Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. Februar, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Französische Komödien sind im Filmgeschäft heute sowohl die besonderen Knaller wie auch die Filme, die etwas Abgegrastes noch einmal auf die Leinwand bringen.



MADAME CHRISTINE nimmt hier eine Mittelstellung ein, denn der Film hat einerseits  einen fulminanten Anfang und eine aufreizende Geschichte, überbordend mit Menschen und ihren Macken, so daß es schwer wird, dazu den passenden Schluß zu finden.

Wenn Alexandra Leclère als Drehbuchautorin und Regisseurin uns am Anfang mit dem auf 300 Quadratmetern im 6. Arondismont mit Tochter lebenden Ehepaar allein läßt, ist man froh, mit diesen nicht mehr zu tun zu haben. Madame Christine Dubreuil (Karin Viard) ist für den etwas grobschlächtigen, auf jeden Fall echten 'Grantler'  und Unsympath Pierre Dubreuil (Didier Bourdon) etwas zu feingestrickt, auf jeden Fall geht sie mit lässiger Contenance über dessen Mangel an Liebenswürdigkeit und Empathie hinweg. Man kann sie als eine Frau, die perfekt angezogen und höflich, ihre Tage damit zubringt, Schießen zu optimieren und niemals einen Beruf hatte, noch irgendeiner anderen Arbeit nachging, lange überhaupt nicht einschätzen. Mit ihrer Erfindung ist der Regisseurin im Personenkarussel wirklich etwas Neues eingefallen, zumal sie in Karin Viard, in Frankreich eine bekannte Kabarettistin, eine stilsicherere Besetzung erhielt. Sie wird zudem im Film diejenige sein, die ihre angestammte Rolle am weitesten ausdehnen und verändern kann.

Dazu wird sie wie alle Wohnungseigentümer und -mieter auch herausgefordert. Es ist nämlich ein besonders strenger, also eiskalter Winter und in Paris wird von den Sozialisten tacheles – nein, nicht geredet, sondern gehandelt. Große Wohnungen werden requiriert und alle Obdachlosen und Geringverdienenden  in Paris werden zwangseinquartiert. Dazu muß man sich ins Rathaus begeben, wo unseren Bewohner des Hauses die Personen zugewiesen werden, unter denen besonders viel Afrikaner auffallen. Es fällt auch auf, wie die einzelnen versuchen, Ausnahmen herauszuschlagen: Für unsere Vorzeigefamilie heißt das, daß die Mutter aus dem Altersheim geholt wird, die Putzfrau auf einmal auch dort wohnt, damit die Zwangseinweisung personell nicht so umfangreich wird.

Das Paar Bretzel obendrüber, er Schriftsteller (Michel Muillermoz) , sie Lehrerin  (Valérie Bonneton) mit Kleinkind, ist als Wähler der Linken in diesem gutbürgerlichen Haus verschrieen. Aber auch hier wird bei der Einweisung deutlich, wes Geistes Kind diese Menschen sind. Während er völlig auf der Seite der Frierenden und Mittellosen steht und ihnen sein Heim öffnet, verschließt es die im Unterricht so linke Lehrerin, indem sie falsche Angaben macht. Außerdem kommt ihr entgegen, daß die einweisende Beamtin ein Fan ihres Mannes ist, und mit Hilfe eines signierten Buches  von dieser hier eine Ausnahme gemacht wird.

Die komödiantischen Qualitäten des Films sind solche kleinen Widsprüche, wie dieser: schließlich will der Schriftsteller ja human sein, seine Frau hintertreibt aber ausgerechnet mit seinem Autogramm im Buch sein Begehren. Noch doller kommt es, als die hinterlistige Ehefrau, die uns als überfordert geschildert wird, weil sie dazu ihr Kind immer irgendwo vergißt, die einquartierte Afrikanerin mit ihrem Baby, mit denen ihr Mann dicke Freundschaft geschlossen hat, ausquartiert und stattdessen einen einzelnen Mann einziehen läßt, der das Paar noch in der ersten Nacht ausgiebig bestiehlt. Vor allem der Diebstahl des Rechners, auf dem der Roman gespeichert ist, tut ausgesprochen weh. Und natürlich denkt der Zuschauer: geschieht dieser Frau recht, aber den Schaden hat der etwas wolkenselige Mann.

Da gibt es noch den älteren Bohemien, einen verdeckten, versteckten Homosexuellen, der seine Wohnung von Anfang an für alle öffnet, für sie kocht und einen gemeinsamen Hausstand betreibt. Das möchte die Concierge am liebsten hintertreiben. Sie ist das absolute Gegenstück zu den Gewährenden. Nicht nur eine knallharte Rassistin, sondern auch eine, die aus allem einen Nutzen zieht und mit der Situation Geschäfte betreibt.

Aber zu wenig haben wir über Eingangsfamlie erzählt. Dort passiert am meisten und auch am meisten mit den Menschen. Während der Hausherr erst Gefallen an der findet, die ihm als Obdachlose beibringt, wieviel Spaß Leben machen kannt, ist Madame Christine von rechtem Schrott und Korn. Wenn schon, denn schon. Auf jeden Fall kann sie ihren kleingläubigen Mann und die angeblich linke Nachbarin mit dem harten Herzen nicht ab, denunziert beide beim Rathaus, so daß weitere Personen in den Wohnungen einquartiert werden – und nicht nur das, sie kann dann auch noch, als der Hauskonflikt eskaliert, sich für eine humane Lösung einsetzen und, da es sich vorwiegend um Afrikaner handelt, die Übersetzungen leisten, weil sie als Tochter eines Offiziers in der Welt herumkam und mehrere Sprachen beherrscht. Völlig richtig, daß Madame im Titel zur Bedeutung gelangt, denn sie bietet auch im Film die meisten Überraschungen – für uns, nicht minder für ihren Ehemann.

Neben vielen Konflikten und Essen- und Trinkgelagen geht der Winter zu Ende und der heiße Sommer bringt ganz andere Probleme. Doch diesen Übergang konstatieren wir nur noch, der Film fasert hier am Schluß aus.

 

Foto: So sieht es nach der Invasion im gutbürgerlichen Wohnzimmer der Madame Christine aus (c) Verleih

Info:

DIE BESETZUNG

Christine Dubreuil   Karin Viard
Pierre Dubreuil        Didier Bourdon
Béatrice Bretzel       Valérie Bonneton
Grégory Bretzel       Michel Vuillermoz
Hausmeisterin         Josiane Balasko
Exzentrischer Nachbar   Patrick Chesnais
Madeleine               Sandra Zidani
Françoise Dubreuil   Michèle Moretti
Audrey Dubreuil      Pauline Vaubaillon
Fatimata                  Firmine Richard
Mme Abramovitch    Anémone
M. Abramovitch        Jackie Berroye