mit Mario Adorf, Moritz Bleibtreu, Wotan Wilke Möhring, Denis Moschitto, Christoph Letkowski, Stipe Erceg, u.v.m.
Bei VOLT entwickelte er zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit Produzenten und Redakteuren ein Drehbuch über mehrere Jahre. Zudem bildete er sich in dieser Zeit auch in Schauspielführung fort und arbeitete mit angesehenen Dozenten wie Frank Betzelt zusammen, mit dem augenschein auch schon bei HÜTER MEINES BRUDERS sehr positive Erfahrungen sammeln konnte. VOLT ist ein Portrait eines rastlosen Protagonisten, der sich auf der Suche nach sich selbst mit den Konsequenzen seiner Aggression auseinandersetzen muss. Durch das Boxen zählen zu Tarek Ehlails engen Freunden auch Polizisten, als Teenager mit palästinensischen Wurzeln im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Frankreich hatte er aber auch Freundschaften auf der „anderen Seite“, und so sieht er die wachsenden Unterschiede in unserer Gesellschaft aus zwei Perspektiven. Es ist ihm ein Anliegen, zu erzählen, dass in einer transnationalen Gesellschaft, Aggression zu Zerstörung führen wird. und Vergebung nur erreicht werden kann, wenn man sich selbst vergibt.
FILMOGRAFIE (Auswahl)
Spielfilm
2016 | VOLT (Thriller)
2011 | GEGENGERADE – Niemand siegt am Millerntor! (Drama)
2008 | CHAOSTAGE – We are Punks! (Drama/Mockumentary)
Foto: Benno Fürmann und André M. Hennicke © Verleih
Info: Statement aus dem Filmheft
PROTAGONISTEN
Benno Fürmann Volt
Sascha Alexander Geršak Torsun
Ayọ LaBlanche
Denis Moschitto Adama
Anna Bederke Bea
Kida Khodr Ramadan Hassan-Zedah
Stipe Erceg Drasko
Tony Harrisson Mpoudja Hesham
Surho Sugaipov Ulasch
André M. Hennicke Polizeichef